Auf einer Wand steht geschrieben: Aus Hass macht Liebe.
Bild: Irmela Mensah-Schramm

Wenn eine über 70jährige Rentnerin Nazi-Schmierereien, wie Hakenkreuze und Hetzparolen übersprüht, findet sich in diesem Land jemand, der das Ganze fotografiert, und zur Anzeige bringt. Es findet sich eine Staatsanwaltschaft, die dieses Vergehen vor ein Gericht bringt, und es findet sich ein Richter, der ein Urteil über 1 500 Euro Geldstrafe und Übernahme der Verfahrenskosten wegen Sachbeschädigung fällt. Die Sachbeschädigung durch Nazi-Schmierereien hatte niemand angezeigt, und die jetzt Verurteilte, Irmela Mensah-Schramm,  ist „Wiederholungstäterin“ und wurde bereits mehrfach für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus ausgezeichnet, auch von der Bundesregierung.

Keine Fotos, sondern Videoaufnahmen, allerdings wieder keine Anzeige und erst recht keine Verurteilung gab es, als bei einer Pegida-Kundgebung in Dresden im Zusammenhang mit der Seenotrettung durch die Dresdener „Mission Lifeline“ deutlich und unüberhörbar von „Absaufen, absaufen“ gegröhlt wurde. Nicht einmal darüber, ob mit schöner Regelmäßigkeit solche Hetzveranstaltungen genehmigt werden müssen, wird nachgedacht, so dass auch weiterhin AfD-Abgeordnete aus Bundestag und Länderparlamenten daran teilnehmen können.

200 Menschen wurden seit der Wiedervereinigung in Deutschland von rechtsextremen Gewalttätern verurteilt. Fünf von acht Gedenkstätten für die Opfer der NSU-Terroristen wurden beschädigt, in Rostock bereits drei Mal.

Bei der kommenden Landtagswahl in Thüringen ist ein Mann Spitzenkandidat einer Partei, der gerichtlich bestätigt als „Faschist“ bezeichnet werden darf. Begründung des Gerichts ist, dass diese Bezeichnung „auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage beruht“.

Die Liste solcher unsäglicher Vorgänge ließe sich endlos fortsetzen, aber erst der gewaltsame Tod des Politikers Walter Lübcke veranlasste Innenminister Horst Seehofer zu dem Bekenntnis „Dieser Mord motiviert mich, alle Register zu ziehen“ und das schreckliche Attentat in Halle mit zwei Toten und mehreren Schwerverletzten bezeichnete er als „Schande für Deutschland“. Nicht als Schande für Politik und Behörden, die auf das Bekanntwerden von ellenlangen Todeslisten , regelmäßige Waffenfunde, Bestelllisten für Leichensäcke und Ätzkalk, Radikalisierung und Hitlergrüße auf sogenannten Rechtsrock-„Konzerten“ augenscheinlich nicht mit der sonst so oft beschworenen „Härte des Gesetzes“ vorging.

Nein, der Mann, der gerne in seinem Hobby-Keller mit der Modell-Eisenbahn spielt, hat die wahren Schuldigen für das Attentat in Halle schnell ausfindig gemacht: Die Gamer-Szene. Keine Frage, wie überall im Internet versuchen rechte Bratzen auch die Chats und Foren von Gamern für ihre politischen Zwecke zu kapern, aber gleich die gesamte Szene für die jüngsten Opfer von Rechtsextremisten verantwortlich zu machen, zeigt die Hilflosigkeit – oder vielleicht sogar den Unwillen – anzuerkennen, dass man anfängt zu schielen, wenn man sich jahrelang ein Auge, und zwar immer dasselbe zuhält.

Wenn dem alten Mann und seinen Kolleg/innen in den Plenarsälen und Ministerien nichts Besseres einfällt, bin ich mal gespannt, wann Spiele auf dem Index stehen werden, in deren Spielregeln Begriffe zu finden sind wie: „möglichst oft ihre Gegner rauszuschmeißen… Figuren des Gegners schlagen…durch eine feindliche Figur hinausgeworfen“. Es wäre echt schade um das gute alte „Mensch ärgere dich nicht“.

fl