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Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

Monat

März 2020

Schick oder lieber solidarisch?

Es ist ein paar Wochen her, dass ich verkündete „Wenn mir beim Einkaufen demnächst jemand mit Schutzmaske begegnet, der das Ding nur wegen Corona trägt, den lache ich aus.“ Ein paar weniger Wochen ist es her, dass eine Freundin mir den Link zu einer mit (vermutlich) chinesischen Schriftzeichen betitelte und zum Glück nur mit Musik hinterlegte Nähanleitung auf Video zuschickte und wir beide witzelten, ob ich nicht lieber mal wieder im Wohnzimmer Staub putzen sollte, als so etwas zu tragen.

Inzwischen habe ich einiges dazu gelernt (unter anderem und nicht zum ersten Mal im Leben, dass unbedarfte Großspurigkeit nicht gerade das Gebot der Stunde ist), und fange an, mich ernsthaft mit dem Thema Mund- und Nasenschutz zu befassen. Wie bei vielen Aspekten rund um das Thema Corona war auch da ein Podcast von Christian Drosten ebenso interessant wie erhellend. Das trifft m. E. auch auf alle anderen Folgen zu, denn der Leiter der Virologie an der Berliner Charité erklärt nicht nur wissenschaftliche Zusammenhänge so gut, dass selbst ich sie verstehen kann, sondern vermittelt auch, dass wir (leider) keine Wunder erwarten können, und deshalb Geduld anstatt von Panikmache, Fake-News, Ignoranz oder Verharmlosung angesagt ist. Ich kenne einige Leute, die jeden Mittag schon gespannt auf die nächste Folge mit ihm warten, und auch welche, die ihn wahlweise am liebsten adoptieren oder heiraten möchten.

Jedenfalls hat dieser Fachmann einige Gedanken geäußert, denen ich gut folgen kann. Nämlich, dass ein Stück Stoff vor Mund und Nase, egal ob Schal, ein oben abgeschnittenes und zusammengezuppeltes T-Shirt oder eine selbstgenähte Maske, in erster Linie ein Zeichen von Rücksichtnahme und Solidarität sind. Hauptsache medizinische Masken bleiben denen vorbehalten, die sie als Mediziner/innen und Pfleger/innen dringend benötigen, während für alle anderen beim Einkaufen oder beim Gang zur Bank oder Post eben ein Do it yourself-Exemplar völlig ausreicht.

Es dürfte für treue Leser/innen keine große Überraschung sein, dass ich jetzt mal wissen wollte, wie sich so ein Ding anfühlt, und mich deshalb an die Nähmaschine gesetzt habe. Vorher habe ich mal wieder feststellen dürfen, dass das Internet nicht umsonst die Bezeichnung weltweit trägt, als ich mich auf die Suche nach einer Anleitung gemacht habe. Ebenfalls keineswegs überraschend, dass ich mich für eine recht einfache Variante ohne präzise Falten und akkurat genähte Einfassung entschieden habe.

Mit jedem Exemplar ging es schneller und sah auch besser aus, denn ja, ich habe inzwischen schon einige Exemplare genäht. Nachdem ich mich in meinem whatsapp-Status mit einem selbstgemalten Smiley auf gelbem Stoff statt Mund und Nase gezeigt hatte, kamen einige Anfrage. Jetzt gibt es nicht nur einen Bänker in Süddeutschland, der mit einer von mir selbstgenähten Maske anderer Leute Geld zählt, sondern eine Freundin kann mit einer Maske passend zum Einkaufsbeutel in den Supermarkt gehen.

Ehrlich gesagt, so wirklich angenehm finde ich es nicht, so ein Ding zu tragen, weil es mir ziemlich schnell ganz schön warm darunter wird, und ich auch ein wenig bewusster atmen muss. Das ist aber nur ein Grund, warum ich bisher vom Hals aufwärts noch „oben ohne“ aushäusig unterwegs bin. Ich hab auch ein bisschen die Befürchtung, irgendjemandem zu begegnen, die/der meint „Wenn mir beim Einkaufen demnächst jemand mit Schutzmaske begegnet, der das Ding nur wegen Corona trägt, den lache ich aus.“

fl

Gutscheine gegen die Krise

Noch gibt es sie, die mittleren, kleineren und ganz kleinen Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe im Städtchen, in dem ich lebe – und natürlich auch anderswo. Fast alle haben schon seit langem zu kämpfen gegen die Geiz-ist-geil-Mentalität in unserer Wegwerf-Gesellschaft, in der Fachwissen, gute Beratung, gute und nachhaltige Qualität kaum eine Rolle spielen, wenn man 50 Cent sparen kann. Ach, wäre das schön, wenn jetzt so manche Leute die zusätzliche Zeit auf dem heimischen Sofa mal nutzen würden, sich ein paar Gedanken zu machen, was das mit unserer Gesellschaft, unserer Wirtschaft und der Umwelt macht.

Hinzukommt aktuell, dass es den Läden, Friseur- und Kosmetiksalons und vielen anderen in der Nachbarschaft gerade finanziell so richtig an den Kragen geht. Ja, es wird staatliche Hilfen geben, aber das sind die entsprechenden Gesetze noch nicht beschlossen, geschweige denn Ausführungsbestimmungen erlassen. Bis da die Antragsteller/innen den ersten Euro auf dem Konto haben, wird es noch einige Zeit dauern. Zeit, in der aber viele Kosten weiterbezahlt werden müssen, die wahrscheinlich bei den allermeisten dieser Gewerbetreibenden ohnehin nicht üppigen Rücklagen sind da schneller weg, als das Klopapier aus den Supermarkt-Regalen.

Ein bisschen kann da jede/r von helfen. Das Geld, das wir momentan vor Ort nicht ausgeben können für ausgiebige Shoppingtouren im Internet auszugeben, ist eine ganz schlechte Idee, wenn wir auch Weihnachten noch im Lieblings-Woll- oder Stoffladen, im bevorzugten Buch- oder Bekleidungs-Handel einkaufen wollen, die Haare weiterhin von der/dem Lieblingsfriseur/in schön gemacht kriegen wollen. Frustkäufe im Netz waren noch nie eine gute Idee, auch nicht in Zeiten von Corona.

Ihr könnt euer Geld nach wie vor im örtlichen Handel ausgeben, auch wenn die Ladentüren geschlossen sind.

Kauft Gutscheine!

Für euch selber, für die, denen ihr immer schon mal ein Zeichen eurer Wertschätzung zukommen lassen wolltet, für die, die Geburtstag haben und für die, denen ihr einfach mal Danke sagen wollt, oder für die, denen ihr den Blumenstrauß zur Zeit nicht direkt geben könnt.

Ihr helft damit nicht nur den Geschäfts-Inhaber/innen, sondern auch deren Mitarbeiter/innen, die vielleicht dann weniger Angst vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes haben müssen.

Ach ja, und ganz wichtig: Wenn ihr die Gutscheine irgendwann mal direkt vor Ort einlösen könnt, denkt daran, dass sie für die nicht stattgefundenen Einkäufe aus der Vergangenheit sind, und jetzt noch on top kommen. Gebt also, wie gewohnt euer Geld vor Ort aus, und gönnt euch zusätzlich etwas für den Gutschein. Was ihr im März oder April für einen Gutschein ausgegeben habt, tut eurem Portemonnaie in ein paar Wochen nicht mehr weh, dann sind Handel und Dienstleistung aber weiter auf treue Kundinnen angewiesen.

Also ran ans Telefon oder an den Mail-Account und klärt mit den Inhaber/innen ab, wie ihr am einfachsten miteinander ins Gutschein-Geschäft kommen könnt. Viel Erfolg dabei für alle Beteiligten!

fl

Mehlwurm an Seifenschaum

Es ist gerade mal zwei Wochen her, dass ich in Sachen Corona einen offenen Brief an die Göttinen und Götter der Katastrophen, Epidemien, Panikmache und Dummheit geschrieben habe, auf den die zwar erwartungs- aber nicht wunschgemäß damit reagiert haben, nochmal Gas zu geben. Ich wüsste ja zu gerne, in welcher Ecke die jetzt hocken und sich ins Fäustchen lachen, darüber, wie dumm Menschen in Zeiten sein können, in denen sie sich mal ein bisschen einschränken müssen und ein bisschen nachdenken sollten.

Ja, ich schreibe bewusst „ein bisschen“ einschränken, wohlwissend, dass nicht wenige derzeit um ihre Existenz und/oder ihren Job bangen. Für die, wie für alle anderen, hoffe ich wirklich das Beste, gebe aber zu bedenken, dass die allermeisten von uns nach wie vor ein warmes Dach überm Kopf, jeden Tagg satt zu essen und Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung haben (nur etwas anders, als noch vor wenigen Wochen). Und anstatt mal einen Moment inne zu halten und für dieses privilegierte Leben dankbar zu sein, gibt es großes Gemecker über Politik, Regierung und Behörden, die selbst, wenn sie ein Anti-Corona-Wunderheilmittel, aus karierten Krokussen extrahieren könnten, alles falsch machen würden. Ja, da sind Fehler gemacht worden und werden voraussichtlich auch noch weiter Fehler gemacht, und es ist sehr, sehr bitter, wenn diese Fehler sogar Menschenleben kosten sollten. Aber weder Experten noch die politisch Verantwortlichen konnten voraussehen, was Covid 19 anzurichten vermag. Sie hatten kaum Zeit sich gründlich vorzubereiten, mussten und müssen viel lernen und betraten Neuland, als Schulen und Einrichtungen geschlossen wurden und das öffentliche Leben in vielen Bereichen praktisch lahmgelegt wurden. Und die Reaktion der Bürger/innen, zu deren Wohl all diese Maßnahmen getroffen wurden? Dummheit, Ignoranz und Rücksichtlosigkeit bei viel zu Vielen.

Hat eigentlich niemand einen Zollstock zu Hause um mal abzumessen, wie lang zwei Meter sind? Laut DIN 33402 (ja, sowas gibt’s, ich hab das extra für euch gegoogelt) ist die Armlänge irgendwas zwischen circa 70 Zentimetern bei Frauen und bis über 80 cm bei hochgewachsenen Männern. Um mir also an der Supermarktkasse jemanden zwei Meter von der Jacke zu halten, ist es mit einmal Hand weit ausstrecken nicht getan. Aber nicht mal die berühmt/berüchtigte eine Armlänge halten viele Menschen ein. Ebenso wenig, wie den dringenden Appell, sich bei schönem Wetter nicht auf Parkbänken zu drubbeln und gelangweilte Halbwüchsige nicht zum Treffen mit der Clique in die Fußgängerzone zu schicken. Der Plausch unter Müttern, manchmal auch Vätern, auf dem Spielplatz ist ebenfalls zu unterlassen. Im Wald kann man mit den Kindern auch sehr gut spielen, muss sich aber daran mehr beteiligen, als in Sandkastennähe.

Das alles kann doch nicht so schwer zu verstehen sein, oder ist es tatsächlich vielen Menschen völlig egal, dass sie möglicherweise für die schwere Erkrankung, wenn nicht gar für den Tod ihres betagten Nachbarn verantwortlich sind, wenn sie alle Bestimmungen und Empfehlungen in den Wind schießen?

Nicht viel weniger fassungslos macht mich, dass auch nach über zwei Wochen diese elenden Hamsterkäufe eher zu- als abgenommen haben. Mir graut vor dem Gedanken, wie viele Lebensmittel im Sommer in die Tonne gekloppt werden, weil in der Tiefkühltruhe Platz für jede Menge Grillfleisch gemacht wird. Außerdem überlege ich, ob die emsigen Käufer/innen von Mehl, Reis, Nudeln, Müsli und Haferflocken schon mal was von Lebensmittelmotten gehört haben. Die einmal im Schrank, und zack ist der komplette Vorrat hin.

Dass in Drogeriemärkten alles, was irgendwie nach Desinfektion aussieht, egal ob für die Kloschüssel, die Waschmaschine oder die Hände anscheinend Kofferraum weise abtransportiert wurde, verwundert ja kaum noch mehr. Aber bitte, warum sind die Regale mit den Seifenstücken leergefegt? Die Leute müssen Vorräte für Jahrzehnte bunkern, wenn man bedenkt, dass es echt lange dauert, bis so ein Seifenstück aufgebraucht ist. So ein bisschen beschleicht mich ja das Gefühl, dass diejenigen, die so viel feste Seife horten, sich bisher eher selten und nicht sonderlich gründlich die Hände gewaschen haben, wenn sie keine Ahnung haben, nach wie vielen Wochen sich auch der letzte Rest in Schaum verwandelt hat. Auch bei mehrmaligem Händewaschen täglich, egal ob man dabei „Happy Birthday“, „Ave Maria“, die Internationale oder „Atemlos“ singt, Hauptsache es dauert mindestens 30 Sekunden.

An „ich, ich, ich“ als oberste Devise fürs Zusammenleben habe ich mich ja nie gewöhnen können und wollen. Wenn jetzt noch ganz viel „haben, haben, haben“ dazu kommt, macht mich das einerseits ganz schön sauer, aber vor allem traurig.

fl

Eigentlich würde ich meinen Hamster-Kumpel ganz gerne mal langsam in Urlaub schicken, er hat ihn sich verdient. Ich fürchte allerdings, ich werde ihn in nächster Zeit noch brauchen.

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