
Dass ich in den letzten Jahren via TV schon mehr Küchen gesehen habe, als mir eigentlich lieb ist, damit habe ich mich ja quasi unter dem Siegel der Verschwiegenheit hier schon mal geoutet. Es ist ein mehr oder weniger zweifelhaftes Vergnügen zuzusehen, wenn Gerichte, die mit viel Mühe und Sorgfalt zubereitet wurden, auf Omas Erbstücken mit schweinchenrosa Landschaftsmalerei präsentiert werden. Und daneben stehen Bleikristall-Kelche aus der Aussteuer der Schwiegermutter, sorgsam handgespült und umgehend ersetzt, wenn sie dann doch mal zu nahe an die Tischkante gestellt wurde.
Gleichzeitig umso erstaunlicher der Blick auf die technische Ausstattung privater Küchen, die nicht selten so aussehen, als seien sie, seitdem sie aus dem Katalog geschlüpft sind, häufiger geputzt als benutzt worden. Aber schließlich muss jede Menge Schnickschnack auch in Szene gesetzt werden.
Neben mindestens einem Backofen, selbstverständlich auf halber Höhe, sind ein Dampfgarer und ein Tellerwärmer eingebaut, in direkter Nachbarschaft zur Kaffee-Cappuccino-Latte-Espresso-Maschine im Wandschrank mit direktem Wasseranschluss. Das ist in etwa die Grundausstattung für diejenigen, die darauf schwören, dass Fleisch und Gemüse über Stunden im Kunststoffbeutel gegart, einen ganz besonderen Geschmack haben. Wobei ich mich dann frage, ob bei Plastik-Weichmachern bitter oder umami vorherrscht. Kleiner Hinweis noch für den einen oder anderen stolzen Besitzer: die Dinger werden „ßuwiedd“ ausgesprochen und nicht wie das englische „so sweet“.
Reiskocher, selten funktionierende Schaumschläger-Sprühflasche, Eismaschine im Ausmaß eines mittleren Pizzaofens, und natürlich die knallrote Kitchenaid mit einem Schrank füllenden Sortiment an Zusatzgeräten von der Getreidemühle bis zum Wurststopfer seien nur am Rande erwähnt. Jedenfalls bringen es manche Teilnehmer der hier nicht erwähnenswerten Koch-Reality-Show es fertig, für ein einziges Abendessen dieses gesamte Equipment zum Einsatz zu bringen. Das hat sich dann seine Bezeichnung „Männerspielzeug“ redlich verdient. Aber dazu später noch die eine oder andere Anmerkung.
Was in meiner Aufzählung für die Küchengeräte, die mehr unter die Kategorie „schweineteuer“ als unter „wirklich nötig“ fallen, noch fehlt ist die angebliche Wundermaschine eines traditionsreichen Herstellers von Staubsaugern und Teppichböden: der Thermomix. Auch er steht in vielen Küchen, die im Fernsehen gezeigt werden, allerdings gar nicht so häufig im Einsatz, wie man von einem Gerät erwartet, um das sich einmal im Monat sogar ganze Zeitschriften drehen. Denn in diesen Sendungen geht es in erster Linie ums Kochen und nicht ums Kochen lassen, weshalb der Thermomix bestenfalls mal zum Kleinschreddern oder Pulverisieren von Zutaten zum Einsatz kommt. Bemerkenswert, dass mir im Internet auf einer einschlägigen Rezeptseite als Erstes ein Couscous-Salat angezeigt wird, für den man den Couscous in einem ganz normalen Topf einweichen und Tomaten und Gurken mit der Hand würfeln muss, während zur großen Arbeitserleichterung und Zeitersparnis Kräuter, Öl, Zitronensaft und Gewürze in einem Gerät zusammengerührt werden, das mindestens stolze ein-tausend-zweihundert-neun-und-neunzig Ocken kostet.
Mir sind ohnehin technische Geräte suspekt, die vorgeführt werden müssen, um mir eine Kaufentscheidung zu erleichtern. In meinem Hinterkopf spukt dann immer die Frage, ob die Hersteller es nicht fertigbringen, eine vernünftige Gebrauchsanweisung zu schreiben, und ob diese Leute dann die richtigen Ansprechpartner bei möglichen Problemen sind.
Aber natürlich geht es bei den Vorführungen nur vordergründig ums Beraten und Vorführen, sondern vielmehr darum, einen gewissen Gruppenzwang in Sachen Status-Symbol zu erzeugen. Ich kenne nicht nur eine Frau (das Teil scheint nur bedingt unter „Männerspielzeug“ zu fallen), die sich gerne und bei möglichst vielen Gelegenheit als Thermomix-Neubesitzerin zu erkennen gegeben hat und davon schwärmte, wie oft der kochende Mixer in ihrer Küche im Einsatz war. Wohlgemerkt war, denn nach einigen Wochen verschwinden nicht wenige der teuren Neuanschaffungen in den Tiefen von Schränken oder Kellern, um dann ein Jahr später mit nicht unerheblichem finanziellen Verlust als „1-2-3 meins“ auf den virtuellen Markt geworfen zu werden.
Bevor jetzt alle Thermomix-Fans aufheulen: Ja, es gibt auch Küchen, in denen er auch Jahre nach der Anschaffung im Einsatz ist. Manchmal sogar noch, nachdem auch das jüngste Kind aus dem Brei-Alter heraus sind. Ich will auch gar nicht abstreiten, dass mit dem Teil wunderbar püriert, gehäckselt und gemahlen werden kann, dass die unbeaufsichtigte Herstellung einer Sauce hollandaise etwas Feines ist. Aber, wer sich von einem Chip vorschreiben lässt, mit wieviel Gramm Mehl eine Sauce gebunden werden soll, wer den Hinweis braucht, dass längeres Mitkochen von beispielsweise Basilikum kein tolles Geschmackserlebnis verspricht, sollte meines Erachtens erst einmal Kochen lernen und sich dann Gedanken über die Anschaffung von sündteuren Gerätschaften machen. Ich jedenfalls komme gut zurecht mit meinem Kochtöpfen, einem guten Gemüsehobel und einem Pürierstab und habe viel Geld gespart.
Um den Bogen zurück zu den Männern zu schlagen, bei denen die High-End-Küche den Motorrad-Oldtimer oder die elektrische Eisenbahn ersetzt: für sie bedeutet der Thermomix-Preis oft die sprichwörtlichen Peanuts. Für einen Messersatz mit handgeschmiedeten Klingen, inklusive Namensgravur und individuell angepassten Handgriffen, wechseln schon mal deutlich mehr Scheine den Besitzer. Und die Outdoor-Küche mit Superduperschnickschnack-Grill inklusive Smoker, die in erster Linie angeschafft wird, um Nachbarschaft und Gäste zu beeindrucken, kostet schon mal locker so viel, wie ein mittlerer Gebrauchtwagen. Aber dann sind Anschaffung und Gebrauch solcher Luxusgegenstände – mit denen natürlich nur besonders ausgefallene (und teure) Zutaten, verarbeitet werden, die gerne von weit her angeflogen, mindestens aber mit dem SUV aus dem nahen Bio-Supermarkt herangekarrt werden – kein profanes Hobby mehr. Sondern es handelt sich um das Phänomen der „gastrosexuellen“ Männer.
Die Bezeichnung gibt es tatsächlich, auch diverse Artikel und Bücher, die sich damit befassen. Ich werde darauf verzichten näher darauf einzugehen, weil ich nicht sicher bin, wie ich einen Zusammenhang zwischen teuren Küchengerätschaften mit rasant rotierenden, extrem scharfen Messern und männlicher Sexualität herstellen kann, ohne dass die alte Emanze hemmungslos aus mir herausbricht, die dann solche Begriffe wie „Porsche-Effekt“ und „Kompensation“ hier einstreut. Beim letzten Satz bekommt übrigens gerade der Begriff „Schere im Kopf“ eine ganz neue Bedeutung.
Ich geh jetzt mal Pasta kochen. Nudeln gibt’s erst morgen wieder.
fl
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