Socken stricken – eine ganz besondere Disziplin für all diejenigen, deren Hobby mit längeren Nadeln und Wolle zu tun hat. Ich habe mich viele Jahre dagegen gewehrt, weil ich nicht gerne nach Anleitung stricke, was aber in der Anfänger/innenphase bei der Sockenferse nun mal so gar nicht funktioniert. Außerdem war meine Mutter eine begeisterte Sockenstrickerin, die zu Lebzeiten die gesamte Familie hinreichend versorgte.
Nicht nur ihre Lebenszeit war begrenzt, sondern auch Socken haben bekanntlich kein ewiges Leben. Und nur diejenigen, die die Waschmaschine vermeintlich gefressen hat, können manchmal eine Wiederauferstehung für sich in Anspruch nehmen. Irgendwann ist aber der Moment erreicht, an dem die Löcher unter der Hacke nicht mehr gestopft werden können. Was also tun, wenn mensch sich an den Luxus der Selbsgestrickten so gewöhnt hat, dass die preisgünstigen Zehnerpacks aus dem Sonderangebot keine akzeptable Alternative darstellen?

Als ich dann die fersenlosen Spiralsocken entdeckte, die auch unter der weniger attraktiven Bezeichnung „Regenwurmsocken“ im Netz zu finden sind, konnten meine Füße das gewohnte Gefühl von Wolle in rechten und linken Maschen genießen. Und mit der so genannten Bumerangferse, die ganz ohne Käppchen und Zwickel auskommt, war ich bald darauf sogar in der Lage etwas zu stricken, das nicht nur wie Socken getragen wird, sondern auch so aussieht.
Meine persönliche Achillesferse war dann leider auch recht schnell ausgemacht, ich finde Sockenstricken sehr, sehr langweilig. Vor allem, wenn Größen im oberen 40er Bereich gefordert sind, wie bei meinen Söhnen. Randbemerkung: Pullover in XXL mit Nadelstärke 4 habe ich regelmäßig auf der Nadel – vielleicht fühlen sich Expert/innen in angewandter Küchentisch-Psychologie gerade herausgefordert :-).
Gut, dass es da (hoffentlich bald mal wieder) Basare und andere Gelegenheiten gibt, bei denen begeisterte Socken-Stricker/innen ihr Können in den Dienst einer guten Sache stellen. Eine gute Quelle für mich ist da der hiesige Eine-Welt-Laden, nicht nur weil keine 100 Meter von meiner Wohnung entfernt, sondern vor allem mit einer (außer in den ersten Wochen nach Weihnachten) beeindruckenden Auswahl in allen Größen und Farben und oft mit tollen Mustern ausgestattet.
Klar können die Preise dort mit dem schon erwähnten Zehnerpack nicht mithalten, aber ich finde sie ausgesprochen moderat. Allein schon, weil gute Wolle ihren Preis hat, aber besonders, weil in einem Paar Socken jede Menge Arbeit steckt. Entsprechend habe ich wenig Verständnis, wenn die ehrenamtlich Engagierten dort sich immer wieder anhören müssen, dass ihre Socken doch ganz schön teuer wären. Nein, sind sie nicht! Ganz bestimmt nicht!
Die Arbeitszeiten bei Handarbeiten sind kaum zu berechnen, denn die einen stricken schneller, die anderen häkeln langsamer und wieder andere, so wie ich, müssen beim Nähen regelmäßíg mal etwas auftrennen. Geübte Stricker/innen ohne Ambitionen auf Rekorde schaffen ein paar Socken an drei Abenden. Gehen wir mal davon aus, dass sie jeweils etwa vier Stunden pro Abend mit den Socken beschäftigt sind, kommt jetzt der Gedanke auf, welcher Stundenlohn wohl angemessen sein könnte. Der aktuelle Mindestlohn liegt bei 9.50, in die Rolle von Arbeitgebern geschlüpft, gibt es da natürlich Abzüge. Schließlich wird Socken-Arbeitszeit ganz gemütlich auf dem heimischen Sofa verbracht, wo keine Anforderungen an ein Business-Outfit gestellt werden, und es bedarf keines Gesellenbriefs nach dreijähriger dualer Ausbildung oder sogar eines Hochschul-Studiums, um Wollfäden durch Schlaufen zu ziehen. Eine fiktive Stricker/innen-Gewerkschaft müsste jetzt dagegen halten, dass die (Ab-)Nutzung der privaten Couch ebenso in Rechnung zu stellen ist, wie eventuelle Nachtzuschläge ab 22 Uhr. Bevor ich jetzt noch von Streiks und Aussperrungen phantasiere, lege ich einfach mal eine Bezahlung von sieben Euro pro Stunde fest mit dem Bewusstsein, dass gute Handarbeit viel mehr wert ist. Kurz und knackig: Ein paar handgestrickte Socken in durchschnittlicher Größe müsste nach dieser Rechnung für 84 Euro plus Materialkosten verkauft werden.
Klar kann man diese Überlegungen durchaus als Milchmädchen-Rechnung kritisieren, da neben der Strick-Geschwindigkeit auch Routine bei Ferse und Spitze, vor allem aber Muster eine wichtige Rolle dabei spielen, wie schnell Socke und Söckin fertig werden. Eine feste Größe ist allerdings die Maschenzahl, die unabhängig von Fertigkeit und Übung nur davon abhängig ist, ob das fertig Gestrickte Baby-Füßchen wärmen oder Handwerker-Füße vor übermäßigem Schweißgeruch bewahren soll.
Wie ich ja schon erwähnte, gehört, anders als Maschen zu stricken, Maschen zu zählen wahrlich nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, weshalb ich einem mir unbekannten Menschen sehr dankbar bin, dass er vor Jahren mal ausgerechnet hat, aus wie vielen Maschen eine Socke besteht, und das auch noch in einem Forum veröffentlicht hat. Das sieht dann zum Beispiel so aus:
82 + ( 2 * 82) + 80 + (2 * 80) + 78 + (2 * 78) + 76 + (2 * 76) + 74 + (2 * 74) + 72 + (2 * 72) + 70 + (2 * 70) + 68 + (2 * 68) + 66 + (2 * 66) + 64 =
3 * (82 + 80 + 78 + 76 + 74 + 72 + 70 + 68 + 66) + 64 =
3 * (4 * 148 + 74) + 64 =
3 * (592 + 74) + 64 =
2062
Hierbei sind lediglich die Abnahmerunden des Fersenzwickels berechnet. Insgesamt hat die Socken-Mathematik das sagenhafte Endergebnis von vierzehntausendfünfhundertsechsundzwanzig Maschen – pro Socke wohlgemerkt.
Wer jetzt noch meint, für einen guten Zweck von Hand gefertigte Socken, seien mit gerade mal um die 15 Euro zu teuer, darf gerne mal überlegen, wie viel Cent eine handgestrickte Masche denn wohl wert sein darf. Und wem dann ein Paar immer noch zu „teuer“ ist, die/der könnte zum Zweck des Perspektiv-Wechsels mal zu Wollknäuel und Nadelspiel greifen und selber stricken. Diejenigen, deren geübtes Nadelklappern über Jahre hinweg schon viele soziale Projekte unterstützt hat, geben bestimmt gerne Hilfestellung. Auch beim Stricken.
fl

15. Januar 2022 at 21:47
Meine Oma hat mir früher auch Socken gestrickt und ich gestehe, ich traute mich kaum, sie zu tragen, und wenn mal…nach mehren Malen.., die Ferse ihren Geist aufgab, hätte ich heulen können. Lag doch die Arbeitszeit meiner Oma in diesen Teilen, schnief. Gekaufte Socken konnte ich gut entsorgen, ohne Gedanken…, aber Selbstgestrickte….heul…..
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