Sie klingen ganz ähnlich, sind leider Anglizismen (die ich bekanntlich nicht mag), haben beide mit Machtverhältnissen zu tun und haben beide eine Debatte angestoßen, die die einen für überfällig, die anderen für überflüssig halten: Die Hashtags metoo und metwo. Wie sich am geänderten Verhaltenskodex vieler Firmen und Institutionen und auch an juristischen Verfahren gezeigt hat, war und ist metoo nicht überflüssig. Und dasselbe behaupte ich auch für metwo in der Hoffnung, dass er auch nachdenklich darüber macht, wieviel Rassismus in jedem selbst steckt. Ich bin überzeugt, dass nicht wenige Menschen, die im Brustton der Überzeugung von sich behaupten, auf gar keinen Fall niemals nie nicht rassistische Gedanken zu haben, lügen – als Erstes sich selbst an. Wer mich, oder auch nur gewisse Blogbeiträge kennt, dürfte wissen, wie wichtig mir Werte wie Toleranz, das Vermeiden und Überwinden von Vorurteilen, Minderheitenschutz und Integration sind. Aber auch ich entdecke immer mal wieder rassistische Gedanken in mir, die sich zwar nicht im Wortsinn auf Rassen, sondern bestimmte Gruppierungen oder Herkunft beziehen. Mal erschrecken sie mich, manchmal amüsieren sie meine schwarze Seele. Aber nur ein kleines Bisschen.

Mal so ganz privat und unter uns: Im tiefsten Bayern krieg ich ganz schnell ganz doll Rassismus. So doll, dass ich auch bestimmte bayerische Politiker/innen für unerträglich halte. Egal, was sie sagen oder ob sie nur zynisch grinsen. Prominente Vertreter/innen dieser Spezies könnten das Münchner Telefonbuch auswendig rückwärts aufsagen, mein erster Gedanke wäre „wie dumm“.

Und dann gibt es die Menschen, denen gar nicht bewusst ist, dass manche ihrer Gedanken leider das Prädikat „rassistisch“ verdienen, manchmal (in hoffentlich seltenen Fällen) sogar mit Auszeichnung. Das kann unter anderem daran liegen, dass die Ansprüche an ein tolerantes Miteinander sich im Laufe der Zeit gewandelt haben.

In meiner Kindheit beispielsweise war die Bezeichnung „Neger“ überhaupt nicht negativ gemeint. Wie denn auch, wenn in „meinem“ Kindergarten eine Sparbüchse stand mit der Figur eines kleinen, dunkelhäutigen Jungen, der jedes Mal nickte, wenn wir einmal im Monat 50 Pfennig für „die armen Negerkinder in Afrika“ (Originalzitat) da rein warfen? Wir Kinder waren so stolz, etwas Gutes getan zu haben, da war in unseren Köpfen überhaupt kein Platz da, irgendetwas negativ sehen zu können. Und nachmittags spielten wir Mädchen (!) dann Zuhause mit unseren „Negerpuppen“.

Natürlich rechtfertigt das in keiner Weise, wenn jemand, der so groß geworden ist, heute das Wort „Neger“ verwendet. Schon gar nicht, wenn der Innenmister eines Bundeslandes im 21. Jahrhundert von einem „wunderbaren Neger“ faselt (und Nein, das hat nichts damit zu tun, dass ich Rassismus kriege, wenn es um Bayern geht). Denn heute wissen wir, dass jemand, der als „Neger“ bezeichnet wird, sehr gute Gründe hat, sich diskreditiert, diffamiert und beleidigt zu fühlen.

Und damit komme ich zu einem anderen, wichtigen Punkt: Wer entscheidet, wer und ab wann sich jemand als Rassismus-Opfer fühlen darf? Diejenigen, die (wie ich) das Thema eher theoretisch angehen, diejenigen, die sich von politischer Korrektheit genervt fühlen, oder etwa diejenigen, die meinen, dass Beschimpfungen doch viel „besser“ sind als Baseball-Schläger?

Wer soll bewerten, ob sich jemand tief verletzt fühlt, oder nur rumjammert? Müssen bestimmte Begriffe aus Kinderbüchern, deren Autor/innen über jeden Rassismus-Vorwurf erhaben sind, völlig verschwinden? Oder reicht eine Anmerkung um ihren früheren Gebrauch zu erklären? Fragen, bei denen es schwer ist, eine Antwort zu finden. Und deshalb ist es so wichtig, sie offen und ohne Vorbehalte und Abwiegelungen zu diskutieren. Gerade in Zeiten, in denen bestimmte Kreise versuchen, Fremdenfeindlichkeit als eine Grundlage für Rassismus, salonfähig zu machen.

fl

Schachbrett im Kopf