Es waren einige „Aha-Erlebnisse“, die mir die Autorin Sabine Bode mit ihren Büchern über die Nachkriegskinder und -Enkel beschert hat. Ja, ich gehöre auch zur Generation derer, deren Eltern den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben. Meine Mutter als Jugendliche in einer Kleinstadt im Sauerland, die überwiegend von Bombenangriffen verschont blieb, mein Vater als blutjunger Soldat in Russland. Und ich gehöre zu den Nachkriegskindern, die das Glück hatten, dass ihre Eltern nicht über diese Vergangenheit geschwiegen haben, sondern sich auch später stundenlangen Gesprächen über Schuld und Verantwortung nicht entzogen haben.
Vor diesem Hintergrund waren die Bücher von Sabine Bode „Die vergessene Generation“, „Nachkriegsenkel“ und „Kriegsenkel“ sehr interessant, zeigten sie doch auf, wie in anderen Familien mit dem Zwiespalt von Tätern und Opfern umgegangen wurde. Alle drei direkt nacheinander zu lesen, wie ich das damals getan habe, würde ich jetzt nicht empfehlen, denn es wiederholt sich schon einiges. Das liegt nun mal in der Natur der Sache, macht es aber nicht interessanter.
Umso gespannter war ich auf den ersten Roman der Journalistin und Sachbuchautor mit dem Titel „Das Mädchen im Strom“, der die Geschichte einer deutschen Jüdin von ihrer Kindheit in Mainz und ihre Jugendliebe zu einem arischen Mitschüler, über Gestapohaft und Flucht als junge Frau und ihre Jahre im Ghetto in Shanghai bis zu ihrem Leben nach dem Krieg in London.
Das Bemerkenswerteste an diesem Buch: es ist hervorragend recherchiert und bringt einem Aspekte der jüngeren Geschichte nahe, die Vielen unbekannt sein dürften. Natürlich kann ich nicht beurteilen, wie realitätsnah zum Beispiel einige Episoden im fernen China geschildert sind. Dass Bode sich mit dem damaligen Geschehen sehr intensiv befasst und vertraut gemacht hat, ist aber offensichtlich.
Viele Schilderungen erzeugen Betroffenheit darüber, wie grausam Menschen mit anderen Menschen umgehen können, ohne dabei auf Mitleid abzuzielen. Dieses Gefühl kam bei mir schon allein deshalb weniger auf, weil ich die Hauptfigur nicht gerade als Sympathie-Trägerin empfunden habe. Das allerdings lag nicht nur an den ihr zugeschriebenen Charakterzügen, sondern auch am Schreibstil der Autorin, der sehr stark durch ihre journalistische Arbeit geprägt ist. Der Roman Bodes ist für mich wieder mal ein Beweis dafür, dass eine gute Journalistin nicht automatisch eine gute Literatin ist. Lesenswert ist er trotzdem.