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Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

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Zwei Meter

Wo ist das Höckerchen?

„Du bist einfach zu klein.“ Nö, ich bin noch nicht mal zu kurz, aber es ist, wie so oft im Leben alles eine Frage der Perspektive. Und das gilt auch für Kleiderhaken.

In der schönsten, besten und größten Bücherei am Platz ist mal wieder „Hinten“ umgeräumt worden. Also da, wo die Arbeiten erledigt werden, von denen die Leser:innen nicht viel mitbekommen, ohne die aber die Abläufe und vor allem ein zeitgemäßer Medienbestand nicht möglich wären.

Es ist gerade mal acht Jahre her, dass die Freude groß war, als der Bücherei nach ihrem Umzug in modern ausgestattete Räume fast dreimal so viel Fläche zur Verfügung stand wie früher. Damals unvorstellbar, dass in so kurzer Zeit weitere Schränke notwendig waren um wichtiges, neues Equipment verstauen zu können. Da muss ein Garderobenständer schon mal Platz machen.

Im Sommer kein nennenswertes Problem, im Winter ist aber Ersatz nötig. Am einfachsten mit einer Hakenleiste an der Wand. Und da wären wir wieder beim Thema Perspektive, das mir als Mutter von drei Kindern, die mich inzwischen um zehn, 18 und 23 Zentimeter überragen, sehr vertraut ist. Wäre mein Badezimmerspiegel in der für sie passenden Größe angebracht, bliebe mir der morgendliche Anblick meiner Mundfalten erspart. In der für mich passenden Höhe könnten die Drei ihre Haare im Spiegel nur in gebückter Haltung sehen. Wir haben uns zu Zeiten, als wir noch gemeinsam unter einem Dach lebten, auf einen Kompromiss geeinigt.

Und dabei bin ich , obwohl im Laufe der Jahre geschrumpft, mit meinen 170 Zentimetern Körperlänge immer noch vier Zentimeter größer als die deutsche Durchschnittsfrau. Trotzdem stand ich heute Morgen mit lang ausgestrecktem Arm vor der neuen Garderobenleiste in der Bücherei und hatte Fragezeichen in den Augen. Die Bandbreite der Fragen reichten von „Was soll der Sch… denn?“, „Wetten, dass der Chef das Ding angedübelt hat?“ bis zu „Wo ist das Höckerchen?“.

Die Frage mit dem Chef hatte sich sofort beantwortet, als der vorbei kam und mit einem fröhlichen Grinsen die oben angeführte Bemerkung „Du bist einfach zu klein“ fallen ließ. Keine Ahnung, was er seinen beiden hauptamtlichen Kolleginnen, die sogar noch kleiner sind als Gregor Gysi, gesagt hat. Auf die Frage, die in meinem Kopf begann mit „Was soll der…“ hatte der sonst eigentlich ganz praktisch veranschlagte Büchereichef eine Erklärung: „Weil der Schrank darunter steht.“ Nicht, dass der die Erreichbarkeit der in sage und schreibe über zwei Meter Höhe angebrachten Garderobenhaken verbessert hätte. Sein Erklärung war vielmehr:

„Damit die Mäntel unten nicht auf dem Schrank aufliegen.“

fl

Mehlwurm an Seifenschaum

Es ist gerade mal zwei Wochen her, dass ich in Sachen Corona einen offenen Brief an die Göttinen und Götter der Katastrophen, Epidemien, Panikmache und Dummheit geschrieben habe, auf den die zwar erwartungs- aber nicht wunschgemäß damit reagiert haben, nochmal Gas zu geben. Ich wüsste ja zu gerne, in welcher Ecke die jetzt hocken und sich ins Fäustchen lachen, darüber, wie dumm Menschen in Zeiten sein können, in denen sie sich mal ein bisschen einschränken müssen und ein bisschen nachdenken sollten.

Ja, ich schreibe bewusst „ein bisschen“ einschränken, wohlwissend, dass nicht wenige derzeit um ihre Existenz und/oder ihren Job bangen. Für die, wie für alle anderen, hoffe ich wirklich das Beste, gebe aber zu bedenken, dass die allermeisten von uns nach wie vor ein warmes Dach überm Kopf, jeden Tagg satt zu essen und Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung haben (nur etwas anders, als noch vor wenigen Wochen). Und anstatt mal einen Moment inne zu halten und für dieses privilegierte Leben dankbar zu sein, gibt es großes Gemecker über Politik, Regierung und Behörden, die selbst, wenn sie ein Anti-Corona-Wunderheilmittel, aus karierten Krokussen extrahieren könnten, alles falsch machen würden. Ja, da sind Fehler gemacht worden und werden voraussichtlich auch noch weiter Fehler gemacht, und es ist sehr, sehr bitter, wenn diese Fehler sogar Menschenleben kosten sollten. Aber weder Experten noch die politisch Verantwortlichen konnten voraussehen, was Covid 19 anzurichten vermag. Sie hatten kaum Zeit sich gründlich vorzubereiten, mussten und müssen viel lernen und betraten Neuland, als Schulen und Einrichtungen geschlossen wurden und das öffentliche Leben in vielen Bereichen praktisch lahmgelegt wurden. Und die Reaktion der Bürger/innen, zu deren Wohl all diese Maßnahmen getroffen wurden? Dummheit, Ignoranz und Rücksichtlosigkeit bei viel zu Vielen.

Hat eigentlich niemand einen Zollstock zu Hause um mal abzumessen, wie lang zwei Meter sind? Laut DIN 33402 (ja, sowas gibt’s, ich hab das extra für euch gegoogelt) ist die Armlänge irgendwas zwischen circa 70 Zentimetern bei Frauen und bis über 80 cm bei hochgewachsenen Männern. Um mir also an der Supermarktkasse jemanden zwei Meter von der Jacke zu halten, ist es mit einmal Hand weit ausstrecken nicht getan. Aber nicht mal die berühmt/berüchtigte eine Armlänge halten viele Menschen ein. Ebenso wenig, wie den dringenden Appell, sich bei schönem Wetter nicht auf Parkbänken zu drubbeln und gelangweilte Halbwüchsige nicht zum Treffen mit der Clique in die Fußgängerzone zu schicken. Der Plausch unter Müttern, manchmal auch Vätern, auf dem Spielplatz ist ebenfalls zu unterlassen. Im Wald kann man mit den Kindern auch sehr gut spielen, muss sich aber daran mehr beteiligen, als in Sandkastennähe.

Das alles kann doch nicht so schwer zu verstehen sein, oder ist es tatsächlich vielen Menschen völlig egal, dass sie möglicherweise für die schwere Erkrankung, wenn nicht gar für den Tod ihres betagten Nachbarn verantwortlich sind, wenn sie alle Bestimmungen und Empfehlungen in den Wind schießen?

Nicht viel weniger fassungslos macht mich, dass auch nach über zwei Wochen diese elenden Hamsterkäufe eher zu- als abgenommen haben. Mir graut vor dem Gedanken, wie viele Lebensmittel im Sommer in die Tonne gekloppt werden, weil in der Tiefkühltruhe Platz für jede Menge Grillfleisch gemacht wird. Außerdem überlege ich, ob die emsigen Käufer/innen von Mehl, Reis, Nudeln, Müsli und Haferflocken schon mal was von Lebensmittelmotten gehört haben. Die einmal im Schrank, und zack ist der komplette Vorrat hin.

Dass in Drogeriemärkten alles, was irgendwie nach Desinfektion aussieht, egal ob für die Kloschüssel, die Waschmaschine oder die Hände anscheinend Kofferraum weise abtransportiert wurde, verwundert ja kaum noch mehr. Aber bitte, warum sind die Regale mit den Seifenstücken leergefegt? Die Leute müssen Vorräte für Jahrzehnte bunkern, wenn man bedenkt, dass es echt lange dauert, bis so ein Seifenstück aufgebraucht ist. So ein bisschen beschleicht mich ja das Gefühl, dass diejenigen, die so viel feste Seife horten, sich bisher eher selten und nicht sonderlich gründlich die Hände gewaschen haben, wenn sie keine Ahnung haben, nach wie vielen Wochen sich auch der letzte Rest in Schaum verwandelt hat. Auch bei mehrmaligem Händewaschen täglich, egal ob man dabei „Happy Birthday“, „Ave Maria“, die Internationale oder „Atemlos“ singt, Hauptsache es dauert mindestens 30 Sekunden.

An „ich, ich, ich“ als oberste Devise fürs Zusammenleben habe ich mich ja nie gewöhnen können und wollen. Wenn jetzt noch ganz viel „haben, haben, haben“ dazu kommt, macht mich das einerseits ganz schön sauer, aber vor allem traurig.

fl

Eigentlich würde ich meinen Hamster-Kumpel ganz gerne mal langsam in Urlaub schicken, er hat ihn sich verdient. Ich fürchte allerdings, ich werde ihn in nächster Zeit noch brauchen.

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