Nicht umsonst heißt dieser Blog „Portion Senf dazu?“, denn hier wurde in über fünf Jahren zu den unterschiedlichsten Themen herumgesenft, über Bücher, Hobbys, Zwischenmenschliches, Aktuelles und Politisches, woran ich nicht unbeteiligt war. So manches Mal war der Senf Gelegenheit Dampf abzulassen, ganz oft habe ich mich aber auch auf die Finger gesetzt, statt zu tippen.
Über die Schlagzeilen, für die die katholische Kirche aktuell sorgt, fällt mir eine ganze Menge ein, was ich dazu schreiben könnte (und möchte), auch wenn ich als nicht praktizierende Protestantin das Elend von außen betrachte. Gar keine Frage, dass ich nicht den Hauch von Verständnis für Täter aufbringe, die ihre Machtstellung missbrauch(t)en, indem sie wehrlosen Kindern Gewalt antun, ebenso wenig wie für diejenigen, die ein erschreckendes Ausmaß an kriminellen Taten über viele Jahre verschwiegen, vertuscht und verharmlost haben, statt den Opfern angemessene Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. Darüber könnte ich mich hier jetzt seitenlang aufregen, persönliche Urteile fällen und Forderungen stellen. Abgesehen davon, dass sich dadurch nichts ändern wird, geht es mir aber an dieser Stelle um etwas ganz anderes, nämlich um die vielen, vielen Menschen, die jetzt in die Rolle gedrängt werden für das einzustehen, was einige wenige (immer noch zu viele) verbrochen haben.
Privatleute, die meilenweit entfernt sind von jeglicher Verantwortung für Verbrechen und dem verantwortungslosen Umgang damit, werden auf sexualisierte Gewalttaten von ihnen völlig unbekannten Tätern angesprochen und aufgefordert persönliche Konsequenzen aus dem zu ziehen, was starrköpfige Funktions- und Würdenträger ganz bewusst und gezielt falsch gemacht haben. Nicht selten gipfelt es in ungebetenen Ratschlägen doch aus der Kirche austreten, statt sie weiter mit Steuergeldern zu finanzieren. Ich bin sicher, dass viele Katholik/innen darüber nachgedacht haben und noch darüber nachdenken. Über deren Ergebnisse und Schlussfolgerungen dürfen meiner Meinung nach Außenstehende gerade mal eventuelles Unverständnis äußern, aber keine Urteile abgeben, vor allem keine Verurteilungen.
Ortspfarrer, die jahrzehntelang mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet haben, ohne dass auch nur der leiseste Verdacht auf sexuelle/sexualisierte Übergriffigkeiten aufkommen konnte, werden völlig grundlos mit üblen Straftätern gleichgesetzt. Irgendwelche dummen Bemerkungen, sind da nicht witzig, sondern verletzend – nicht nur für die ganz große Mehrheit der integren Berufskollegen der Täter, sondern auch für die Opfer.
Nicht, dass wir uns hier falsch verstehen. Kritik an der katholischen Kirche, an ihren patriarchalisch geprägten Machtstrukturen, an der Unterdrückung von Meinungen und Erkenntnissen, an der Ausgrenzung bestimmter Personengruppen, an den Fällen von Versagen in Sachen christlicher Nächstenliebe und Barmherzigkeit, kann, soll und muss meiner Meinung nach geübt werden. Durchaus auch laut und hörbar. Und auch berechtigte Kritik an persönlichem Fehlverhalten von Kirchenangehörigen halte ich für angebracht. Aber nur dann, wenn sie sich gegen die direkt Verantwortlichen richtet und nicht völlig Unbeteiligte mit vereinnahmt.
Der sichtbare Vertrauensbruch durch Teile des kirchlichen Personals auf höherer Ebene hat viele Gläubige, die sich „ihrer“ Kirche verbunden fühlen, welche von „ihrem“ Seelsorgerteam, „ihren“ ehrenamtlich Engagierten und „ihren“ katholischen Einrichtungen vor Ort repräsentiert werden, in eine Vertrauenskrise gestürzt. Da braucht es nicht noch unreflektierte Verallgemeinerungen, haltlose Verunglimpfungen oder Häme von Außenstehenden. Unterstützung dafür, dass sich eine feste Basis von auch weiterhin engagierten Menschen mit ihren Forderungen nach grundlegenden Änderungen in der katholischen Kirche durchsetzt, dagegen schon.
fl
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