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Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

Monat

Januar 2020

Achtung Tratsch nicht klatschen

Eine praktische Frisur ohne chemische Farbgebung, eine erfreulich stabile Gesundheit (heftig auf Holz klopfe) und vor allem Desinteresse an Könichs und allem, was mit „von und zu“ bezeichnet wird, umschreibt ganz gut meine Kenntnisse über das, was in europäischen Schlössern und Burgen  so vor sich geht. Umso mehr verblüfft mich, was da gerade auf allen Kanälen über das britische Königshaus und ein junges Ehepaar aus den hinteren Reihen der königlichen Rangfolge verbreitet wird.

Boulevard und Klatschpresse verdienen bekanntlich (oft unverdient) jede Menge Kohle damit, immer neue Gerüchte und (Fehl-)Einschätzungen breitzutreten, und nicht selten das Ganze, vor allem jenseits des Kanals zur Gewinn-Optimierung mit einer gehörigen Portion Bosheit zu garnieren. Und da ist es ganz gewiss kein Zufall, dass das in erster Linie auf Kosten einer Frau geht, die sich auch noch erdreistet, feministische Organisationen und deren Forderungen zu unterstützen. Allein die Bezeichnung Megxit spricht das Bände, denn Gatte Harry war sicherlich nicht unbeteiligt. Und Haxit hört sich sowieso viel lustiger an.

Ja, jetzt kommt mir ruhig damit, dass ich trotz Desinteresses ja wohl doch nicht ganz ahnungslos bin. Stimmt, Ursache ist aber weniger Informationsbedarf, als vielmehr eine Faszination des Grauens bei der (nicht lückenlosen) Lektüre eines Strangs im schon mal erwähnten Forum einer großen deutschen Frauenzeitschrift.

Es ist erschreckend, wieviel Missgunst und Häme da ausgeschüttet wird– wobei ich nicht ausschließe, dass dahinter auch hin und wieder eine Portion Rassismus versteckt werden soll. Und es ist höchst erstaunlich, welche Kenntnisse über das, was im Buckingham-Palast und anderen hochherrschaftlichen Wohnsitzen hinter verschlossenen Türen stattfindet, da kundgetan werden. Also entweder, sind diese Räumlichkeiten total verwanzt und die deutschen Internet-Nutzer/innen haben uneingeschränkten Zugriff auf lückenlose Gesprächsprotokolle, oder aber es gibt geheime Kaffeefahrten, bei denen statt Heizdecken ein Blick durch monarchische Schlüssellöcher verkauft wird.

Ärztliche Schweigepflicht scheinen fleißige Forums-Schreiber/innen ebenfalls außer Kraft gesetzt zu haben, wenn man staunend nachlesen kann, welche Psychogramme sie da zusammenbasteln. Dass Meghan nicht in Domina-Outfit mit Netzstrumpfhosen und Corsage das Ehegesponst nach Kanada peitschen musste, wundert nach der Lektüre da schon. Aber die Wahl der Strumpfhosen, sowie der Verzicht darauf, der eher mäßig begabten Seriendarstellerin kurz vor dem Karriere-Aus (nicht meine Einschätzung) wird da schon von allen Seiten betrachtet. Ebenso wie die Tatsache, dass es systemimmanent sein muss, wenn der Hochadel mal selbst die Autotür zuschlägt und damit die Dienerschaft brüskiert. Ach nee, Fehler meinerseits, wenn Meghan Sussex mal aus Versehen eine Autotür selber schließt, ist das ganz Iih, Pfui, Bah, wenn der Königsgemahl sich selbst ans Steuer setzte, war das bestenfalls Anlass für Spekulationen über die Kombination von Greisenalter und Fahrtüchtigkeit.

Eigentlich warte ich auch darauf, dass die Kaffeeröstereien so langsam mal über Verkaufsrekorde jubeln, bei soviel Kaffeesatz-Leserei, die über die Zukunft des nicht mehr royalen Paares betrieben wird. Eine Scheidung ist unvermeidbar, wenn der zum Handtaschenträger degradierte Gatte den Forist/innen endlich mal zustimmt, dass seine Ehefrau ihn aus purer Berechnung geheiratet hat. Und das Sorgerecht für Sohn Archie hat das höchst interessierte Publikum ebenfalls schon festgelegt.

Es ist eine Mischung aus Amüsement, Erstaunen und Widerwillen, die solche Lektüre bei mir verursacht. Es ist aber auch gehörige Fassungslosigkeit darüber, dass erwachsene Menschen so viel Zeit und Hirntätigkeit (nicht unbedingt von erwähnenswerter Qualität) darauf verwenden über eine einzelne Frau, die ihnen nie im Leben begegnet ist, solche Urteile zu fällen. Sie scheinen in der Tat nichts Besseres zu tun zu haben. Vielleicht sollte ich mal nachfragen, ob jemand von ihnen bereit ist, mal meine Fenster zu putzen.

fl

Mit heißen Nadeln für warme Hände

Für die Einen ist langweiliges Aneinanderreihen von Schlaufen, für die Anderen ist es Mediation mit den Händen, für die Einen modischer Fehltritt, für die Anderen eine willkommene Technik, individuelle Kleidungsstücke und Accessoires ohne langwierig und mühsam erworbene Vorkenntnisse anzufertigen. Die Rede ist vom Stricken und Häkeln, und klar gehöre ich bekanntlich zu den Letzteren, die diese Freizeitbeschäftigung überaus schätzen und sie gegen jede Form von Kritik verteidigen. In meinem Fall allerdings nur, solange hässliche Tierchen in Neonfarben, Emojis, Glitzerpullis und Rüschenschals nicht zur Debatte stehen.

Aber ehrlich gesagt, Stricken kann schon mal ganz schön öde sein, nicht nur wenn ich Socken in Größe 46 auf der Nadel habe, sondern auch wenn ich in der Bücherei in Büchern und Zeitschriften nach interessanten Neuheiten suche.

Vielleicht bin ich auch ja etwas anspruchsvoll, aber, wenn ich einmal begriffen habe, wie Spiralsocken gestrickt werden, halte ich ein weiteres Buch, in dem erläutert wird, wie man mit der ursprünglichen Technik Spiralsocken mit andersfarbiger Wolle strickt, für ausgesprochen langweilig und überflüssig. Ähnlich geht es mir mit Schals, Mützen, Dreieckstüchern, Raglan-Pullis und-Jacken und vielen anderen Handarbeiten.

Klar, irgendwann sind viele Techniken des Schlaufen Machens erschöpfend erklärt, da muss das Ganze eine neue Farbe oder einen neuen Namen bekommen, wenn man weiterhin Bücher verkaufen will. Oder man versucht auf den Nachhaltigkeits-Zug aufzuspringen, indem man die Herstellung farbenfroher Putzuntensilien zum neuesten Trend erklärt, und dafür dann ein ökologisch sehr fragwürdiges Garn empfiehlt. Nicht gerade das, was ich mir unter Strickspaß vorstelle, wie hier nachzulesen ist: klick

Aber, oh Glück oh Wonne vieler künftiger Strickabende auf dem heimischen Sofa: ich hab jetzt etwas ganz Neues entdeckt, eine neue Technik und ein neues Design.

Ausgetüftelt von einem deutschen Mann namens Bernd Kestler der in Japan lebt und begeisterter Motorradfahrer ist. Nicht, dass ich strickende Männer für exotisch halte (ich habe selber einen in der Familie), aber die Kombination von Biken und Stricken finde ich dann doch spannend.

Es kostete dann auch keine Überredungskunst, einen mir gut bekannten, hier regelmäßig erwähnten Büchereileiter zu überzeugen, dass das Buch ganz dringend und unbedingt so schnell wie möglich in den Bücherei-Bestand aufgenommen werden muss. Und so begann das neue Jahr für mich damit, mich durch Anleitungen zu fuchsen, was dank vieler Fotos und Strickschriften gar nicht schwer war, und mich mit der sogenannten Kabusehagi-Technik und dem „isländischen Abketten“ vertraut zu machen. Sicher ist seitdem, dass die Isländer in Zukunft ganz sicher auch an der Fertigstellung von anderen Strickstücken beteiligt sein werden.

Wichtiger Insider-Tipp: Überaus hilfreich ist es, sich die Anleitungen genau anzusehen, statt voller Euphorie (und einer Portion Selbstüberschätzung) nach kurzem Blick loszustricken. Dann kann man nämlich unter anderem zur Kenntnis nehmen, dass in den Strickschriften auch Reihen ohne Maschenzunahmen deutlich sichtbar sind. Diese mit einzuarbeiten, wirkt sich sehr positiv auf die Passform aus. Asche auf mein Haupt, aber danach hatte ich das Grundprinzip wirklich umsetzungsreif kapiert. Jedenfalls bin ich hellauf begeistert, sowohl davon, wie einfach es ist, diese Stulpen zu stricken, ohne dass es langweilig wird, als auch davon, welche tollen Effekte z.B. mit Farbverlaufs-Wolle und Mustern erzielt werden.

Auch wenn meine Stricknadeln fast schon heiß laufen, es gibt so viele Varianten, ob aus dem Buch oder nach eigenen Ideen, dass ich noch einige japanische Handstulpen stricken und verschenken werde. Ich bin mal gespannt, wann sich die ersten Träger/innen kennenlernen, weil ihnen auffällt, dass sie nahezu identische Handwärmer tragen. Angesichts der derzeitigen Temperaturen wird das wohl erst in einem anderen Winter pasieren.

Abschließend noch ein Tipp – nicht nur für Insider: Wer sich selbst an diesen Stulpen versuchen möchte mit Hilfe des Buchs von Bernd Kestler aus meiner Lieblingsbücherei, sollte es ganz schnell vorbestellen (die Warteliste ist noch nicht zuuu lang, jedenfalls bis gestern). Und wer sich alleine nicht ganz rantraut, oder sich mit anderen über Tipps und Tricks – auch für andere Techniken und Strickstücke – austauschen möchte: An jedem ersten Freitag im Monat ab 15 Uhr gibt es in der gemütlichsten Bücherei des Städtchens ein offenes Handarbeitstreffen für alle Interessierte, egal ob Anfänger/innen und Fortgeschrittene.

fl

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