Vorab: das wird jetzt etwas persönlich und auch ein bisschen gefühlvoll. Denn es geht um eine junge Frau, mit der ich seit einiger Zeit befreundet bin, wobei unterschiedliche Religion, Traditionen und Kultur ebenso wenig störend sind, wie ein Altersunterschied von mehreren Jahrzehnten. Und nein, ich bin keine „mütterliche Freundin“ für sie, denn sie hat eine ganz tolle Mutter, die ich ebenso mag, wie die Tochter.
Meine Freundin Riham Sabbagh kam vor zwei Jahren aus Aleppo nach Deutschland. In ihrer Heimat hat sie als Englisch-Dozentin an der dortigen Universität gearbeitet, wir konnten uns also von Anfang gut auf Englisch verständigen. Inzwischen reden wir fast ausschließlich auf Deutsch miteinander – und wahrlich nicht über Themen wie Wetter und Einkaufen.
Sie ließ nicht nur Freunde und Verwandte in ihrer Heimat zurück, sondern (vorerst) auch ihre berufliche Zukunft und den Traum zu promovieren. Zur Zeit verbessert sie ihre Deutschkenntnisse, um Studien-Niveau zu erreichen und weiter zu studieren, und sie ist auf der Suche nach einem Neben-Job. (Anmerkung am Rande: Wer eine offene Stelle zu vergeben hat oder kennt, wer Beziehungen zu potentiellen Arbeitgebern oder eine zündende Idee für die Jobsuche hat, bitte her damit!)
Aber vor allem engagiert sich Riham stark für ein gutes Miteinander von Einheimischen und Geflüchteten. Als ehrenamtliche Mitarbeiterin unserer Bücherei hat sie schon vielen arabisch sprechenden Besucher/innen geholfen und wichtige Übersetzungsarbeit geleistet. Im Rahmen des Projekts „Life back home“ (lifebackhome.de) erzählt sie in Schulklassen über ihr Leben in Syrien, ihre Flucht und ihr Ankommen in Deutschland. Sie hat an mehreren Podiumsdiskussionen teilgenommen und kürzlich hat sie einen eindrucksvollen Vortrag gehalten. Im Zug, im fahrenden.
Die Saxion-Universiät Enschede hatte sich im Rahmen eines TEDx-Projektes mit dem Thema Grenzen beschäftigt und dabei in einem Zugwaggon während der Fahrt von Enschede nach Münster verschiedene Vorträge präsentiert. Einer davon war ein engagiertes und beachtenswertes Plädoyer von Riham, Grenzen offen zu halten. Grenzen zwischen Ländern, aber auch Grenzen in den Köpfen.
Was Grenzen im Alltag bedeuten, schilderte sie anhand ihrer Erfahrungen im syrischen Bürgerkrieg, als innerhalb des Landes auf der 360 Kilometer langen Strecke zwischen Aleppo und Damaskus plötzlich 25 Kontrollstationen eingerichtet waren, als Aleppo zu einer geteilten Stadt geworden war. All das erzählte sie, während der Zug die deutsch-niederländische Grenze überquerte, gänzlich unbemerkt von allen Reisenden.
Angst vor Unbekanntem dürfe nicht zu Grenzen innerhalb der Köpfe führen. Deshalb forderte Riham, dass möglichst viele Menschen die Chancen nutzen, miteinander ins Gespräch zu kommen, die Lebensgewohnheiten des jeweils anderen kennenzulernen und so Vorurteile nicht aufkommen zu lassen, oder sie abzubauen. Dass sie als Beispiele dafür, wie einfach das sein kann, das Internationale Café und das Ochtruper Spieletreffen beschrieb, an denen die Bücherei maßgeblich beteiligt war, sollte an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Eine bessere Werbung hätte sich die Bücherei nicht wünschen können.
Mein Versuch, diesen Vortrag in groben Zügen (ups, unbeabsichtigtes Wortspiel) zu beschreiben, ist ziemlich stümperhaft im Vergleich zum Original. Denn nur das verursacht Gänsehaut und macht Lust darauf, die Aufforderung Rihams „Lasst uns unser Denken, unsere Herzen und unsere Grenzen offen halten“ zu befolgen. Deshalb: Anschauen lohnt sich!
fl