Suche

Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

Monat

Juli 2018

Sommer eben

Ende Juli 2018, das WDR-Fernsehen bringt eine Sondersendung. Thema: Sommer in NRW. Ich bin dankbar, dass die TV-Macher mich darauf aufmerksam gemacht haben, dass ein jährlich wiederkehrendes Phänomen aufgetreten ist. Die Informationen, dass die Sonne vom Himmel ballert wie selten, und das es schweineheiß ist, brauchte ich sicher auch ganz dringend aus dem Fernsehen.

Da habe ich mich gerade abgeregt über den Medienhype um einen Fußballer, der sich dämlicherweise mit dem türkischen Despoten hat fotografieren lassen und jetzt nicht mehr in einer Nationalmannschaft spielt, die ohnehin zuletzt auf Zweit-Liga-Niveau kickte, da kommt mir ein Fernsehsender mit sowas. Mal ganz im Ernst: Für wie doof halten mich diese Leute, die mich aus dem per Klimaanlage wohltemperierten Studio heraus darüber aufklären, dass es zwar – welch Überraschung im Juli –  sommerlich heiß ist, wahre Hitzerekorde aber nicht in Sicht sind. Glauben sie tatsächlich, ähnlich wie ihre Kolleg/innen der schreibenden Zunft, ohne ihre Dokumentationen und Berichte (mit oft sicht- und lesbar geringem Recherche-Aufwand) wären mir diese bahnbrechenden Informationen entgangen, hätte ich nicht mal geahnt, dass in Freibädern Hochbetrieb herrscht und ausreichender Hautschutz  zur Zeit besonders wichtig ist?

Gewisses Nervpotential erkenne ich inzwischen auch, wenn persönliche Gespräche in Rekordzeit in eher überflüssige, als Mitleid erregende Stöhnerei darüber, wie sehr man doch schwitzen muss, ausartet. Ja, die Suppe läuft, aber das ist wahrlich kein Einzelschicksal, sondern betrifft alle. Anlass zum Stöhnen bieten da bestenfalls die Menschen, die nicht wahrhaben wollen oder können, wann ein vermehrter Einsatz von Wasser und Seife im Unterarmbereich dringend geboten ist, und dass der Einsatz von Deodorant diesen keinesfalls ersetzen kann.

Wirklich bedauernswert sind derzeit vor allem die Menschen in den griechischen Waldbrand-Gebieten und die Landwirte, für die sich der Arbeitseinsatz in diesem Jahr nur zu einem geringeren Teil als üblich gelohnt hat. Es gibt auch andere Berufsgruppen, die unter der derzeitigen Hitze besonders zu leiden haben, komischerweise hört man die eher selten stöhnen.

Mal davon abgesehen: was soll es bringen, sich gegenseitig zu schildern, wie warm es in der Küche, im Wohnzimmer und im Schlafzimmer ist? Ändert sich dadurch irgend etwas? Wird es dadurch für ein paar Sekündenchen kühler? Also bitte, spart Euch das und nutzt die Energie, Bewohner/innen von Dachgeschoß-Wohnungen, wie mich, von Herzen zu bedauern.

Temperaturen von um die 30 Grad abends um 23 Uhr in der Wohnung sind wirklich kein Spaß. Stöhne ich? Nein, ich erfinde merkwürdige Konstruktionen in der Hoffnung, dass ein Eimer kaltes Wasser hinter dem Ventilenti dafür sorgt, dass er nicht nur die warme Luft im Wohnzimmer verquirlt. Ansonsten leide ich (fast) still vor mich hin oder schreibe einen Blogbeitrag darüber, wie schrecklich heiß es doch zur Zeit ist.

fl

Hitze
Wenn man fest dran glaubt, wird es dank des Wassereimers und nicht unbeträchtlichen Stromverbrauchs um etwa zwei Grad kälter unterm Dach

 

Das Grauen kehrt zurück – oft in braun-beige

Der Inbegriff an Spießigkeit aus meinen jungen Jahren feiert eine Wiederauferstehung und teilt mit mir ein Schicksal: Im Laufe von Jahrzehnten sind wir beide nicht schöner geworden. Ich aber hoffentlich deutlich weniger spießig.

Die Rede ist von Makramee, einer Freizeitbeschäftigung, bei der – meist eher grobe  – Seile mittels Knoten ineinander verschlungen werden, mit dem Ergebnis irgendwelcher sinnloser Objekte, die eher selten durch einen angenehmen Anblick überzeugen, aber trotzdem wieder in deutschen Wohnzimmern zu finden sind. Wikipedia fasst das wie folgt zusammen: Makramee bezeichnet eine aus dem Orient kommende Knüpftechnik zur Herstellung von Ornamenten, Textilien oder Schmuck. Mit den Kreuzrittern und den Mauren (über Spanien) gelangte diese Technik nach Europa. Hier erlebte sie seitdem mehrere Blütezeiten, in denen zum Teil sehr feine Knotarbeiten entstanden. Die letzte Blütezeit in Deutschland lag in den 1970er Jahren, mit meist sehr rustikal anmutenden Arbeiten.

Tja, leider erleben gerade die „rustikal anmutenden Arbeiten“ (klingt netter als grottenhässlich, oder?) derzeit eine neue Blütezeit. Gab es früher kleine Bastelheftchen mit Anleitungen für merkwürdige Dinge, die man an die Wand hängen konnte, gibt es heute im Internet eine Vielzahl von Filmen, bei denen die Zuschauer/innen Knoten für Knoten nachknüpfen können. Heraus kommen dann meistens irgendwelche merkwürdigen Dinge, die man an die Wand hängen kann. Verblüffend ist auch die aktuelle Zahl neuer gedruckter Ratgeber für den kreativen Umgang mit rauen Seilen. Allein bei einem großen Versandhandel, der in Deutschland enorme Gewinne macht, aber wenig Steuern bezahlt, sind über 250 Titel im Angebot.

Und natürlich beschränken sich die Vorschläge für die Ergebnisse von vielen Knoten nicht nur auf merkwürdige Dinge, die man an die Wand hängen kann. Da gibt es beispielsweise auch Kissen, die ganz bestimmt beim kleinen Nickerchen auf dem Wohnzimmer-Sofa interessante Wangenmuster hinterlassen. Und nicht nur zwischen zwei Ästen verschlungene Seile feiern Renaissance, bei denen nicht selten die Erklärung der Hobbykünstler erforderlich ist, um wenigstens vermuten zu können, das es sich um das Abbild von Eulen handeln könnte. Nein es geht noch schlimmer. Ich sag nur BLUMENAMPELN!!! Und hülle mich in höfliches Schweigen, um nicht einen neuen Rekord an mit Schimpfwörtern gespickten, abfälligen Bemerkungen in einem einzigen Blogbeitrag aufzustellen.

fl

Makramee

Vegetarier brauchen keine Extrawurst

„Boooaaah, dann stopf dir doch den Mund voll mit deinem makrobiotischbiodynamischen, bei abnehmendem Neumond mit in der Quelle des Amazonas energetisierten Natursteinen gemörserten Brotaufstrich. Aber bitte so voll, dass du dann nur noch schweigend kauen kannst.“ Nur der – bestimmt nicht immer mühelosen – Erziehung meiner Eltern zu Höflichkeit und netten Umgangsformen ist es zu verdanken, dass ich solche Gedanken für mich behalte, wenn mir mal wieder jemand mit viel missionarischem Eifer und häufig noch mehr Wissenslücken den neuesten, nicht nur besonders gesunden, vor allem aber besonders angesagten Ernährungstrend schmackhaft machen will.

Nein, ich habe überhaupt nichts gegen Vegetarierer/innen und Veganer/innen*. Sie können essen, was immer sie wollen, solange sie nicht meinen, jeden, den es nicht interessiert, davon in Kenntnis setzen zu müssen. Gerade bei Veganern fällt mir häufig eine überhebliche und selbstherrliche Attitüde auf, mit der sie deutlich machen wollen, die besseren Menschen zu sein, weil sie mit dem Verzicht auf alle tierischen Produkte Natur und Umwelt viel mehr schonen, als alle anderen Menschen mit einem ökologischen Bewusstsein zusammen. Äh nö, es ist kein wirksamer Umweltschutz, wenn die Alternativen für Wolle, Federn oder Leder den Plastikberg weiterhin anwachsen lassen, dessen Herstellung ja nun auch nicht gerade eine Wohltat für Luft und Boden ist.

Da lob ich mir doch ganz lockere Vegetarier, wie die 16jährige Büchereipraktikantin, die in einem Gespräch über Kochbücher und Kochen mal so ganz am Rande erwähnte „Bei uns Zuhause isst niemand Fleisch.“ Das sich daraus ergebende Gespräch war dann ausschließlich meiner Neug…, äh meinem Interesse geschuldet, und wahrlich nicht einem unerwünschten Mitteilungsbedürfnis meines Gegenübers, denn da ist Fehlanzeige.

VegetarischIn Naemis Familie leben drei Generationen vegetarisch, die Jüngeren von Geburt an. Entsprechend selbstverständlich ist das Weglassen von Fleisch auf dem Speiseplan, als Verzicht wird das nicht empfunden. Schließlich bietet das Angebot an Lebensmitteln in diesem Land eine derart große Palette, dass die Familie auch keinen Bedarf an Ersatzprodukten wie vegetarische „Würstchen“ oder „Schnitzel“ sieht. Wer die nie probiert hat: Menschen mit durchschnittlichem Geschmacksempfinden dürften lieber nahezu jeden „Verzicht“ in Kauf nehmen, als sich das anzutun. Bei den wohlschmeckenden Ausnahmen vergeht einem leider beim Anblick der Zutatenliste schon der Appetit. Ja, ich habe blöderweise erst gegessen und dann gelesen. Die alte Römer-Weisheit „Ein voller Bauch studiert nicht gern“ zählt da wohl nicht als Erklärung/Entschuldigung.

Aus der Ernährungsweise macht in Naemis Familie, die ich spontan zu meinem Lieblingsbeispiel für sehr sozialverträgliche Umgang mit alternativen Ernährungsformen erklären möchte, kein Geheimnis. Naemi: „Wenn mich jemand fragt, gebe ich natürlich Antwort und führe auch längere Gespräche zu dem Thema. Ansonsten ist das aber meine Sache, die ich von mir aus nicht thematisieren muss“.

Ach, liebe Veganer missionarischen Blogger und (bei mir besonders beliebt) selbst ernannte „Influencerinnen“, könnt Ihr Euch bitte mal ein Beispiel an der 16jährigen nehmen? Und liebe Leute, die ihr auf Essenseinladungen mit einer langen Liste unerwünschter Lebensmittel und Zutaten reagiert, könnt Ihr Euch auch bitte ein Beispiel an eben dieser 16jährigen nehmen, wenn sie feststellt „Vegetarier brauchen keine Extrawurst.“?

fl

*Ab dieser Zeile bitte ich die geneigte Leser/innenschaft ;-), sich das „/innen“ zu denken.

Erstelle kostenlos eine Website oder ein Blog auf WordPress.com.

Nach oben ↑