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Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

Mehr Ferien als Urlaub

Es herrschen hochsommerliche Temperaturen bei strahlendem Sonnenschein und die Vorhersage unkt, dass am Ende der Woche Wolken und ein paar Tage später Regenschauer zu erwarten sind. Die Zeichen stehen also auf Sommerferien, auch bemerkbar daran, dass häufig ganze Schulklassen draußen unterwegs sind, statt im Unterricht zu sitzen. Die Zeugnisnoten stehen fest, jetzt ist nichts mehr rauszureißen, Lehrer:innen lehnen sich entspannt zurück, Schüler:innen freuen sich auf die Ferien und manche Eltern sehen den Wochen zwischen dem 22. Juni und dem 4. August mit leicht gemischten Gefühlen entgegen. Nicht nur, weil sich bei den wenigsten Menschen Kofferpacken nicht als trendiges Lieblingshobby durchsetzen konnte, sondern weil bei den meisten Familien vor oder nach der Urlaubsreise noch ganz schön viel Ferien übrig sind –  wenn überhaupt bei massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten noch eine Reise drinsitzt.

Ferien als Erholung vom Alltagsstress kann zu einer geduld- und kräftezehrenden Herausforderung werden, wenn der hoffnungsvolle Nachwuchs nach einigen Wochen Freizeit nicht mehr so recht was mit sich anfangen kann, egal ob im Hotel- oder im heimischen Kinderzimmer. Glücklich, wer da noch einen der begehrten Plätze beim sehr vielfältigen Ochtruper Ferienspaß bekommen hat. Und das Freibad ist sicher auch nicht die schlechteste Möglichkeit, viele Sommertage zu verbringen – vorausgesetzt das Wetter spielt mit, die Kinder haben nicht sofort eine Sonnenallergie oder finden Wasser einfach zu nass um gerne rein zu springen.

Wie gut, dass es im Städtchen eine sehr schöne, bestens ausgestattete Bücherei gibt, in der Kinder, Jugendliche und Erwachsene jede Menge Angebote gegen aufkommende Langeweile finden können. Als Vorbereitung für den Familienurlaub ist es vielleicht nicht die schlechteste Idee sich dort einen Reiseführer auszuleihen und mal nachzuschlagen, welche Ausflugsziele sich am Urlaubsort anbieten. Bei rund 1 000 Exemplaren dürfte wohl zu so ziemlich jedem Ziel da etwas zu finden sein.

Und wer nicht sofort am ersten Ferientag losfährt, könnte auch die Bücherei mal als Familienausflugsziel nutzen um gemeinsam nach Ferienlektüre, Gesellschaftsspielen und Hörbüchern für lange Autofahrten zu suchen. Warum nicht mal, vorausgesetzt die Kinder sind schon im passenden Alter, ein Gemeinschaftsbuch aussuchen und feststellen, dass das Vergnügen des gegenseitigen Vorlesens leider oft unterschätzt wird. Unterschätzt werden übrigens von Erwachsenen auch oft die Inhalte von Kinder- und vor allem Jugendbüchern. Also was spricht gegen ein Lese-Abenteuer im Urlaub?

Bücherei-Nutzer:innnen, die unter fast 8 000 Kinder und Jugendbüchern nichts Interessantes, Spannendes, Unterhaltsames finden, könnten sich zum Zeitvertreib vielleicht mal im Züchten von karierten Maiglöckchen versuchen. Gleiches gilt für die Fans von Romanen, die sich unter über 7 000 Exemplaren entscheiden müssen, welche ihnen gefallen könnten.

Nicht unbedingt für den Strand geeignet sind Gesellschaftsspiele, es sei denn jemand liebt es unter Abermilliarden Sandkörnern und kleinen Steinchen nach Spielefiguren zu suchen, Aber an lauen Sommerabenden oder verregneten Ferientagen kann mensch schon das eine oder andere Stündchen vergnügt damit verbringen. Auch hier ist die Zahl der Spiele im Bücherei-Bestand mit 1 200 bemerkenswert.

Eindeutig ist das Angebot der schönsten Bücherei am Platze groß genug, damit auch die Ferienzeiten vor und nach der Reise nicht öde werden. In vielen Familien sind sie alleine schon deshalb recht abwechslungsreich, weil immer wieder Diskussionen aufkommen, ob Computer- und Konsolenspiele eine angemessene Sommerbeschäftigung sind. Ich kenne diese Streitereien gut, denn ich habe sie vor 20 Jahren mit meinen Kindern gefühlt in Endlosschleife geführt. Im Rückblick muss ich feststellen, das täte ich heute nicht mehr, nicht nur, weil die Auswahl an wirklich guten Spielen eine viel bessere ist als damals. Ich habe dazu gelernt und bin heute überzeugt, dass die Beschäftigung mit Maus und/oder Controller eine gleichwertige Alternative zu Brettspielen und Büchern darstellen kann. Vorausgesetzt, alle Medien werden auch sorgfältig ausgesucht und ihr Gebrauch zeitlich angemessen geplant.

Eltern, die ihren Nachwuchs mit dem Vorschlag verblüffen: „Du hast jetzt den ganzen Nachmittag ein Buch vor den Nase gehabt, willst du nicht mal eine Stunde an die Playstation?“ können damit Sympathiepunkte sammeln – auch noch in der letzten Ferienwoche.

fl

Zwischen Pomp und Klo

Bevor schon wieder ein leichter Duft von Wochenende in der Luft liegt, mal eine neugierige Frage: Habt ihr noch Muskelkater vom letzten Wochenende? Und wenn ja, woher? Davon, mit viel Arbeit und Muskelschmalz den Garten in den Vorsommer-Modus zu versetzen, oder vom Ausrollen des Teiges für eine französische Spezialität namens Quiche, die mit einer Füllung versehen, die Frage aufwirft, wie königlich ein Gemüse ist, das im deutschen Volksmund  die Bezeichnung „Dicke“ oder „Saubohnen“ trägt, und als besonderes Schmankerl für den vergangenen Samstag angepriesen wurde. Oder vielleicht doch, weil ihr euch zu oft mit hoch erhobenen, vollen Pimms-Gläsern zugeprostet habt, oder ganz einfach vom begeisterten Schwingen rot-blauer Papierfähnchen vor dem Fernsehen?

Circa sechs Millionen Menschen saßen in Deutschland bei schönem Frühlingswetter vor ihren TV-Geräten um sich anzusehen, wie der offizielle Berufsbeginn eines Paares im höheren Seniorenalter auf der Britischen Insel gefeiert wurde. Wie bei Könichs üblich, so habe ich mir sagen lassen, mit viel Pomp und Trara (ich frage mich immer noch: und das mit Saubohnen?) und enormem Interesse von Medien unterschiedlichster Qualität und Öffentlichkeit.

Die Qualität der berichtenden Medien ist nach meinem, sicherlich nicht intensivem Einblick meist daran abzulesen, ob die unwichtigsten Kleinigkeiten die reißerischsten Schlagzeilen hervorbringen. Und was die Öffentlichkeit angeht, – also die interessierten Leser:innen des Boulevards und die geduldigen TV-Gucker:innen großer Festlichkeiten – da gibt es im Internet „Wissen“, Reaktionen, Beobachtungen und Beurteilungen aller Art und jeden Niveaus. Oft ist meine Reaktion darauf, verbunden mit der entsprechenden Mimik von geweiteten Augen, hochgezogenen Augenbrauchen unter einer gerunzelten Stirn und eines  Unterkiefers fast auf Schlüsselbeinhöhe ein ungläubiges „Echt jetzt?“

Paradebeispiel ist für mich in einem kleinen, aber lebhaften Internetforum die öffentliche Begutachtung des britischen Königshauses. Dessen Angehörige sorgen ja ständig dafür, dass den Foristinnen der Gesprächstoff nicht ausgeht. Aber es ist schon verblüffend, welche Beurteilungen sich manche User:innen anmaßen, um den Eindruck zu erwecken, sie hätten mit der früheren Princess of Wales regelmäßig Pyjama-Partys gefeiert und dabei die intimsten Geheimnisse ausgetauscht. Gerne werden auch, völlig ungestört von jeglichem Fachwissen, nach Meinung der Verfasser:innen tiefschürfende Psychogramme des abtrünnigen Herzogspaares von Sussex zusammengeklöppelt und präsentiert, während gleichzeitig die heutige Princess of Wales oft schon auf Bravo-Star-Schnitt-Niveau dafür bewundert wird, dass sie sich als Beruf ausgewählt hat, sich selber und ihre Kinder makellos in der Öffentlichkeit zu präsentieren und sich als „Mode-Ikone“ feiern zu lassen.

Dass auch, wenn es um hochadlige Titel-Träger:innen geht, im Netz Respekt vor wildfremden Menschen keine Rolle spielt, zeigt schon, dass in der Regel die Protagonist:innen ausschließlich und natürlich ungefragt mit Vornamen bezeichnet werden, gerne auch in Kurzform.

Persönliche Randbemerkung: Hoffentlich nimmt das nicht auch in Diskussionen über andere, durchaus wichtige Themen überhand. Bei „Friedrich“ würde mir nicht unbedingt sofort Merz einfallen, sondern eine Figur aus dem Struwwelpeter:

Aber wenn erwachsene, ihrem Schreibstil nach mutmaßlich gut gebildete Menschen meinen, sich öffentlich Gedanken machen zu müssen über privateste, ja intimste Angelegenheiten irgendwelcher königlichen Berühmtheiten, wird aus meinem „Echt jetzt?“ ein „Geht’s noch?“.

Mit einer Mischung von Ungläubigkeit und Widerwillen habe ich in dem erwähnten Forum zu Kenntnis genommen, dass sich (wahrscheinlich nicht nur dort) Klatschmäuler öffentlich den Kopf zerbrechen, wie denn das britische Königspaar die stundenlange Krönungszeremonie inklusive An- und Abfahrt per Kutsche (also ein zusätzlicher Zeitaufwand) überstehen konnten, ohne zwischendurch mal aufs Klo zu gehen. Da bleiben natürlich persönliche Erfahrungen in der Schlange vor der Kaufhaus-Toilette ebenso wenig aus, wie Empfehlungen für Erwachsenen-Windeln einer bekannten Marke.

Und ja, ich bin mit diesem Blogbeitrag durchaus aktuell, denn auch vier Tage danach hat der, ich nenne es mal „Gedankenaustausch“ darüber noch längst nicht an Fahrt verloren, vor welchen Veranstaltungen der Verzicht auf den Frühstückskaffee oder Nachmittagstee angebracht wäre, und ob es in der Sakristei der Westminster Abbey eine Toilettenanlage gibt (da würden mich ja bestenfalls die Vorgaben des Denkmalschutzes für Wasserspülungen interessieren). Ebenso wenig, wie die Fragen, wer wie viel Geschmack unter Beweis gestellt hat mit welcher Garderobe von welcher;m Modeschöpfer:in und zu welchem Preis.

Ich bin ja fast(!)versucht Fragen auf den Grund zu gehen, wie trist wohl der Alltag von Menschen aussehen mag, die sich tagelang Gedanken über die Pinkelgewohnheiten bei Krönungszeremonien machen, und ob die passende Tena-Größe für in die Jahre gekommene königliche Hinterteile wohl zu ihren größten Probleme gehören. Ich lasse es aber gerne  und befolge zu diesem Thema ab jetzt einen ganz anderen königlichen Ratschlag, der für mich das ganze Bohei rund um die Krönung vom letzten Wochenende wunderbar zusammenfasst:

Aus „Der Fönig“ von Walter Moers

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Mordsmäßige Intrigen

Der erste Monat des Jahres neigt sich bereits dem Ende zu, die ersten guten und gaaaanz wichtigen Vorsätze zum Jahresbeginn dürften schon über den Haufen geworfen worden sein. Passiert mir nicht, denn ich habe mir abgewöhnt mir zu einem bestimmtem Datum etwas vorzunehmen, was ich sowieso nicht einhalte. Ich hatte nicht mal den Vorsatz  diesen Blog in 2023  mal wieder mit mehr Beiträgen zu füttern. Mit der Folge, dass ich euch erst mit ein paar Wochen Verspätung erzähle, warum Silvester 2022 ein besonders abenteuerlicher Jahreswechsel mit vielen neuen Begegnungen und Erlebnissen war.

Ich hatte nachmittags noch Sex in einer Sauna mit meinem kurz danach verblichenen Ex-Freund, der mich vor Jahren gegen meine Schwester eingetauscht hatte, mit der ich mich aus anderen Gründen übel gestritten habe. Ich habe fiese Bemerkungen zu jeder und jedem gemacht, die mit mir am Tisch saßen, wurde mit dem Gerücht konfrontiert schwanger zu sein und bin meinen ungeliebten Verlobten gut losgeworden. Sprich, ich habe mich in höchstem Maße unbeliebt gemacht und hatte auch noch jede Menge Spaß dabei.

Jung, schön und erfolgreich – wenigstens im Spiel

Zum ersten Mal in meinem nicht ganz kurzen Leben habe ich nämlich an einem Krimi-Dinner teilgenommen in privatem Rahmen zusammen mit lieben Freund:innen/guten Bekannten. Wir alle kennen uns seit Jahren über das hiesige Spieletreffen, das das Gastgeber-Paar des Abends mit mir seit 2015 einmal monatlich in unserem Städtchen organisiert. Dass die guten Verbindungen zur besten und schönsten Bücherei am Platz dabei ein großer Vorteil sind, nicht nur, wenn es um Auswahl an Spielen bei diesen Abenden geht, ist selbstverständlich.

Ich war jedenfalls nicht die einzige Krimi-Dinner-Unerfahrene, aber wohl diejenige mit dem größten Abstand zwischen dem realen Alter und dem Alter meiner Rollenfigur, der immerhin viereinhalb Jahrzehnte betrug. Mehr als die meisten Mitspieler:innen des Abends auf ihrem noch jungen Buckel haben. Aber eine Miss Marple sah das Drehbuch nicht vor und so war ich nicht nur blutjung, sondern auch gertenschlank und bildschön, was den Anwesenden sicher eine große Portion Phantasie abverlangte.

Auch wenn unser Drehbuch hier und da Ungereimtheiten und Lücken hatte, so, wie sie auch fast jeder Tatort am Sonntagabend aufweist, haben Handlung und Kulisse alle Mitspielenden fasziniert, weil sie von unserem realen Leben unendlich weit entfernt waren. Die Welt der Reichen und (nicht immer) Schönen ist so gar nicht unsere, aber forderte zu ungeahnten schauspielerischen Fähigkeiten und erstaunlicher Kreativität bei der Kostümierung heraus. Wenn unser „echter“ Gastgeber in seiner Rolle als erfolgreicher Schlagerstar Assoziationen hervorrief an tatsächlich lebende Personen, deren Stern am Schlagerhimmel dank Corona-Schwurbeleien im Sturzflug in der Versenkung verschwunden ist, dann ist das schon bewundernswert, denn im „echten Leben“ ist er ein sehr netter Kerl. Und wie unterschiedlich die Wirkung von Perücken sein kann, bewiesen zwei im wahren Leben verheiratete Mitspieler:innen. Während er aussah, wie ein Howard Carpendale für Arme (entschuldige „Phillip“) hätte seine Gattin sofort den Esstisch im Münsterland mit einem Laufsteg in Berlin oder Paris eintauschen können.

Ach ja, Esstisch. gegessen wurde auf der Schicki-Micki-Party natürlich auch, alle Teilnehmer:innen steuerten etwas zur Menufolge oder Getränkeauswahl bei. Und weil der ganze Abend ja nur Fassade war, habe ich den Beweis angetreten, dass ein Krabbencocktail mit durch Rote Bete im Kochwasser eingefärbte Hörnchennudeln sich optisch nur unwesentlich vom Original unterscheidet. Das blieb damit denen vorbehalten, die keine Abneigung gegen Meeresgetier hatten, die Fake-Version kam aber geschmacklich auch gut an.Natürlich werde ich jetzt nicht verraten, wer sich am Ende als Mörder herausstellte um allen, die möglicherweise auch einmal eine „Party der Intrigen“ erleben möchten, den Spaß nicht zu verderben und die Spannung zu nehmen. Nur soviel: Ich habe ihn nicht erraten und war damit in guter Gesellschaft, denn nur eine einzige Person am Tisch hatte den Täter erkannt.

Mein Fazit des Abends: Eine glasklare Empfehlung unbedingt mal ein Krimi-Dinner mitzumachen, bevorzugt in einem Kreis, in dem nach intriganten, zugegeben amüsanten, Schlammschlachten alle Beteiligten weiterhin freundschaftlich verbunden bleiben. Daher an dieser Stelle herzlichen Dank an alle, die dieses Spiel zu einem unvergesslichen Abend gemacht haben, der es sicherlich wert ist, wiederholt zu werden.

Vielleicht im Sommer mit der Anleitung für einen „Mord am Grill“ aus dem großen Spielebestand der Bücherei,

Ähhm, zählt das jetzt als guter Vorsatz fürs neue Jahr?

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Wo ist das Höckerchen?

„Du bist einfach zu klein.“ Nö, ich bin noch nicht mal zu kurz, aber es ist, wie so oft im Leben alles eine Frage der Perspektive. Und das gilt auch für Kleiderhaken.

In der schönsten, besten und größten Bücherei am Platz ist mal wieder „Hinten“ umgeräumt worden. Also da, wo die Arbeiten erledigt werden, von denen die Leser:innen nicht viel mitbekommen, ohne die aber die Abläufe und vor allem ein zeitgemäßer Medienbestand nicht möglich wären.

Es ist gerade mal acht Jahre her, dass die Freude groß war, als der Bücherei nach ihrem Umzug in modern ausgestattete Räume fast dreimal so viel Fläche zur Verfügung stand wie früher. Damals unvorstellbar, dass in so kurzer Zeit weitere Schränke notwendig waren um wichtiges, neues Equipment verstauen zu können. Da muss ein Garderobenständer schon mal Platz machen.

Im Sommer kein nennenswertes Problem, im Winter ist aber Ersatz nötig. Am einfachsten mit einer Hakenleiste an der Wand. Und da wären wir wieder beim Thema Perspektive, das mir als Mutter von drei Kindern, die mich inzwischen um zehn, 18 und 23 Zentimeter überragen, sehr vertraut ist. Wäre mein Badezimmerspiegel in der für sie passenden Größe angebracht, bliebe mir der morgendliche Anblick meiner Mundfalten erspart. In der für mich passenden Höhe könnten die Drei ihre Haare im Spiegel nur in gebückter Haltung sehen. Wir haben uns zu Zeiten, als wir noch gemeinsam unter einem Dach lebten, auf einen Kompromiss geeinigt.

Und dabei bin ich , obwohl im Laufe der Jahre geschrumpft, mit meinen 170 Zentimetern Körperlänge immer noch vier Zentimeter größer als die deutsche Durchschnittsfrau. Trotzdem stand ich heute Morgen mit lang ausgestrecktem Arm vor der neuen Garderobenleiste in der Bücherei und hatte Fragezeichen in den Augen. Die Bandbreite der Fragen reichten von „Was soll der Sch… denn?“, „Wetten, dass der Chef das Ding angedübelt hat?“ bis zu „Wo ist das Höckerchen?“.

Die Frage mit dem Chef hatte sich sofort beantwortet, als der vorbei kam und mit einem fröhlichen Grinsen die oben angeführte Bemerkung „Du bist einfach zu klein“ fallen ließ. Keine Ahnung, was er seinen beiden hauptamtlichen Kolleginnen, die sogar noch kleiner sind als Gregor Gysi, gesagt hat. Auf die Frage, die in meinem Kopf begann mit „Was soll der…“ hatte der sonst eigentlich ganz praktisch veranschlagte Büchereichef eine Erklärung: „Weil der Schrank darunter steht.“ Nicht, dass der die Erreichbarkeit der in sage und schreibe über zwei Meter Höhe angebrachten Garderobenhaken verbessert hätte. Sein Erklärung war vielmehr:

„Damit die Mäntel unten nicht auf dem Schrank aufliegen.“

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Kriegerisches Mimimi

Sie machen in Deutschland 50 Prozent der Bevölkerung aus. In ein Bürgermeister/in-Büro haben es circa 20 Prozent geschafft, gut 30 Prozent in den Bundestag oder den Aufsichtsrat einer der 200 größten Firmen. Sie verdienen im Durchschnitt 20 Prozent weniger als ihre Kollegen, übernehmen aber täglich über 50 Prozent mehr an, natürlich unbezahlter Arbeit in Haushalt, Erziehung und Pflege als ihre Partner. Wie muss mann da gestrickt sein, sich von Frauen bedroht zu fühlen, die viel zu beschäftigt sein dürften, sich mit ihren eigenen Rechten zu befassen,  sie einzufordern und durchzusetzen, als dass sie noch Zeit und Energie hätten, Männern irgendwelche Rechte streitig machen zu wollen?

Ja, solche Männer gibt es. Weltweit, gut vernetzt in ihrer Mischung aus Frauenfeindlichkeit, Antifeminismus, Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus zunehmend gefährlich,  wie Tobias Ginsburg nach ausgiebiger Undercover-Recherche, nicht nur in Deutschland, in seinem Buch „Die letzten Männer des Westens – Antifeministen, rechte Männerbünde und die Krieger des Patriarchats“ beschreibt. Wie diese selbsternannten Krieger ticken wird in einem erschreckenden Beispiel ziemlich zu Anfang des Buches deutlich, als Ginsburg von einer Veranstaltung des FDP nahen Vereins „Liberale Männer“ berichtet.

Achtung, Triggerwarnung!

Dort bezeichnete ein Redner es als „Genitalverstümmelung“, wenn eine Frau sich mit einem gezielten Tritt gegen einen Vergewaltiger wehrt und empfiehlt gleichzeitig, dass Männer ebenfalls zutreten sollen um sich gegen gewaltbereite Frauen zu wehren können, die ihre Autos zu zerkratzen drohen.

Zitat auf Seite 51: So ein „Tritt gegen die Klitoris“ würde Wunder wirken. Sicher, die Frau „dort günstig zu treffen“ sei bedeutend schwerer als bei einem Mann, aber dafür nicht ansatzweise so inhuman: „Denn bei einem Mann sind zerstörte Genitalien langfristig. Er wird auf Dauer seines Lebens zeugungs- oder geschlechtsunfähig sein. Wenn hingegen die Klitoris zerstört wird, zieht das wohl in den Bauchraum rein, aber die Frau kann natürlich noch Kinder austragen.

Das war das erste, aber nicht letzte  Mal, dass ich überlegt habe, das Buch zuzuschlagen und wegzulegen. Ich habe mich dagegen entschieden, weil ich es für wichtig halte, nicht nur um von den offensichtlichen Erscheinungen von Frauenfeindlichkeit zu wissen, sondern auch von der seltener beschriebenen Verbreitung und Vernetzung.

Bekannt, nicht zuletzt durch Terroristen wie Anders Breivink (Utøya) und Stefan B. (Halle), sind die selbsternannten Incels (involuntary celibates), die ihr „unfreiwilliges Zölibat“ den gemeinen, fiesen, selbstsüchtigen Frauen zuschieben, anstatt mal drüber nachzudenken, ob regelmäßiges Duschen, gepflegte Kleidung und angemessene Umgangsformen ihr Leiden nicht beenden könnte. Ganz ehrlich: immer, wenn ich deren Jammerei irgendwo lese, fällt mir als erstes der dumme Spruch ein, „wer poppen will, muss freundlich sein“ (nicht meine Wortwahl, der Spruch lautet so – oder ähnlich, wobei die Abwandlungen auch nicht besser klingen).

Weniger bekannt ist die Frauenfeindlichkeit in stramm rechten Männerbünden, angefangen von dem bereits erwähnten politischen Verein und Gleichgesinten in der AfD, über radikale, angebliche „Lebensschützer“ (ebenfalls mit AfD-Beteiligug) bis hin zu ewiggestrigen, rassistischen Studentenverbindung, gerne auch von der Sorte, die mit Säbeln aufeinander losgehen, um sich freiwillig ihre Gesichter zu verunstalten.

Und kaum bekannt sind die internationalen Netzwerke, Verflechtungen und Kollaborationen der misogynen Paschas und ihren weiblichen Mitstreiterinnen, die emanzipatorisch irgendwo in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stecken geblieben sind.

Die von Tobias Ginsburg geschilderten Erlebnisse und Begegnungen sorgen allerdings dafür, dass der Kampf gegen den Feminismus, und damit gegen selbstbewusste und selbstbestimmte Frauen nicht länger im Verborgenen bleibt. Und das ist m. E. sehr wichtig, denn neben ihrer Frauenfeindlichkeit eint die Protagonisten der Bewegung auch ein unverblümter Rechtsextremismus mit den bekannten Begleiterscheinungen wie eben Rassismus, aber auch Antisemitismus und Queer-Feindlichkeit.

Es ist ganz sicher keine leichte Lektüre, unterhaltsam schon mal gar nicht. Dennoch eine glasklare Empfehlung von mir, denn die Fakten sind gut recherchiert und dargestellt, wobei Ginsburg dafür ein besonderer Dank gebührt. Sich als Jude undercover unter bierseelige Rechtsextreme zu mischen, hätte auch ganz böse enden können.

Dass sich einiges in dem Buch wiederholt, liegt nicht am Autor, sondern an der Ausbreitung des Antifeminismus und immer gleichen Motiven von Männern, die sich selber durchaus als Helden stilisieren, sich aber sehr schnell als, mit Verlaub, Schlappschwänze entlarven. Einerseits neigen sie zwar zu Brutalität und Ausübung körperlicher Gewalt, andererseits haben sie aber nicht mehr zu bieten, als ihre eigentliche Erfolgslosigkeit und ihre Furcht vor selbstbewussten Frauen zu bejammern, statt mal selber selbstbewusst genug zu werden sich um soziale und gesellschaftliche Anerkennung zu bemühen. Unentwegtes und unbegründetes Mimimi ist da keine erfolgversprechende Ausgangsposition.  

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Wie Erinnerung bleibt

Sie werden immer weniger, die Zeitzeug/innen des Zweiten Weltkrieges, der Nachkriegsjahre mit Hunger und Kälte, deren körperlichen und psychischen Auswirkungen und dem Bemühen um die Verarbeitung des Schreckens, der nicht selten im Bemühen um schweigendes Vergessen mündete. Umso wichtiger, dass Erinnerungen überliefert und erhalten bleiben, und auch die Kinder der damaligen Zeitzeug//innen diese Aufgabe übernehmen und aus ihrer Perspektive ganz neue Denkanstöße liefern. So trägt das Buch „Sieben Heringe“ von Jürgen Wiebicke den Untertitel „Meine Mutter, das Schweigen der Kriegskinder und das Sprechen vor dem Sterben“ und ist mit der Widmung versehen „Meinen Kindern. Damit aus Erzählen Weitererzählen wird.“

Mein Vater, hat die letzten Kriegsjahre als fast noch jugendlicher Soldat erlebt, meine Mutter war 15 Jahre, als der Krieg endete und ich kam 12 Jahre später zur Welt. In meiner Kindheit und Jugend hatten alle Erwachsenen, die ich kannte, das so genannte Dritte Reich, Krieg und Nachkriegszeit mehr oder weniger bewusst erlebt. Auch meine Generation, jünger als die Beteiligten der 68er Proteste, ist davon noch strark geprägt, wie stark ist mir erst in späteren Jahren bewusst geworden. Es erklärt mein Interesse an Büchern, beispielsweise von Sabine Bode, und eben dem im vergangenen Frühjahr erschienen von Jürgen Wiebicke.

Mit seinen Eltern hat Wiebicke in den Wochen vor ihrem Tod jeweils Gespräche über deren Vergangenheit geführt, bei seiner Mutter dabei Notizen gemacht, aus der Befürchtung heraus, Wichtiges zu schnell zu vergessen. Die schonungslose Beschreibung der Schrecken der Kriegs-Gewalt und der Armut der frühen Nachkriegsjahre sind beim Lesen oft schwer zu ertragen. Aber an dem, was die Menschen damals mitmachen mussten, ist nun mal Nichts zu beschönigen. Und ja, ich persönlich finde es darf und muss uns Jahrzehnte danach immer wieder mal vor Augen geführt werden, was Menschen sich gegenseitig Entsetzliches antun können, damit wir aus den Fehlern vorheriger Generationen lernen, statt sie nachzumachen. Besonders, da das aktuelle Geschehen in der Ukraine uns zeigt, dass Krieg auch in Europa leider nicht der Vergangenheit angehört und von Menschen verursacht wird, die den Verbrechern von damals in Sachen Machtgier und Grausamkeit in Nichts nachstehen.

Dafür, dass Wiebicke dazu beiträgt die Erinnerungen an den damaligen Kriegsterror und seine Nachwirkungen wach zu halten, bin ich ihm dankbar. Aber auch dafür, wie er mit dem Thema Tod und Sterben umgeht, wie er fragende Hilflosigkeit und Zerrissenheit der Zurückbleibenden schildert. Auch hier, wie im gesamten Buch, gibt er tiefe Einblick in Persönliches, ohne jemals seine eigene Privatsphäre und die seiner Angehörigen zu verletzen, lässt an pragmatischen und philosophischen Überlegungen teilhaben und hält, last but not least, ein überzeugendes Plädoyer für ein Lebensende im Hospiz, wenn Alltag in den eigenen vier Wänden und Unterstützung und  eventuell notwendige Pflege durch Angehörige an ihre Grenzen gekommen sind.

Als ich angefangen habe, dieses Buch zu lesen, habe ich nach wenigen Seiten beschlossen, an dieser Stelle darüber zu schreiben und Stellen markiert, die mir so auf-/gefielen, oder die ich für so wichtig fand, dass ich sie dabei zitieren wollte. Es sind so viele geworden, dass ich mich jetzt auf Eines beschränke: die Empfehlung, dieses Buch unbedingt zu lesen. Für mich gehört es zu denen, die ich nach der Rückgabe in der Bücherei im örtlichen Buchhandel kaufen werde, damit es jederzeit griffbereit im Regal steht, weil ich bestimmt viele Passagen oder auch nur einzelne Absätze noch mal nachschlagen möchte. Nachdem ich es irgendwann das zweite oder sogar dritte Mal von vorne bis hinten gelesen habe.

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1,70 Meter Ärgernis

Besser gut gekauft, als schlecht gemacht, ist ein Motto, mit dem ich nicht nur meine Fähigkeiten als Hobby-Schneiderin gut beschreiben kann, sondern das auch im Zusammenhang mit meiner Lieblings-Kohlenhydrat-Zufuhr in Form von Nudeln recht treffend ist. Nein, an dieser Stelle, soll es nicht darum gehen, ab welchem (in der Regel selbst definierten) gesellschaftlichen Status man nicht mehr Nudeln sagen, sondern von Pasta sprechen muss, und ob Buchstaben-Nudeln auch darunter fallen. Es geht nicht mal um Nudeln an sich, sondern unter anderem am Beispiel einer von mir bevorzugten Marke um das leidige Thema Verpackungs- und Plastikmüll. Diese am blauen Karton zu erkennende Marke schmeckt mir nicht nur sehr gut, sie hat gegenüber der in grün verpackten Konkurrenz auch den Vorteil, dass ich mit ihrem Kauf nicht die Konzern-Kranke Nestlé unterstütze.

Was mich an der blauen Sorte allerdings stört, ist das Sichtfenster im Karton, mit dem die Firma den Beweis antritt, dass in der Packung auch das drin ist, was drauf steht. Als ob das deutsche Lebensmittelrecht es zulassen würde, dass mit Spaghetti-Fotos für Kartoffelpüree-Flocken geworben werden darf.

Seit Jahrzehnten konditioniert auf eine angeblich „deutsche Tugend“, nämlich die Mülltrennung, ist mir klar, dass das Zellophan-Fenster im Papiermüll ebenso wenig zu suchen hat, wie der Pappkarton im Plastikmüll. Also zerrupfe ich die Schachtel und teile ihre Bestandteile auf im gelben Sack und im Altpapier.

Nein, damit werde ich die Weltmeere nicht retten, aber irgendwo muss frau ja mal anfangen. Und weiter mache ich bei m Einpackenmeiner Einkäufe für den Heimtransport. Die weißen Gemüsenetze (meiner Meinung nach nicht die glücklichste Farbwahl für Kartoffeln, braune Champignons) waren schon lange bevor die Ohrentüten aus sehr dünnem, aber erstaunlich tragfähigem Plastik aus den Supermärkten verschwunden sind, bei mir in Gebrauch.

Brötchen kommen in einen Stoffbeutel mit eingenähtem Sichtfenster, in dem sie auch aufbewahrt werden, was die bis dato stabilen Zähnen danken. Aus einem Herrenhemd entstand ein Rucksack, dessen Tragekomfort ich einem Korb vorziehe, und aus einem Stück Textil-Werbebanner und den Hosenbeinen ausrangierter Jeans eine sehr große Einkaufstasche, die zum Beispiel dann zum Einsatz kommt, wenn die Nudeln in der blauen Pappschachtel mit Kunststoff-Fenster mal wieder im Angebot sind.

In einem früheren Beitrag schrieb ich ja schon von meinem Faible für den Unverpackt-Laden im Nachbarort , aber aus geographischen und finanziellen Gründen erstehe ich meine Lebensmittel auch im örtlichen Supermarkt oder bei Discountern. Und da begegne ich regelmäßig einem Produkt, das auf meiner persönlichen Beliebtheitsskala immer schon ganz weit unten stand. Anfangs, weil sein Gebrauch sehr häufig mit nervraubendem Gefriemel verbunden ist, später wegen eines gewachsenen Umweltbewusstseins und der Überzeugung, dass (in Anlehnung an Loriot) ein Leben ohne dieses Zeugs sehr gut möglich und sinnvoll ist. Die Rede ist von Frischhalte-Folie, die sich beharrlich an ihre Rolle klammert und sich am liebsten  in Fetzen von der Abrisskante portionieren lässt wird.

Anders scheinen Profis damit umgehen zu können, was sicherlich auch an der Ausstattung mit Folienrollen in Stoffballen-Größe und entsprechendem Schnittwerkzeug liegen mag. Jedenfalls scheint beispielsweise die Begeisterung von Käsefachverkäufer/innen im Supermarkt so groß zu sein, dass sie erst nach der fünften bis sechsten Folienumrundung für 150 Gramm Brie glücklich sind. Von der Schweinerei beim Auspacken, wenn der Käse einen bestimmten Reifegrad erreicht hat, fange ich erst gar nicht an.

Ein gewisses Unbehagen ist auch im Spiel, wenn beim Discounter Gemüse in Kunststoff-Verpackung gehüllt ist. Da ist nicht nur die Bio-Gurke oder der Kohlkopf in Ganzkörper-Präservativen eingeschweißt, auch Frischhaltefolie versucht ihrem Namen alle Ehre zu machen. Dient meiner Meinung nach aber eher dazu, mit ein paar zugefügten Bröckchen ein Einheitsgewicht zu erreichen, damit die Kassierer/innen ihre Rekordzeiten einhalten können. Sehr verlockend war kürzlich der Anblick von Brokkoli, weil er nicht nur die Frage „Was könnte ich den heute mal kochen?“ beantwortete, sondern beim Gedanken ihn als Zutat für einen mit Käse überbackenen Auflauf zu verwenden, für verstärkten Speichelfluss sorgte. Da spielte die Verpackung nur noch eine sehr unwesentliche Rolle, eigentlich gar keine. Bis ich in der Küche stand und mich an die alte Spruchweisheit erinnerte, dass die Götter vor den Erfolg den Schweiß gesetzt haben. Die diversen Gummibänder am Brokkoli-Strunk waren schnell entfernt, sie erfüllten ohnehin keinen Sinn, denn die Folie war derart stramm um das Gemüse gewickelt, dass es auch nach einem Dampfwalzen-Unfall noch in Form geblieben wäre. Der Einsatz der Schere  schien mir unter solchen Bedingungen nicht angebracht.

Gut, der Aufkleber dessen Aufdruck mir versicherte, dass ich tatsächlich einen Brokkoli in den Händen hielt, markierte den Anfang einer Wickeltechnik, für die archäologische Grabfunde in ägyptischen Pyramiden als Vorbild gedient haben müssen. Das Auswickeln dauerte gefühlsmäßig endlos – gut, nicht sooo lange, dass zu befürchten war, der Brokkoli wäre inzwischen mumifiziert. Jedenfalls hielt ich zum guten Schluss ein Stück Frischhaltefolie von erstaunlicher Länge in den Händen. So erstaunlich, dass ich wissen wollte, wie lang es tatsächlich war und es nachgemessen habe. Heraus  kamen 170 Zentimeter, eine Zahl, die in meinem Personalausweis steht um meine Körpergröße zu dokumentieren.

Irgendwo las ich mal, dass bei irgendwelchen Schönheitsbehandlungen bedauernswerte Menschen sich von Kopf bis Fuß in Frischhaltefolie wickeln lassen, weil sie glauben, wenn sie viel Geld dafür bezahlen, würden sie ihre Wunschfigur im Hand-, äh Folienumdrehen erreichen können. Ich habe den Gedanken, mich in die Brokkoli-Verpackung zu wickeln gar nicht aufkommen lassen. Denn auch wenn die Länge stimmte, die Folienbreite hätte nur einen sehr geringen Teil meiner (kreisförmigen) Rundungen bedecken können. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum ich mir jetzt vorgenommen habe, mein Gemüse wieder öfter unverpackt auf dem Wochenmarkt zu kaufen, denn Meeresgetier braucht keine vermeintlichen Schönheitsbehandlungen mit Plastikfolie, sondern saubere Gewässer und Böden ganz tief da unten.

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1,70 Meter Folie für 500 Gramm Gemüse

Kritik ja, aber differenziert

Nicht umsonst heißt dieser Blog „Portion Senf dazu?“, denn hier wurde in über fünf Jahren zu den unterschiedlichsten Themen herumgesenft, über Bücher, Hobbys, Zwischenmenschliches, Aktuelles und Politisches, woran ich nicht unbeteiligt war. So manches Mal war der Senf Gelegenheit Dampf abzulassen, ganz oft habe ich mich aber auch auf die Finger gesetzt, statt zu tippen.

Über die Schlagzeilen, für die die katholische Kirche aktuell sorgt, fällt mir eine ganze Menge ein, was ich dazu schreiben könnte (und möchte), auch wenn ich als nicht praktizierende Protestantin das Elend von außen betrachte. Gar keine Frage, dass ich nicht den Hauch von Verständnis für Täter aufbringe, die ihre Machtstellung missbrauch(t)en, indem sie wehrlosen Kindern Gewalt antun, ebenso wenig wie für diejenigen, die ein erschreckendes Ausmaß an kriminellen Taten über viele Jahre verschwiegen, vertuscht und verharmlost haben, statt den Opfern angemessene Hilfe und Unterstützung zukommen zu lassen. Darüber könnte ich mich hier jetzt seitenlang aufregen, persönliche Urteile fällen und Forderungen stellen. Abgesehen davon, dass sich dadurch nichts ändern wird, geht es mir aber an dieser Stelle um etwas ganz anderes, nämlich um die vielen, vielen Menschen, die jetzt in die Rolle gedrängt werden für das einzustehen, was einige wenige (immer noch zu viele) verbrochen haben.

Privatleute, die meilenweit entfernt sind von jeglicher Verantwortung für Verbrechen und dem verantwortungslosen Umgang damit, werden auf sexualisierte Gewalttaten von ihnen völlig unbekannten Tätern angesprochen und aufgefordert persönliche Konsequenzen aus dem zu ziehen, was starrköpfige Funktions- und Würdenträger ganz bewusst und gezielt falsch gemacht haben. Nicht selten gipfelt es in ungebetenen Ratschlägen doch aus der Kirche austreten, statt sie weiter mit Steuergeldern zu finanzieren. Ich bin sicher, dass viele Katholik/innen darüber nachgedacht haben und noch darüber nachdenken. Über deren Ergebnisse und  Schlussfolgerungen dürfen meiner Meinung nach Außenstehende gerade mal eventuelles Unverständnis äußern, aber keine Urteile abgeben, vor allem keine Verurteilungen.

Ortspfarrer, die jahrzehntelang mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet haben, ohne dass auch nur der leiseste Verdacht auf sexuelle/sexualisierte Übergriffigkeiten aufkommen konnte, werden völlig grundlos mit üblen Straftätern gleichgesetzt. Irgendwelche dummen Bemerkungen, sind da nicht witzig, sondern verletzend – nicht nur für die ganz große Mehrheit der integren Berufskollegen der Täter, sondern auch für die Opfer.

Nicht, dass wir uns hier falsch verstehen. Kritik an der katholischen Kirche, an ihren patriarchalisch geprägten Machtstrukturen, an der Unterdrückung von Meinungen und Erkenntnissen, an der Ausgrenzung bestimmter Personengruppen, an den Fällen von Versagen in Sachen christlicher Nächstenliebe und Barmherzigkeit, kann, soll und muss meiner Meinung nach geübt werden. Durchaus auch laut und hörbar. Und auch berechtigte Kritik an persönlichem Fehlverhalten von Kirchenangehörigen halte ich für angebracht. Aber nur dann, wenn sie sich gegen die direkt Verantwortlichen richtet und nicht völlig Unbeteiligte mit vereinnahmt.

Der sichtbare Vertrauensbruch durch Teile des kirchlichen Personals auf höherer Ebene hat viele Gläubige, die sich „ihrer“ Kirche verbunden fühlen, welche von „ihrem“ Seelsorgerteam, „ihren“ ehrenamtlich Engagierten und „ihren“ katholischen Einrichtungen vor Ort repräsentiert werden, in eine Vertrauenskrise gestürzt. Da braucht es nicht noch unreflektierte Verallgemeinerungen, haltlose Verunglimpfungen oder Häme von Außenstehenden. Unterstützung dafür, dass sich eine feste Basis von auch weiterhin engagierten Menschen mit ihren Forderungen nach grundlegenden Änderungen in der katholischen Kirche durchsetzt, dagegen schon.

fl

Der Wert der Masche

Socken stricken – eine ganz besondere Disziplin für all diejenigen, deren Hobby mit längeren Nadeln und Wolle zu tun hat. Ich habe mich viele Jahre dagegen gewehrt, weil ich nicht gerne nach Anleitung stricke, was aber in der Anfänger/innenphase bei der Sockenferse nun mal so gar nicht funktioniert. Außerdem war meine Mutter eine begeisterte Sockenstrickerin, die zu Lebzeiten die gesamte Familie hinreichend versorgte.

Nicht nur ihre Lebenszeit war begrenzt, sondern auch Socken haben bekanntlich kein ewiges Leben. Und nur diejenigen, die die Waschmaschine vermeintlich gefressen hat, können manchmal eine Wiederauferstehung für sich in Anspruch nehmen. Irgendwann ist aber der Moment erreicht, an dem die Löcher unter der Hacke nicht mehr gestopft werden können. Was also tun, wenn mensch sich an den Luxus der Selbsgestrickten so gewöhnt hat, dass die preisgünstigen Zehnerpacks aus dem Sonderangebot keine akzeptable Alternative darstellen?

Meine (seltenen) Stricksocken fange ich an der Spitze an

Als ich dann die fersenlosen Spiralsocken entdeckte, die auch unter der weniger attraktiven Bezeichnung „Regenwurmsocken“ im Netz zu finden sind, konnten meine Füße das gewohnte Gefühl von Wolle in rechten und linken Maschen genießen. Und mit der so genannten Bumerangferse, die ganz ohne Käppchen und Zwickel auskommt, war ich bald darauf sogar in der Lage etwas zu stricken, das nicht nur wie Socken getragen wird, sondern auch so aussieht.

Meine persönliche Achillesferse war dann leider auch recht schnell ausgemacht, ich finde Sockenstricken sehr, sehr langweilig. Vor allem, wenn Größen im oberen 40er Bereich gefordert sind, wie bei meinen Söhnen. Randbemerkung: Pullover in XXL mit Nadelstärke 4 habe ich regelmäßig auf der Nadel  – vielleicht fühlen sich Expert/innen in angewandter Küchentisch-Psychologie gerade herausgefordert :-).

Gut, dass es da (hoffentlich bald mal wieder) Basare und andere Gelegenheiten gibt, bei denen begeisterte Socken-Stricker/innen ihr Können in den Dienst einer guten Sache stellen. Eine gute Quelle für mich ist da der hiesige Eine-Welt-Laden, nicht nur weil keine 100 Meter von meiner Wohnung entfernt, sondern vor allem mit einer (außer in den ersten Wochen nach Weihnachten) beeindruckenden Auswahl in allen Größen und Farben und oft mit tollen Mustern ausgestattet.

Klar können die Preise dort mit dem schon erwähnten Zehnerpack nicht mithalten, aber ich finde sie ausgesprochen moderat. Allein schon, weil gute Wolle ihren Preis hat, aber besonders, weil in einem Paar Socken jede Menge Arbeit steckt. Entsprechend habe ich wenig Verständnis, wenn die ehrenamtlich Engagierten dort sich immer wieder anhören müssen, dass ihre Socken doch ganz schön teuer wären. Nein, sind sie nicht! Ganz bestimmt nicht!

Die Arbeitszeiten bei Handarbeiten sind kaum zu berechnen, denn die einen stricken schneller, die anderen häkeln langsamer und wieder andere, so wie ich, müssen beim Nähen regelmäßíg mal etwas auftrennen. Geübte Stricker/innen ohne Ambitionen auf Rekorde schaffen ein paar Socken an drei Abenden. Gehen wir mal davon aus, dass sie jeweils etwa vier Stunden pro Abend mit den Socken beschäftigt sind, kommt jetzt der Gedanke auf, welcher Stundenlohn wohl angemessen sein könnte. Der aktuelle Mindestlohn liegt bei 9.50, in die Rolle von Arbeitgebern geschlüpft, gibt es da natürlich Abzüge. Schließlich wird Socken-Arbeitszeit ganz gemütlich auf dem heimischen Sofa verbracht, wo keine Anforderungen an ein Business-Outfit gestellt werden, und es bedarf keines Gesellenbriefs nach dreijähriger dualer Ausbildung oder sogar eines Hochschul-Studiums, um Wollfäden durch Schlaufen zu ziehen. Eine fiktive Stricker/innen-Gewerkschaft müsste jetzt dagegen halten, dass die (Ab-)Nutzung der privaten Couch ebenso in Rechnung zu stellen ist, wie eventuelle Nachtzuschläge ab 22 Uhr. Bevor ich jetzt noch von Streiks und Aussperrungen phantasiere, lege ich einfach mal eine Bezahlung von sieben Euro pro Stunde fest mit dem Bewusstsein, dass gute Handarbeit viel mehr wert ist. Kurz und knackig: Ein paar handgestrickte Socken in durchschnittlicher Größe müsste nach dieser Rechnung für 84 Euro plus Materialkosten verkauft werden.

Klar kann man diese Überlegungen durchaus als Milchmädchen-Rechnung kritisieren, da neben der Strick-Geschwindigkeit auch Routine bei Ferse und Spitze, vor allem aber Muster eine wichtige Rolle dabei spielen, wie schnell Socke und Söckin fertig werden. Eine feste Größe ist allerdings die Maschenzahl, die unabhängig von Fertigkeit und Übung nur davon abhängig ist, ob das fertig Gestrickte Baby-Füßchen wärmen oder Handwerker-Füße vor  übermäßigem Schweißgeruch bewahren soll.

Wie ich ja schon erwähnte, gehört, anders als Maschen zu stricken, Maschen zu zählen wahrlich nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, weshalb ich einem mir unbekannten Menschen sehr dankbar bin, dass er vor Jahren mal ausgerechnet hat, aus wie vielen Maschen eine Socke besteht, und das auch noch in einem Forum veröffentlicht hat. Das sieht dann zum Beispiel so aus:

82 + ( 2 * 82) + 80 + (2 * 80) + 78 + (2 * 78) + 76 + (2 * 76) + 74 + (2 * 74) + 72 + (2 * 72) + 70 + (2 * 70) + 68 + (2 * 68) + 66 + (2 * 66) + 64 =
3 * (82 + 80 + 78 + 76 + 74 + 72 + 70 + 68 + 66) + 64 =
3 * (4 * 148 + 74) + 64 =
3 * (592 + 74) + 64 =
2062

Hierbei sind lediglich die Abnahmerunden des Fersenzwickels berechnet. Insgesamt hat die Socken-Mathematik das sagenhafte Endergebnis von vierzehntausendfünfhundertsechsundzwanzig Maschen – pro Socke wohlgemerkt.

Wer jetzt noch meint, für einen guten Zweck von Hand gefertigte Socken, seien mit gerade mal um die 15 Euro zu teuer, darf gerne mal überlegen, wie viel Cent eine handgestrickte Masche denn wohl wert sein darf. Und wem dann ein Paar immer noch zu „teuer“ ist, die/der könnte zum Zweck des Perspektiv-Wechsels mal zu Wollknäuel und Nadelspiel greifen und selber stricken. Diejenigen, deren geübtes Nadelklappern über Jahre hinweg schon viele soziale Projekte unterstützt hat, geben bestimmt gerne Hilfestellung. Auch beim Stricken.

fl

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