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Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

Monat

April 2020

Gute Zeiten für Knoblauch

So, jetzt ist sie da, die Maskenpflicht, und was da in den sozialen Medien, Internetforen und manchmal an der Straßenecke abgeht, dagegen ist die unselige Burka-Diskussion ein fröhliches Vogelgezwitscher. Inzwischen gibt es in diesem Land ja bedeutend mehr Corona-Expert/innen als Fußballtrainer/innen und nicht wenige von ihnen verkünden wirklich dummes, faktenfreies Zeug mit einer Überzeugungskraft, die so manche/n Pastor/in auf der Kanzel neidisch werden lässt.

Es ist die große Stunde derjenigen, deren Lebensmotto lautet „Was ist beschlossen? Ich bin dagegen!“ und natürlich der (politischen) Aluhut-Träger/innen. Wen deren Elegien gegen Lügenpresse, Systemparteien und Wahlschafe dann mit den Worten beginnen „Unter so einer Maske kann ich nicht atmen“, dann möchte ich ihnen ab und zu gerne zurufen „Ja, dann lass es doch, ist vielleicht besser so.“ Aber aus Gründen, die ihren Ausgangspunkt in der Erziehung durch meine Eltern haben, verkneife ich mir das.

Ja, es gibt zur Zeit Gesetze und Bestimmungen, die zeitweise Grundrechte einschränken, aber es gibt aktuell auch sinkende Infektionszahlen. Und nur darum geht es. Ja, Masken sind hinderlich und unangenehm, aber das ist es mir wert, wenn ich durch ihren Gebrauch möglicherweise jemanden vor der Intensivstation oder sogar vor dem frühzeitigen Ableben bewahren kann. Und nur, weil ich nicht weiß, ob das vielleicht die heißgeliebte Tante einer guten Freundin, oder eine unbeliebte Nebelkrähe aus der Nachbarschaft ist, nicht mal, ob gerade ich überhaupt Viren verteile oder nicht, kann ich doch nicht mit einer Scheiß-egal-Haltung gegenüber meinen Mitmenschen auf den Maskengebrauch verzichten. Ich verstehe die Menschen einfach nicht, die das aus politischen und überwiegend rechtspopulistischen Gründen gerade tun. Wer meint, Gleichgültigkeit gegenüber Gesundheit und sogar Überleben von Menschen könnte Wahlerfolge versprechen, sollte sich als Hobby vielleicht doch lieber dem Briefmarkensammeln verschreiben.

Nein, ich bin ganz sicher nicht immer mit allem einverstanden, was in diesem Land so passiert, was von Politik und Regierung beschlossen und umgesetzt wird, und sehe in vielen Bereichen dringenden Verbesserungsbedarf. Aber es ist weniger Patriotismus, als vielmehr, wie ich finde, gesunder Menschenverstand, der mir in diesen Zeiten klar gemacht hat, dass ich derzeit in keinem anderen Land der Welt leben möchte.

Um dieses Gefühl zu verstärken würde ich mir nicht nur eine Akzeptanz des Maskengebrauchs ohne Stimmungsmache wünschen, sondern auch einen rücksichtsvollen Umgang damit. Es ist wirklich nicht die Zeit mit dem Verkauf von Einwegprodukten den schnellen Euro zu machen, nur weil Masken Mangelware sind – was übrigens zu dem in Regierung und Politik gehört, was ich als dringend verbesserungswürdig einstufe.

Schön finde ich, welche Kreativität und handwerkliches Können derzeit durch selbstgenähte Stoffmasken sichtbar werden. Exemplare, wie die einer Twitter-Userin, die kundtat: „Am Anfängerkurs Schutzmasken nähen teilgenommen. Hat jemand zufällig einen Elefanten im Garten, der eine Windel braucht?“ sind mir bisher noch nicht begegnet. Dagegen aber unzählige, gelungene Angebote von Profi- und Hobby-Näher/innen. Und da eine Bitte an die Hobby-Näher/innen, bitte denkt daran, dass es Menschen gibt, die derzeit vom Maskenverkauf leben, weil sie kaum andere Einnahmequellen haben, und macht denen nicht die Preise kaputt. Und ein Hinweis an die potentielle Käuferschaft: Nein, Preise zwischen fünf und zehn Euro sind nicht unverschämt, denn da steckt nicht nur Arbeitszeit drin – Zuschneiden, Feststecken, Nähen, Bügeln – sondern die benötigten Stoffe fallen nicht vom Himmel. Gummibänder schon mal sowieso nicht, sie sind inzwischen das, was vor ein paar Wochen noch Nudeln und Hefe waren.

Foto: ABS-CBN News

Aber es gibt noch einen anderen Grund, weshalb ich Fürsprecherin von Stoffmasken bin: Sie halten länger, als die Corona-Krise hoffentlich andauert und landen nicht nach einmaligem Gebrauch auf der Straße und in einigen Ländern bereits in den ohnehin schon verschmutzen Meeren.  

Und diejenigen, die jetzt noch mit dem „Argument“ kommen, dass Masken und die neuesten Modetrend inkompatibel sind und die Träger/innen nicht unbedingt hübscher aussehen lassen: seid doch froh, dass es sich zur Zeit nicht lohnt, sich für ein irres Geld die Lippen aufspritzen oder den Zinken zum Stupsnäschen umformen zu lassen. Und an alle anderen, die aus anderen Gründen mit der Maske hadern: Ein Lächeln erkennt man auch an den Augen. Und außerdem kann man gerade Knoblauch essen, soviel man mag.

fl

Corona-Wettpinkeln

Besondere Zeiten bringen besondere Formate hervor, deshalb an dieser Stelle wieder ein offener Brief. Dieses Mal an ganz andere Adressat/innen, die mit Göttern und Göttinnen mal so gar nichts zu tun haben.

Liebe Politiker/innen und Politiker,
egal aus welcher Partei und aus welcher Region,

wie wir alle, betretet auch ihr in Sachen Corona Neuland, wisst (noch) nur wenigdarüber, was dieser Virus in den nächsten Wochen, Monaten und wahrscheinlich Jahren, so alles anrichten kann, und welche Maßnahmen im Einzelnen wirklich etwas bringen kann, um Schlimmes möglichst zu verhindern.

Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten habt ihr bis vor Kurzem einen ziemlich guten Job gemacht (mit Ausnahme von einigen Rechtsradikalen, die meinen, ein Aluhut könne Hirntätigkeit ersetzen), weil ihr eingesehen und zugegeben habt, dass ihr wenig Ahnung von der Sache habt. Deshalb habt ihr genau zugehört, was gut qualifizierte Fachleute zu sagen haben. Für die ist dieser Coronavirus auch neu, aber sie kennen sich in Sachen Virologie und Epidemiologie dank guter Ausbildung und jahrelanger Forschung sehr gut aus. Ich wage zu behaupten, besser als Parlamente und Kabinette zusammen.

Es sah tatsächlich so aus, als hättet ihr aus eurem Umgang mit dem Klimawandel gelernt, und würdet endlich mal auf ausgewiesene Expert/innen und deren Fachwissen hören. Tusch und Applaus! Aber leider folgte die Enttäuschung auf dem Fuße. Auffällig, dass die meisten Politikerinnen sich wohltuend zurückhalten, während nicht wenige ihrer männlichen Kollegen sich öffentlichkeitswirksam einen Weitpinkel-Wettbewerb in Sachen Corona, Maßnahmen, Beschränkungen und deren Aufhebung liefern.

Für mich hat es einen ganz bitteren Beigeschmack, wenn Markus Söder eine Lieferung von mehreren Millionen Schutzmasken am Flughafen persönlich in Empfang nimmt und liebevoll tätschelt. Auspacken mussten sie dann andere, denn er hat sich nicht die Mühe gegeben, nach einer Maske zu suchen, die ihm eventuell weniger gut passt:

Empathie mit medizinischem und pflegerischem Personal in anderen Bundesländern, das verzweifelt auf Schutzausrüstung hofft, kann ich jedenfalls nicht entdecken.

Ansonsten zeigt sich der bayerische Ministerpräsident auch in Corona-Zeiten in seiner Lieblingsrolle. Nein, nicht als S(c)hre(c)k, sondern als unerschrockener Hardliner, der sogar mutig genug ist, Nachrichten zu verkünden, die die bayerische Volksseele bis ins Innerste erschüttern (diejenigen, die sich freuen, dass in diesem Jahr ihre Vorgärten nicht wochenlang vollgekotzt werden, sind wahrscheinlich zuagroast). Ja, im Jahr 2020 fällt das Münchener Oktoberfest aus. Und im Netz werden die ersten Vermutungen laut, dass Söders Amtskollege Laschet für Ersatz sorgen wird und in allen Städten NRWs einen Tanz in den Mai genehmigt, vorausgesetzt, die dafür benötigte Fläche ist kleiner als 800 Quadratmeter. Oder doch größer?

Ehrlich gesagt, würde mich so ein Schwachsinn so langsam auch nicht mehr wundern, wenn ich sehe, welche Prioritäten Laschet und sein Kabinett setzen, wenn es darum geht, Gesundheit und Leben der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Für sie ist es kein Problem, wenn, wie hier im Städtchen ein Outlet-Center in wenigen Tagen wieder als Ausflugsziel für Menschen aus nah und fern dienen kann. Zwar für weniger, als sonst üblich, aber ohne den Hauch einer Möglichkeit, eventuelle Infektionsketten zurückzuverfolgen.

Nordrheinwestfälischen Bibliotheken, wie meiner Lieblingsbücherei wird aber ein beträchtlicher, dank DSGVO rechtlich fragwürdiger Aufwand zugemutet, wenn u.a. die Registrierung aller Besucher/innen vorgeschrieben ist. Bei Friseur-Besuchen ist das nicht erforderlich, obwohl ich meiner Friseurin ganz sicher sehr viel näher komme, als Bücherei-Besucher/innen und –Mitarbeiter/innen.

Was sich mir auch nicht erschließt ist, dass NRW sich in einigen Bereichen weder an die Anordnung der Kanzlerin („Einfach mal die Klappe halten“, also sinngemäß) noch an die gemeinsamen Beschlüsse von Bund und Ländern (Stichwort Möbelhäuser) hält, aber sich in Sachen Maskenpflicht lange zierte und gebetsmühlenartig darauf verwies, es sei doch mit der dringenden Empfehlung ein gemeinsames Vorgehen beschlossen worden. Ob das etwas damit zu tun hat, dass die angestrebte Rolle als Superman unter den möglichen Kanzlerkandidaten und die Unfähigkeit, eine Mund-Nasen-Bedeckung gleichzeitig über Mund und Nase zu ziehen, auch etwas mit fragwürdig erscheinender Kompetenz zu tun hat?

fl

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