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Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

Monat

September 2019

Nur ohne Mehlschwitze

„Wenn ich mal groß bin, dann esse ich das nie!“ Ganz bestimmt bin ich nicht die Einzige, die sich das in Kindertagen geschworen hat, hoffentlich aber auch nicht die Einzige, die diesen Schwur gebrochen hat. Ich gehöre ja noch zu der Generation, bei der „Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt“, zum Erziehungskonzept gehörte. Glücklicherweise nicht mit den Auswüchsen, dass ich mit zunehmendem Brechreiz vor einem Mittagessen sitzen musste, dessen Optik sich im Laufe von Stunden immer mehr dem verhassten Geschmack anpasste. Nein, es gab für mich sogar zwei Ausnahmen von der Regel: Linsensuppe und Dicke Bohnen. Wenn diese Leibspeisen meines Vaters auf dem Speiseplan standen, bekam ich im ersten Fall irgendwelche Reste vom Vortag und im zweiten Fall ein Spiegelei zu den bereits vorhandenen Salzkartoffeln.

Ich war deutlich über 40 Jahre alt, als ich zum Ersten Mal Linsen gegessen habe, und zwar aus Versehen auf der dämmrigen Restaurant-Terrasse vor dem historischen Rathaus in Tallin, als ich ein Beilagen-Türmchen, dessen Farbe sich dem schwindenden Tageslicht angepasst hatte, optisch nicht identifizieren konnte. Wenn’s ums Essen geht, bin ich  durchaus mutig, es gibt wenig, das ich nicht probiere. Zu meinem Erstaunen waren es Linsen, die sich geschmacklich erfreulich von der braunen Suppe unterschied, die traditionell mit einem ordentlichen Schuss Essig angeblich verfeinert werden musste.

Braune Linsen sind auch heute noch nicht unbedingt mein Lieblingsgericht, sondern stehen auf der Hitliste irgendwo in der Mitte. Aber Spaghetti Bolognese, bei der das Hackfleisch durch rote Linsen ersetzt wird, stehen schon deutlich höher, werden aber noch von diversen Salaten mit den niedlichen schwarzen Beluga-Linsen übertroffen.

Nur Dicke Bohnen hatten weiterhin das Prädikat „kriege ich nicht durch den Hals“, denn die kannte ich nur aus der Dose mit einer dicken Mehlpampe und noch dickeren Speckstücken, die nach dem Kochen in nicht ganz so dicke Scheiben geschnitten wurden. Bohnenkraut tat sein Übriges, mir das Gericht gründlich zu vermiesen.

Neugierig machte mich eine junge Iranerin, die mir ein Rezept aus ihrer Heimat empfahl (den Spruch mit der Integration, die dick macht, erspare ich euch an dieser Stelle mal) , allerdings mit einer Bohnensorte, deren deutsche Bezeichnung wir nicht herausfinden konnten, so dass sich der Einkauf schwierig gestaltete. Dicke Bohnen wiesen durchaus eine Ähnlichkeit auf. Nur in der Dose kommen die mir garantiert nicht über die Schwelle, so dass ich mich für TK-Ware entschied, die, wie im Rezept vorgesehen, schon gepellt war.

Das Rezept sieht Knoblauch vor, also schon mal vielversprechend, denn Knoblauch geht bei mir immer (außer in Süßspeisen, egal wie die Rezeptbilder aussehen). In diesem Fall angedünstet in Ghee zusammen mit den Bohnen und Gewürzen wie Kurkuma, Sumak, einer Spur Minze, getrocknetem Dill und natürlich Salz und Pfeffer. Schade, dass ich nie erleben werde, wie meine Mutter auf den Anblick dieser Mischung reagiert hätte. Mit einem kleinen Glas Brühe fünf Minuten gekocht, dann vorsichtig zwei Eier in den Topf gegeben und stocken lassen ist von ihrer Mehlschwitzensauce natürlich meilenweit, in dem Fall Kontinente weit, entfernt. Und Reis als Beilage zu Dicken Bohnen hätte meinen Vater wahrscheinlich an meiner kulinarischen Zurechnungsfähigkeit zweifeln lassen.

Was soll ich sagen? Es hat hervorragend geschmeckt, und gehört ab sofort zu meinen immer wiederkehrenden Alltagsgerichten. Irgendwie bin ich ganz froh, dass ich in meiner Kindheit nicht mehr Gemüsesorten in der Kategorie „Geht gar nicht“ hatte. Wer weiß, was mir im Laufe von Jahrzehnten noch so entgangen wäre.

Liebe Eltern, wenn ihr beim nächsten Mal lange Debatten mit eurer heimischen Tischgesellschaft über die Vorzüge und Nachteile bestimmter Gemüsesorten führt, denkt dran: es wird besser, auch eure Kinder werden irgendwann mal auf den Geschmack kommen. Wenn ihr Glück habt, früh genug, dass ihr das noch miterlebt.

Auf besonderen Wunsch eines einzelnen Büchereileiters hier das Rezept im Detail für 2 Portionen, das ein bisschen vom Original abweicht:

2 Tassen Reis, mit ½ TL Salz, und wer (wie ich) mag 1 TL „7Gewürze“ aus dem türkisch/arabischen Laden in 4 Tassen Wasser garen.
300 g Dicke Bohnen ohne Schale
1 EL Ghee (wer Öl nimmt, bekommt ein veganes Gericht)
2 Zehen Knoblauch (die Diskussion ob zerquetscht oder feinst gewürfelt überlasse ich anderen, ich benutze nach wie vor die Knoblauchpresse
½ TL Kurkuma
eine große Prise Sumak
eine kleine Prise getrocknete Minze
1 TL getrockneter (in dem Fall die richtige Wahl) Dill
Salz und Pfeffer
150 ml Gemüsebrühe
2 Eier

Die aufgetauten Bohnen mit den Gewürzen im Ghee/Öl andünsten Brühe dazu geben und aufkochen lassen. Gut fünf Minuten garen lassen, dann vorsichtig zwei Eier auf das Gemüse geben (ich schlage sie vorsichtshalber in der Tasse auf und lasse sie in den Topf gleiten). Jetzt auf gar keinen Fall umrühren, sondern Deckel auf den Topf und die Eier stocken lassen.

Wenn ihr es ausprobiert, lasst mich bitte wissen, wie es euch geschmeckt hat. Dicke-Bohnen-Phobiker/innen natürlich zuerst.

P.S.: Gekocht, gegessen und beschrieben mit ganz liebem Dank an Mehrnaz!

fl

Spätstück im Lieblingscafé

Da sitze ich jetzt an meinem 85. Beitrag für diesen Blog (ja, die Statistik, die wordpress liefert, ist sehr interessant, auch wenn ich die Zahlen nur zur Kenntnis nehme, ohne sie nutzen zu wollen) und habe schon zigmal meinen Senf irgendwo dazu gegeben. Ich habe in über drei Jahren hin und wieder kleine Einblicke in meine Lebensverhältnisse und mein Privatleben gegen, habe sehr oft meine Auffassung und meine Meinung deutlich gemacht, aber Eines habe ich bisher schlicht vergessen: euch von meinem Lieblingscafé vorzuschwärmen.

Auch wenn die Optik es nicht unbedingt vermuten lässt, bin ich jetzt kein ausgesprochener Fan von Kaffeeklatsch mit Sahnetorte und anderem Kuchen. Ein ausgiebiges, abwechslungsreiches Frühstück, bitte nicht zu früh am Morgen, also eher ein Spätstück (Danke liebe Itzi für diese schöne Wortschöpfung, woher auch immer du sie hast), steht dagegen sehr weit oben auf der Hitliste der von mir bevorzugten Schlemmereien.

Und da gibt es wirklich keinen besseren Ort, um diese Vorliebe auszuleben, als in meinem Lieblingscafé Knitterfrei direkt neben der schönsten Bücherei im Ort.

Bekanntlich hat sich diese, als sie im historischen, aber viel zu kleinen Gebäude aus allen Nähten platzte, vor nunmehr gut fünf Jahren in einem ehemaligen Lebensmittel-Supermarkt etabliert. Ein beträchtlicher Teil meiner Blogbeiträge ist im Bereich der ehemaligen Fleischtheke entstanden, obwohl ich den Gedanken an Gulasch oder Würstchen gar nicht so inspirierend finde. Jedenfalls haben jetzt sämtliche Medien, ebenso wie die Mitarbeiter/innen und erst recht die Besucher/innen, auch mit Rollstuhl oder Kinderwagen, ausreichend Platz. Aber trotzdem war damit die Supermarktfläche noch nicht voll.

Eine Chance für den besten Büchereileiter vor Ort, seinen Herzenswunsch nach einem Lesecafé zu verwirklichen, die er sich nicht entgehen lassen konnte. Kaffee kochen allerdings sollte sein ohnehin schon reichliches Arbeitspensum nicht belasten, so dass nach einigen Verhandlungen mit der Caritas ein für Ochtrup einmaliges Angebot aus der Taufe gehoben werden konnte. Die Caritas-Werkstätten konnten nicht nur ihre Heißmangel in die Stadtmitte verlegen und in einem Werkstatt-Laden Produkte aus den Werkstätten ausstellen und verkaufen, sondern es gibt mit dem Café Knitterfrei den ersten und bisher einzigen integrativen Gastronomie-Betrieb im Ort. Und davon nur durch eine, während der Öffnungszeiten immer weit offenstehende Glastür getrennt ist das Lesecafé der Bücherei, dessen Besucher/innen vom Knitterfrei bewirtet werden. Kaffee, Tee, kalte Getränke, auch mal ein Stück Kuchen oder ein belegtes Brötchen, während man in Zeitschriften blättert, oder sich im neuesten Bestseller vertieft, das Angebot wird gerne angenommen.

Und ebenso gerne wird mein Lieblingsangebot von den Gästen angenommen, das Spätstück, oft auch früher am Morgen. Ich finde es einfach wunderschön, mich dort mal bei Brötchen, Käse (den Aufschnitt überlasse ich meinem Gegenüber), Ei, Saft und Tee (den Kaffee überlasse ich ebenfalls meinem Gegenüber) mit Freundinnen festzuquatschen bis zum Abwinken. Aber auch für gemeinsame Planungen und Absprachen mit Kooperations-Partner/innen ist es, dann als „Arbeitsfrühstück“ deklariert, eine tolle Sache.

Und ja, so ein ähnliches Frühstück gibt es auch woanders im Städtchen, allerdings nicht zu dem unschlagbar günstigen Preis und bestimmt nicht mit der Hingabe, mit der ich, ebenso wie alle anderen Gäste, dort regelrecht betüddelt werde. Sonderwünsche? Aber gerne doch, werden im Rahmen der Möglichkeit umgehend freudestrahlend erfüllt. Regelmäßiges Nachfragen, ob noch etwas fehle, und ob man zufrieden sei, ist ebenfalls selbstverständlich.

Und noch etwas empfinde ich als wohltuende Besonderheit: die Abwesenheit von Unzufriedenheit und Stress. Ja gut, an manchen Tagen, kommt schon mal ein bisschen Nervosität bei den Mitarbeiter/innen auf, wenn der Andrang so groß ist, dass das Bücherei-Forum als Ausweichquartier benötigt werden muss. Kleine Anmerkung: Viel besser ist die gute Zusammenarbeit beider Einrichtungen wohl nicht zu beschreiben.

Ansonsten aber geht es im Knitterfrei immer etwas langsamer zu, was daran liegt, dass keine/r der Mitarbeiter/innen eine gastronomische Ausbildung hat und auch daran, dass Handicaps nicht unbedingt die beste Voraussetzung dafür sind, mehr als ein Gedeck oder eine Tasse mit Untertasse zu servieren. Also lieber etwas langsamer, aber dafür ist es im Knitterfrei dann auch fast immer kleckerfrei.

Alles in allem also eine Atmosphäre, in der es nicht darum geht, dass schnell Platz gemacht werden muss für den nächsten Gast, dass selbiger für möglichst viel Umsatz sorgen soll, sondern eine Atmosphäre des Willkommen Fühlens und dem Bemühen, dass sich alle wohlfühlen, egal ob an der Kaffeemaschine oder am Tisch. Außerdem schmeckt es im Knitterfrei immer hervorragend, und so ein Spätstück ist so opulent, dass auch wenn es zu Frühstückszeiten serviert wurde, das Mittagessen noch ausfallen kann.

fl

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