Sein erstes Buch „Ich komm auf Deutschland zu“ hat mich schwer beeindruckt, wie ich damals hier beschrieben habe, seine Videos im youtube-Kanal „Zukar“ finde ich ebenso amüsant wie wichtig, und ihm persönlich zu begegnen, ihm zuzuhören und sich mit ihm zu unterhalten war schon ein Erlebnis. Als Firas Alshater vor gut vier Wochen zu Gast in der Bücherei war, hat er natürlich die Gelegenheit genutzt, ganz dezent – wie er nun mal ist 😉 – auf sein neues Buch „Versteh Einer die Deutschen“ hinzuweisen, das seit kurzem auf dem Markt ist.
Natürlich habe ich es sofort gelesen, als es in den Büchereibestand aufgenommen wurde, und mein Fazit: Firas Alshater und seinem Freund Jan Heilig ist ein gutes, sehr empfehlenswertes Buch gelungen!
So, jezz wisster Bescheid, wie wir Westfalen sagen, könnt den PC runterfahren und euch das Buch ausleihen. Oder ihr könnt am Bildschirm noch ein bisschen lesen, warum ich dieses Buch gerne vielen Verwaltungs-Menschen, Politiker/innen, Menschen, die sich für Geflüchtete engagieren und/oder mit ihnen befreundet sind, und Meckerköppen (an dieser Stelle fällt mir keine neutrale Bezeichnung ein), die Vorurteile gegen Ausländer und Geflüchtete haben und glauben, wenn sie Ängste schüren, könnten sie Probleme lösen.
Ich gebe ja gerne zu, dass mir Menschen sympathisch sind, die den Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat, den ich gerne mit dem irgendwo geklauten Namenszusatz Horst „Im Janker für Anker“ Seehofer nenne, kritisch betrachten und seine Wahlkampf-Rhetorik nicht in Einklang bringen können mit seinen ministeriellen Aufgaben wie Integration und Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Und wenn sie das auch noch gut begründen können und vor allem Vorschläge haben, wie diese ministeriellen Aufgaben deutlich besser und Erfolg versprechender ausgeführt werden können, dann kommt zu der Sympathie auch noch Wertschätzung.
Denn das ist es, was sich durch das gesamt Buch Alshaters zieht: Ein wacher Blick auf die Gegebenheiten in Kombination mit einer Einschätzung, die mal sachlich, mal gefühlsmäßig erfolgt, aber immer zutreffend ist und zu sehr überlegenswerten Vorschlägen führt. Dass er als Syrer dabei oft die Verhältnisse in seiner alten mit denen seiner neuen Heimat vergleicht, bringt mir als Leserin, wie schon im ersten Buch, nochmal einen tieferen Einblick in das frühere Leben von Syrer/innen, noch mehr Verständnis für ihre Erleichterung, in Frieden und Freiheit leben zu können, und Mitgefühl für ihr Heimweh.
Interessant ist dabei, welche Themen den Autor mit der Perspektive des Zugezogenen in eine bis dahin sehr unbekannte Kultur zum Teil bewegen, und beeindruckend mit welcher Toleranz er Dingen begegnet, die ihm bis dahin aufgrund von Erziehung und Sozialisation fremd waren. In anderen Bereichen ist es allerdings mit Toleranz nicht weit her, sondern es hagelt durchaus Kritik. Berechtigte Kritik, weil es z. B. um Benachteiligung von Alleinerziehende, die Zuverlässigkeit gewisser öffentlicher Transportunternehmen, oder immer wieder um die deutsche Bürokratie geht. Wer sich allerdings von dem Buch, in dem viele deutsche Gegebenheiten und Probleme erläutert werden, das Kapitel „Firas erklärt die deutsche Bürokrakratie, weil er sie endlich verstanden hat“ erhofft, der hat im Bücheregal daneben gegriffen. Daran scheitert er genauso, wie vor zwei Jahren, und daran wird er wohl auch noch in 20 Jahren scheitern und dieses Schicksal mit Abermillionen Deutschen teilen. Mit einem Unterschied: Er nimmt es (überwiegend) mit Humor.
Wer von und über ihn gelesen hat, wer seine Filme gesehen und/oder ihn persönlich kennengelernt hat, der weiß, einen Firas ohne Humor und Lebensfreude gibt es nicht – zumindest nicht öffentlich. Und bei allen nachdenklich machenden Passagen und erschütternden Erlebnissen, ist es auch ein kurzweiliger Spaß zu lesen, wie Firas sich selbst, sein Leben, seine Erfahrungen und sein Umfeld durch den sprichwörtlichen Kakao zieht. Mit Kaffee wäre das nicht möglich, denn der schmeckt ihm hier meistens wie „Sockensaft – frisch gepresst“.
Dass das Leben viel einfacher ist, wenn man nicht alles (und sich selber) zu ernst nimmt, zeigt zum Beispiel seine Einschätzung von gewissen politischen (Anmerkung von mir: meist strunzdummen) Äußerungen, die er dem „Kleine-Kläffer-Syndrom“ zuordnet. Ich muss mal überlegen, ob es „typisch Deutsch“ ist, dass ich da deutlich weniger Gelassenheit mitbringe. Das „Kleine-Kläffer-Syndrom“ ist übrigens auf keinen Fall in Zusammenhang damit zu bringen, dass Firas seit geraumer Zeit sein Leben mit einer winzig kleinen Hundeprinzessin teilt, die obwohl weder Vegetarierin noch Veganerin, auf den Namen „Zucchini“ hört, beziehungsweise hören sollte.
Ob Firas sich als Hundeflüsterer bewähren könnte, kann ich ebenso wenig beurteilen, wie die Erfolgsaussichten eines Buches über Bartpflege, wenn er es wirklich mal schreiben sollte. Ich beurteile aber gerne „Versteh einer die Deutschen“, ebenso wie den Vorgänger „Ich komm auf Deutschland zu“ als gutes und wichtiges Buch. Es vermittelt den Leser/innen – egal welcher Herkunft – neue Perspektiven, beschert ihnen neue Erkenntnisse und motiviert sie hoffentlich, sich zusammen mit anderen dafür einzusetzen, was einem nach der Lektüre alles andere als utopisch vorkommt: Mehr Miteinander, weniger Vorurteile, mehr aufeinander zugehen statt übereinander zu schimpfen, mehr kennenlernen als abzulehnen. Warum wir dann, laut Firas, alle „Kartoffelhelden“ wären, lest ihr am besten selber.
fl