Sie machen in Deutschland 50 Prozent der Bevölkerung aus. In ein Bürgermeister/in-Büro haben es circa 20 Prozent geschafft, gut 30 Prozent in den Bundestag oder den Aufsichtsrat einer der 200 größten Firmen. Sie verdienen im Durchschnitt 20 Prozent weniger als ihre Kollegen, übernehmen aber täglich über 50 Prozent mehr an, natürlich unbezahlter Arbeit in Haushalt, Erziehung und Pflege als ihre Partner. Wie muss mann da gestrickt sein, sich von Frauen bedroht zu fühlen, die viel zu beschäftigt sein dürften, sich mit ihren eigenen Rechten zu befassen,  sie einzufordern und durchzusetzen, als dass sie noch Zeit und Energie hätten, Männern irgendwelche Rechte streitig machen zu wollen?

Ja, solche Männer gibt es. Weltweit, gut vernetzt in ihrer Mischung aus Frauenfeindlichkeit, Antifeminismus, Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus zunehmend gefährlich,  wie Tobias Ginsburg nach ausgiebiger Undercover-Recherche, nicht nur in Deutschland, in seinem Buch „Die letzten Männer des Westens – Antifeministen, rechte Männerbünde und die Krieger des Patriarchats“ beschreibt. Wie diese selbsternannten Krieger ticken wird in einem erschreckenden Beispiel ziemlich zu Anfang des Buches deutlich, als Ginsburg von einer Veranstaltung des FDP nahen Vereins „Liberale Männer“ berichtet.

Achtung, Triggerwarnung!

Dort bezeichnete ein Redner es als „Genitalverstümmelung“, wenn eine Frau sich mit einem gezielten Tritt gegen einen Vergewaltiger wehrt und empfiehlt gleichzeitig, dass Männer ebenfalls zutreten sollen um sich gegen gewaltbereite Frauen zu wehren können, die ihre Autos zu zerkratzen drohen.

Zitat auf Seite 51: So ein „Tritt gegen die Klitoris“ würde Wunder wirken. Sicher, die Frau „dort günstig zu treffen“ sei bedeutend schwerer als bei einem Mann, aber dafür nicht ansatzweise so inhuman: „Denn bei einem Mann sind zerstörte Genitalien langfristig. Er wird auf Dauer seines Lebens zeugungs- oder geschlechtsunfähig sein. Wenn hingegen die Klitoris zerstört wird, zieht das wohl in den Bauchraum rein, aber die Frau kann natürlich noch Kinder austragen.

Das war das erste, aber nicht letzte  Mal, dass ich überlegt habe, das Buch zuzuschlagen und wegzulegen. Ich habe mich dagegen entschieden, weil ich es für wichtig halte, nicht nur um von den offensichtlichen Erscheinungen von Frauenfeindlichkeit zu wissen, sondern auch von der seltener beschriebenen Verbreitung und Vernetzung.

Bekannt, nicht zuletzt durch Terroristen wie Anders Breivink (Utøya) und Stefan B. (Halle), sind die selbsternannten Incels (involuntary celibates), die ihr „unfreiwilliges Zölibat“ den gemeinen, fiesen, selbstsüchtigen Frauen zuschieben, anstatt mal drüber nachzudenken, ob regelmäßiges Duschen, gepflegte Kleidung und angemessene Umgangsformen ihr Leiden nicht beenden könnte. Ganz ehrlich: immer, wenn ich deren Jammerei irgendwo lese, fällt mir als erstes der dumme Spruch ein, „wer poppen will, muss freundlich sein“ (nicht meine Wortwahl, der Spruch lautet so – oder ähnlich, wobei die Abwandlungen auch nicht besser klingen).

Weniger bekannt ist die Frauenfeindlichkeit in stramm rechten Männerbünden, angefangen von dem bereits erwähnten politischen Verein und Gleichgesinten in der AfD, über radikale, angebliche „Lebensschützer“ (ebenfalls mit AfD-Beteiligug) bis hin zu ewiggestrigen, rassistischen Studentenverbindung, gerne auch von der Sorte, die mit Säbeln aufeinander losgehen, um sich freiwillig ihre Gesichter zu verunstalten.

Und kaum bekannt sind die internationalen Netzwerke, Verflechtungen und Kollaborationen der misogynen Paschas und ihren weiblichen Mitstreiterinnen, die emanzipatorisch irgendwo in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts stecken geblieben sind.

Die von Tobias Ginsburg geschilderten Erlebnisse und Begegnungen sorgen allerdings dafür, dass der Kampf gegen den Feminismus, und damit gegen selbstbewusste und selbstbestimmte Frauen nicht länger im Verborgenen bleibt. Und das ist m. E. sehr wichtig, denn neben ihrer Frauenfeindlichkeit eint die Protagonisten der Bewegung auch ein unverblümter Rechtsextremismus mit den bekannten Begleiterscheinungen wie eben Rassismus, aber auch Antisemitismus und Queer-Feindlichkeit.

Es ist ganz sicher keine leichte Lektüre, unterhaltsam schon mal gar nicht. Dennoch eine glasklare Empfehlung von mir, denn die Fakten sind gut recherchiert und dargestellt, wobei Ginsburg dafür ein besonderer Dank gebührt. Sich als Jude undercover unter bierseelige Rechtsextreme zu mischen, hätte auch ganz böse enden können.

Dass sich einiges in dem Buch wiederholt, liegt nicht am Autor, sondern an der Ausbreitung des Antifeminismus und immer gleichen Motiven von Männern, die sich selber durchaus als Helden stilisieren, sich aber sehr schnell als, mit Verlaub, Schlappschwänze entlarven. Einerseits neigen sie zwar zu Brutalität und Ausübung körperlicher Gewalt, andererseits haben sie aber nicht mehr zu bieten, als ihre eigentliche Erfolgslosigkeit und ihre Furcht vor selbstbewussten Frauen zu bejammern, statt mal selber selbstbewusst genug zu werden sich um soziale und gesellschaftliche Anerkennung zu bemühen. Unentwegtes und unbegründetes Mimimi ist da keine erfolgversprechende Ausgangsposition.  

fl