Wie so viele andere Lichtblicke auf dem Weg zu einer hoffentlich baldigen Post-Corona-Zeit gehören die unterschiedlichsten Veranstaltungen, wie Konzerte, Ausstellungen und Messen mit leibhaftigem Publikum. Freunde von mir haben auf der Spielemesse ihre Bankkarte zwar nicht gerade glühen aber schon ordentlich zum Einsatz kommen lassen und freuten sich, dass sie endlich, das schon für das vergangene Jahr veranschlagte Budget für  bunte Pappkartons mit unterschiedlichstem Inhalt und ganz, ganz vielen spannenden und unterhaltsamen Stunden ausgeben konnten.

Die Veranstalter/innen von Großevents haben sich viele Gedanken gemacht und Ideen umgesetzt, wie nach der Zwangspause Pandemie-Regeln in die Abläufe einzubringen sind, aber vor allem natürlich welche Angebote wie  zeitgemäß präsentiert werden können. Nur die Frankfurter Buchmesse hat augenscheinlich vergessen, dass Rassismus und Hass auf Andersdenkende in Zeiten von gewalttätigen Corona-Schwurblern genauso ein Problem sein dürfte, wie vor der Pandemie.

Frankfurter Buchmesse 2017, Quelle: stern.de

Ich habe als weiße Frau in einer Kleinstadt im Westmünsterland glücklicherweise keine Erfahrung mit rassistischen Beschimpfungen und kann sicher nicht wirklich nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn einem „Sei dankbar, dass wir dich von den Bäumen geholt haben, Drecksviech!“ und „Sklavenhändler hinbestellen mitnehmen lassen.” vor den Latz geknallt und die Ausweisung einer zwischen Sauerland und Ruhrgebiet geborenen Staatsbürgerin gefordert wird. Und ich kann auch nur ansatzweise nachvollziehen, wenn eine schwarze Autorin Angst um sich und ihre Kinder hat, wenn nach Morddrohungen von rechten *** (Selbstzensur) ihre Privatadresse im Netz veröffentlicht wird. Ich weiß aber ganz sicher, dass ich mich ganz sicher nicht mit solchen Hetzer/innen in einem Raum aufhalten würde.

Ja, ich finde es bedrückend, wenn Janina Kuhnert bei einer öffentlichen TV-Veranstaltung auf der Buchmesse vorab nicht namentlich genannt, sondern als Überraschungsgast angekündigt wird, um ihre persönliche Sicherheit nicht zu gefährden. Und ich habe großes Verständnis, dass ihr ihre Sicherheit wichtiger ist als Promotion für ihr Buch, wenn einer derjenigen, die ihre Ausweisung forderte, als Verleger mit einem Stand an prominenter Stelle in direkter Nähe zum „Blauen Sofa“ platziert ist. Nach 2017 sollten die Verantwortlichen wissen, wie Gesinnungsfreund/innen rechtsextremer Verlage mit Meinungsfreiheit umgehen, die man mit deren Teilnahme unter Beweis zu stellen glaubt. Nicht nur Kuhnert auch andere schwarze Autor/innen und haben ihre Teilnahme an der Buchmesse – sicherlich schweren Herzens – abgesagt, ebenso wie weiße für ihren Einsatz für Menschenrechte bekannte  eingeladene Gäste.

Und natürlich heulen gewisse Kreise jetzt sofort wieder über Cancel Culture, statt sich mal Gedanken zu machen, dass Bedrohungen von Kulturschaffenden genau dahin führen. Und es entzündet sich die siebentausenddrölfzigste Debatte über Meinungsfreiheit und deren Grenzen. Nicht falsch verstehen, ich finde sie wichtig, wünsche mir aber, dass sie auch zielführend sein sollen.

Der rechte Verlag, dessen Teilnahme an der Buchmesse so viele Fragen und Proteste aufwirft, gehört einem Mann, über den man auf Wikipedia erfährt: „Philip Stein (* 1991 in Fritzlar) ist ein rechtsextremer deutscher Verleger und Aktivist im Kontext der Neuen Rechten und der Alternative für Deutschland. Er gilt als „ultrarechter Burschenschafter“, „völkischer Stratege“ und „rechter Netzwerker“. Er war Pressesprecher der Deutschen Burschenschaft (DB) und ist Leiter des rechtsextremen Gemeinschafts-Projekts Ein Prozent für unser Land.“ Der Initiative „Ein Prozent“ bescheinigte das Oberlandesgericht Dresden übrigens im vergangenen Jahr, dass sie „nicht nur die Hassorganisation „Identitäre Bewegung“ unterstützt habe, sondern selbst eine Hassorgansiation sei“.

Selbstverständlich ist es richtig und wichtig, wenn so eine renommierte Veranstaltung wie die Frankfurter Buchmesse das gesamte gesellschaftliche und politische Meinungsspektrum von rechts bis links abbildet und Debatten zwischen Linken und Rechten eine Bühne bietet. Voraussetzung muss aber m. E.  sein, dass sich ausnahmslos alle Verlage, deren Mitarbeiter/innen und Autor/innen an Gesetze und Bestimmungen halten, allen voran das Grundgesetz. Extremistischen Büchermacher/innen, gut vernetzt mit nachgewiesen verfassungsfeindlichen Organisationen, eine öffentliche, viel beachtete Bühne zu bieten hat aber nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, denn Rassismus, Antisemitismus und Faschismus sind keine Meinungen, sondern Verbrechen. Ich feiere jeden Verlag auf der Frankfurter Buchmesse, der das zum Ausdruck bringt.

fl