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Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

Monat

August 2020

Der Erste nach über 160 Jahren

Mit ganzen 16 Büchern begann von über 160 Jahren die Geschichte der hiesigen Bücherei, in der es nicht nur mir Spaß macht (ehrenamtlich) zu arbeiten. Für deren Verwaltung reichte als Qualifikation Frömmigkeit und die Fähigkeit, handschriftliche Listen zu führen. Aktuell hat die schönste Bücherei im Städtchen über 40 000 Medien im Bestand, über 40 ehrenamtliche und drei hauptamtliche Mitarbeiter/innen und erstmals seit über eineinhalb Jahrhunderten einen Auszubildenden. Aber bestimmt keine handschriftlichen Listen mehr, um den Ausleibetrieb am Laufen zu halten.

Das, wie so vieles andere auch, ist nur noch mit Hilfe des Computers möglich, wobei die Katalogisierung der Medien nicht nur an unseren neuen Kollegen Phil auf seinem Weg hin zum Fachangestellten für Medien und Informationsdienste, Fachrichtung Bibliothek, besondere Anforderungen stellt. Kleine Kostprobe aus dem dazugehörigen Handbuch, das aktuell zwischen den hauptamtlichen Kolleg/innen kursiert:

Formalerschließung wird auch als Formalkatalogisierung, alphabetische Katalogisierung oder einfach nur als Katalogisierung bezeichnet. Sie ist eine zentrale bibliothekarische Dienstleistung: Ohne sie würde man sich im Bestand eine Bibliothek oder anderen Informationseinrichtung nicht zurechtfinden. Bei der Formalerschließung werden Ressourcen gemäß festgelegten Regeln nach äußerlichen, formalen Kriterien beschrieben und auffindbar gemacht.

Mit Ressourcen sind alle Arten von physischen und digitalen Objekten gemeint, die in Bibliotheken oder anderen Gedächtnis- und Informationseinrichtungen (z. B. Archiven, Museen, Dokumentationsstellen) als Sammlungsgegenstände vorkommen. Die Ressourcen müssen nicht zwangsläufig im physischen Besitz der jeweiligen Institution sein; es genügt, wenn diese den Zugang dazu vermitteln kann. Beispielsweise werden elektronische Zeitschriften, die eine Bibliothek lizensiert hat, häufig auf einem Server des Verlags vorgehalten.

Da fällt mir nur ein berühmtes Asterix-Zitat ein, das sich auf Römer bezieht, aber auch ganz gut auf Bibliothekar/innen zutrifft, die so etwas unter der Bezeichnung „Eine Einführung für deutschsprachige Anwender“ aufschreiben.

Für Phil sind solche Zeilen aber kein Grund, seine Berufswahl nochmal zu überdenken, versichert er, sondern sich zu freuen, dass er in einem Team arbeitet, in dem zumindest drei erfahrene Leute ihn tatkräftig unterstützen können und werden, bis auch der letzte Arbeitsschritt für Phil keine Theorie mehr bedeutet, sondern in der praktischen Arbeit flott von der Hand geht.

Überhaupt macht der 19jährige nach den ersten zweieinhalb Wochen seit Ausbildungsbeginn einen ganz zufriedenen Eindruck mit der Stelle, seinem täglich wechselnden Kolleg/innen-Kreis und einer Umgebung mit tausenden von Büchern, Zeitschriften und Spielen. Auch Phil gehört zu den Leseratten, deren Begeisterung für Gedrucktes schon im Kindesalter geweckt wurde, und ihn zu einem treuen Nutzer der Bücherei in seinem ostwestfälischen Heimatort werden ließ. Obwohl Phil dort ehrenamtlich bei Aktionen und Veranstaltungen mitgeholfen hat, stand ein Job in der Bücherei lange Zeit nicht auf der Liste der Wunschberufe. Warum, kann er sich auch nicht so richtig erklären:  „Irgendwie hab ich einfach nicht daran gedacht.“ Erst als Phil sich nach dem Abitur im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes mit unterschiedlichen Möglichkeiten der zielgerichteten Berufsfindung vertraut gemacht hatte, kam er auf die richtige Fährte und bewarb sich unter anderem bei der schönsten Bücherei im Städtchen für den ersten Ausbildungsplatz dort. Unter zwei Dutzend Beweber/innen wurde er ausgesucht, fand eine Wohnung hier und wurde von einer hauptamtlichen Kollegin unter die Fittiche genommen, die den IHK-Kurs für die Ausbildereignungsprüfung absolviert hatte.

Neben all dem Neuen, das die Ausbildung in der Bücherei und zweimal wöchentlich in der Berufsschule mit sich bringt, gab es auch noch die Herausforderung über hundert Kilometer weit entfernt von der Familie erstmals in eigenen vier Wänden zu leben und nach Feierabend einen eigenen Haushalt zu führen. Bis jetzt, so freut Phil sich, klappt das besser, als erwartet, er habe jedenfalls immer genug zu Essen und saubere Kleidung im Schrank.

Na, da stehen doch alle Zeichen auf Grün, und es ist Phil zu wünschen, dass das mindestens für die kommenden drei Jahre auch so bleibt, hoffentlich aber auch noch länger.

fl

Heitere Stimmung ist schon mal eine gute Voraussetzungen für die Zeiten, in denen die Fachlektüre praktisch umgesetzt werden muss.


Mit Nähmaschine und Mixer

Nein, ich kann keine Kaninchen aus irgendwelchen Zylindern zum Vorschein bringen, Blumensträuße aus dem Nichts auftauchen oder Geldscheine im Nirwana verschwinden lassen. Aber der Trick, aus einem langen Garnstrang in Sekundenschnelle eine gleichmäßig gedrehte Kordel zu produzieren und dabei nur einen einzigen Finger zu bewegen, sorgt immer wieder für Verblüffung. Ich wende ihn seit fast 30 Jahren an, seitdem ich ihn im Kindergarten meines Ältesten erstmals bewundern konnte, inzwischen soll er auch in Internet-Videos als brandneu angepriesen worden sein, habe ich mir sagen lassen.

Die insgesamt 15 Kindern, die sich an drei Nachmittagen in Fünfer-Gruppen am Ferienangebot zum Umgang mit der Nähmaschine beteiligten, staunten jedenfalls nicht schlecht, als ich den elektrischen Handmixer einstöpselte. Irgendwie müssen ihre neuen, selbstgemachten Rucksäcke ja auch auf dem Rücken getragen werden, am besten mit Kordeln. Also ein gaaaanz langes Stück Garn oder Wolle, je nach Dicke doppelt, vier oder sogar sechsfach gelegt und am Ende verknotet, wird an der einen Seite über eine Türklinke geschoben und an der anderen Seite über den Knethaken des Handmixers. Da der Handmixer beziehungsweise die Person, die ihn festhält, deutlich mobiler ist als eine Türklinke, ist jetzt der richtige Standort zu suchen, der nah genug an der Steckdose und weit genug entfernt von der Türklinke ist, dass die Strippe zwischen Klinke und Haken locker gespannt ist und auf gar keinen Fall durchhängt. Und dann kommt die erwähnte Fingerbewegung mit der der Quirl auf Höchststufe gestellt wird. Sobald man einen Zug auf der Kordel spürt, ist sie fertig.

Je nach Länge ist der Einsatz einer zweiten Person hilfreich, die die Kordel in der Mitte festhält, wenn man die Garnenden von der Türklinke und vom Mixer zusammenführt und verknotet. Sehr lange Kordeln müssen jetzt noch ein bisschen glattgestrichen werden, damit sie überall gleichmäßig verdreht sind. Kein Hexenwerk, aber ein Trick, der viele neue Fans und Nachahmerinnen gefunden hat und sicher demnächst von unserer Freundin Mina (Foto) auch in Teheran angewandt wird.

Über das oben genannte Ferienangebot hinaus werden an derselben Stelle bestimmt noch ganz oft Kordeln mit dem Handmixer „gezaubert“, denn die Kinder, die als Anfänger/innen innerhalb von knapp drei Stunden wunderschöne Rucksäcke angefertigt hatten, haben damit die Generalprobe für das inzwischen bestens ausgestattete interkulturelle Nähcafé „ZickZack“ absolviert. Über zwei Monate später als geplant – Corona lässt grüßen – kann jetzt endlich in der kommenden Woche das wohl erste Integrationsprojekt im Städtchen, das von Geflüchteten, Zugezogenen und Einheimischen gemeinsam geplant, vorbereitet und organisiert ist, seinen Betrieb aufnehmen.

Jeden Donnerstag von 15 bis 18 Uhr sind alle Interessierte, egal welcher Herkunft und welchen Geschlechts, ins Zickzack eingeladen. Dort können sie nähen (lernen) und sich dabei, wenn nötig helfen lassen, dort können sie sich aber auch einfach bei einer Tasse Kaffee und Tee mit anderen Besucher/innen unterhalten. Die offizielle „ZickZack“-Sprache ist dann Deutsch, denn Nicht-Muttersprachler/innen sollen hier die Gelegenheit haben, ihre Sprachkenntnisse zu erweitern und zu festigen.

Ich bin jetzt nicht nur gespannt, ob und wie dieses Angebot im Städtchen ankommen wird, sondern auch, wie lange es dauern wird, bis ich gelernt habe, nicht nur gerne, sondern endlich mal richtig gut nähen zu können.

fl

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