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Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

Monat

Juni 2017

Was für eine Spinnerei

Daumendreherei

Es ist klein, überwiegend aus Plastik und der Trend des Jahres 2017, der auf jedem Schulhof, in Hörsälen und Büros zu finden ist. Das Ding, von dem die Rede ist, kann eigentlich nichts, außer sich zu drehen und sich gut zu verkaufen.

Vorab: Leute, die anhaltend – mit oft erstaunlicher Geschwindigkeit – ihre Knie auf und ab wippen lassen, machen mich wahnsinnig. Diese blöde Angewohnheit treibt mich ebenso zur Weißglut, wie ein Gegenüber, das den Kugelschreiber pausenlos klicken lässt. Aber da hilft tief durchatmen, mal aufzustehen, ein Stück über den Flur oder eine Runde um den Block zu gehen. Also, nicht nur mir, sondern vor allem den Nervtötern.

Dachte ich, altmodisch, wie ich bin. Nein, heute braucht es gegen den Stress im Klassenzimmer, bei Prüfungsvorbereitungen oder Leistungsdruck im Büro einen Fidget Spinner. Handkreisel könnte man es in Deutschland auch nennen, aber das wäre eben auch, na? altmodisch!

Hach, wäre es schön, wenn man mal auf die Idee käme, ein paar Systeme ins Rotieren zu bringen, statt eines Stücks Plastik. Überschüssige Energie könnte man doch gut nutzen, um von der Politik ein vernünftiges, verlässliches Bildungssystem einzufordern, das ohne ständige, unausgegorene Reformen auskommt, und das die Interessen von Schüler/innen und Eltern ebenso im Blick hat, wie die Interessen der Wirtschaft. Und wie wäre es denn, statt im Büro innerlich grummelnd ein Plastikteil in Schwingung zu versetzen, das Gespräch mit Kolleg/innen und Vorgesetzten zu suchen, wie bestimmte Schwingungen im Betrieb verbessert werden können?

Gut, das bringt den Herstellern und Verkäufern von Fidget Spinnern keine Umsätze und Gewinne, deshalb werden sie also weiterhin beworben und in den Geschäften so platziert, dass man sie zur Kenntnis nehmen muss, ob man will oder nicht. Während die örtlichen Geschäfte die Dinger für Preise im einstelligen Bereich anbieten, gibt es im weltweiten Netz auch Versionen zu unglaublichen Preisen.

Die Teile sehen nicht viel anders aus, als ihre preisgünstigen Kollegen, werden aber z. B. von einem internationalen Online-Händler, der in Deutschland hohe Gewinne macht und tiefe Steuern zahlt, zu Preisen von 1 200 Ocken und mehr angeboten. Natürlich nicht ohne die Hinweise, wie toll und vielseitig einsetzbar diese Spinner doch sind (tja, man muss nur mal das „Fidget“ weglassen, und schon wird Einiges deutlich). Originalzitate: „setzen Sie den Spinner in Ihre Hose“ und „perfektes Geschenk für Kinder und erwachsene Zitrone“.

Immer, wenn ich mich frage, ob jemand tatsächlich so viel Kohle für eine kleine Spielerei ausgibt, tauchen vor meinem geistigen Auge lebendige, vierbeinige Unterarmtaschen mit Diamanten besetzten Halsbändern auf.

Es gibt aber tatsächlich auch einen brauchbaren Aspekt dieser Handkreisel. Sie sollen nämlich eine positive Wirkung auf Menschen haben die hyperaktiv sind, einen echten Tick, irgendeine Form von Autismus oder andere gesundheitliche Störungen haben. Finde ich gut, macht mir aber nicht begreiflich, warum so Viele, die das Glück haben, gesund zu sein, dermaßen auf diese Teile abfahren.

Aber, wie schon erwähnt, dazu bin ich wohl zu altmodisch. Ich geh jetzt mal ne Runde Däumchen drehen. Das beruhigt, reduziert Stress, und erhöht beim Richtungswechsel die Konzentrationsfähigkeit.

fl

Eierlikörtage

Groen

Montag, 23. Dezember 2014

Wie’s der Teufel will: Unsere dickste Bewohnerin, die das Essen, nein das Mästen, liebte wie kein anderer, ist zwei Tage vor dem kulinarischen Höhepunkt des Jahres gestorben. Sie wog hundertsechzig Kilo, was für ihre 1,45 Meter relativ schwer war. […]

Der Bestattungsunternehmer muss für diese Kundin einen Sarg in Würfelform anfertigen lassen.

Entschuldigen Sie, dass ich diese Sache ein bisschen grob schildere, aber ich kann die Wirklichkeit nicht anders machen, als sie ist: traurig, hart und gleichzeitig zum Lachen!“

1geschmokert

So ein Bespiel eines typischen Tagebucheintrags von Hendrik Groen in dem Buch „Eierlikörtage – Das geheime Tagebuch des Hendrik Groen, 83 ¼ Jahre“.

Der Autor lebt in einem Altenheim in Amsterdam und hat mit der Veröffentlichung seines geheimen Tagebuchs ein überraschenden Erfolg erzielt. Und das völlig zu Recht!

Kurz, zum Teil drastisch, ehrlich und mit viel Humor berichtet der Autor ein Jahr in Tagebucheinträgen über sein Leben im Altenheim. Dieses Leben ist zunächst geprägt von den ewig gleichen Gesprächen über Gesundheit und sonstige Problemchen.  Doch dann gründen sechs Bewohner – einer von ihnen ist der Autor selbst – den Club „Alt-aber-nicht-tot“ (Altanito), der im Laufe der Zeit auf acht Mitglieder erweitert wird. Ziel des Clubs ist es einfach zwei Mal im Monat den Bus rufen und irgendwo hinfahren. Jedes Mitglied überlegt sich vier Ausflüge und so ergeben sich 24 Ausflüge pro Jahr – eine schöne Aussicht. Und gerade die schönen Aussichten sind es, die das Leben noch erstrebenswert machen. Denn auch in den niederländischen Alten- und Pflegeheimen gilt das Spardiktat und die Heimleitung überlegt sich immer neue Sparmaßnahmen und Vorschriften, die das Leben der Bewohner nicht einfacher machen.

Die rund 350 Tagebucheinträge vermitteln eine wundere Einsicht in das Leben der Heimbewohner, da Hendrik Groen eine sehr eigene Sicht hat, die Dinge beim Namen zu nennen und zu beschreiben. Das macht beim Lesen sehr viel Spaß und man ist ständig versucht, wieder einen Abschnitt laut vorzulesen, um gemeinsam Lachen zu können. Und das ist doch wohl das Beste, was man sich von einem Buch wünschen kann!

Lew

 

 

 

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