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Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

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Tradition

Kartoffelsalat-Challenge und eine Portion Senf dazu

Gänsebraten, Filet, Kalbsragout – zum Feste nur das Beste. Entsprechend überschlagen sich die Lebensmittelketten mit Werbung für Spezialitäten und besonders teure Lebensmittel, als hätte noch niemand den Begriff Kalorien erfunden. Und obwohl es ein Riesenangebot von Gänsebraten über Kalbsragout bis Filetstreifen fürs Fondue gibt, hat sich in vielen Familien die Tradition gehalten, an Heiligabend so etwas ganz Profanes, wie Würstchen mit Kartoffelsalat auf den Tisch zu bringen. 

Woher diese Tradition stammt, ist im Gegensatz zu anderen, noch viel unwichtigeren Dingen nicht aufwändig erforscht, man geht aber davon aus, dass sie aus Zeiten stammt, in denen Heiligabend ein ganz normaler Arbeitstag war, an dem bis zum Abend die Bude noch auf Weihnachtsglanz  gebracht werden musste. Die Hausfrauen  hatten wahrscheinlich schlicht keinen Bock drei Tage hintereinander sehr aufwändig, zeit- und arbeitsintensiv zu kochen, während der Anteil der Herren des Hauses, darin bestand, sich an den gedeckten Tisch zu setzen. Möglich, dass die Tatsache, dass sich heute mehr Männer als früher an den Weihnachtsvorbereitungen beteiligen (müssen), dazu beiträgt, dass sich Würstchen mit Kartoffelsalat an Heiligabend auch heute noch großer Beliebtheit erfreuen.

Während sich um die Würstchen Industrie und Handel kümmern (ich warte noch auf die Dosen mit aufgedruckten Weihnachtsmännern und Tannengrün und entsprechendem Preisaufschlag), ist die Zubereitung des Kartoffelsalats dagegen eine ganz wichtige Angelegenheit, ja oft schon Glaubenssache. Denn welches Rezept ist das Beste? Das von Mutter, Schwiegermutter, Oma oder Tante? Kartoffelsalat warm oder kalt, mit Mayonnaise oder Essig und Öl? Bekanntlich sind Familienstreitigkeiten zu den Festtagen besonders häufig. Nicht auszuschließen, dass Kartoffelsalat dabei eine nicht unwesentliche Rolle spielt.

Wann immer in gemütlicher Runde das Thema Kartoffelsalat aufkommt, sind alle Beteiligten sich einig: Mein Rezept (von Oma, Mutter, Tante) ist das Beste! Genau diese Diskussion kam vor einiger Zeit beim monatlichen Ochtruper Spieletreffen auf, und der meist geäußerte Satz war „Hört sich gut an, aber meiner schmeckt besser.“ Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage werden wir jetzt beim letzten Spieletreffen (herzlich willkommen am Samstag, 14.12. ab 16 Uhr in der Begegnungsstätte der Villa Winkel im Ochtruper Stadtpark) des Jahres überprüfen, denn es gibt eine Kartoffelsalat-Challenge. Wer sich daran beteiligen möchte, bringt eine mittlere Schüssel Kartoffelsalat mit, natürlich nach dem vermeintlich besten Rezept, das es überhaupt gibt. Die Schüssel sollte groß genug sein, dass alle Besucher/innen probieren können, aber nicht so groß, dass mit einer einzigen Sorte Kartoffelsalat alle Besucher/innen satt werden. Egal, welche Zutaten, alle Salate werden probiert und beurteilt (sollten Erbsen drin sein, steht mein Urteil schon im Voraus fest: Kann man machen, sollte man aber nicht). Für die dazugehörigen Würstchen sorgen die Veranstalter, selbstverständlich gibt es auch die nötige Portion Senf dazu.

P.S.: Wer nicht an der Kartoffelsalat-Challenge teilnehmen kann, darf gerne ihr/sein Rezept für den besten Kartoffelsalat der Welt in den Kommentaren veröffentlichen. Vielleicht ergibt sich daraus noch die eine oder andere weihnachtliche Kartoffelsalat-Challenge im privaten Kreis.

fl

Ein Kreuz für meine Oma

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September 2017 in Deutschland. Meinungsforscher verfallen in Hyperaktivität im eklatanten Gegensatz zu einigen Parteien und ihren Protagonisten, in einigen Landstrichen verzeichnet der Handel erstaunliche Umsatzsteigerungen beim Verkauf von Trillerpfeifen und Druckluft betriebenen Fanfaren, während die immer gleichen Köpfe und Worte in TV-Dauerschleifen vielen Zuschauern ein entspanntes Nickerchen auf dem heimischen Sofa bescheren.

Die bevorstehende Bundestagswahl bedeutet aber für viele Wahlberechtigte nicht die Frage, wen sie wählen sollen, sondern ob sie überhaupt wählen wollen. Keine Angst, ich werde hier keine Wahlempfehlung abgeben (es fällt mir tatsächlich leichter, die zu benennen, die man meiner Meinung nach nicht wählen sollte), sondern mich bei denjenigen einreihen, die nachdrücklich dazu auffordern, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen.

Dieses Recht nämlich ist ein hohes Gut, das ich vor allem als Frau nicht hoch genug schätzen kann. Denn der freie Zugang zu den Wahlurnen für uns Frauen wurde auch in Deutschland lange und hart erkämpft. Es ist tatsächlich noch recht jung, mit seinen gerade mal 99 Jahren. Anekdote am Rande: eine kleine pazifische Inselgruppe unter britischer Kolonialherrschaft war uns um 80 Jahre voraus.

Bis 1918 trieb das Wahlrecht für deutsche Frauen einige seltsame Blüten. So waren beispielsweise mal nur verheiratete Frauen mit Kindern wahlberechtigt, mal mussten sie eine gewisse Schulbildung nachweisen, und mal mussten sie mindestens 40 Jahre alt sein. Die Argumente der Gegner waren aus heutiger Sicht mehr als abenteuerlich. Mal war es die durch die Gebärfähigkeit verminderte Intelligenz der Frauen, mal widersprach es der ihnen zugeschriebenen Aufgabe „Kinder zu guten, strammen, tüchtigen, brauchbaren Preußen und Deutschen“ zu erziehen und immer wieder, wenn auch unterschiedlich formuliert, die Angst vor den „Widerlichkeiten des Suffragettentums“.

Und heute? Heute ist das Frauenwahlrecht so selbstverständlich, dass viele ganz freiwillig darauf verzichten, statt denen, die sich dafür eingesetzt und aufgerieben haben sogar dafür ihr Leben ließen, wenigstens durch das Kreuzchen auf dem Stimmzettel Anerkennung und Respekt zu zollen. Ich werde wählen. Und dabei denke ich nicht nur an all diejenigen, die mir das ermöglicht haben, sondern auch an die, die für meinen freien und kostenlosen Zugang zu Bildung, für eine freie Berufswahl, für (noch verbesserungswürdige) Gleichberechtigung und sexuelle Selbstbestimmung gesorgt haben. Und ich denke an meine Oma, die zu den ersten Frauen gehörte, die 1919 überhaupt wählen durften (ob sie es getan hat, weiß ich nicht, ich habe sie leider nicht erleben dürfen). Denn durch sie wird mir klar, dass das Frauenwahlrecht eigentlich noch viel zu jung ist, um als selbstverständliche Tradition wahrgenommen zu werden, statt uns seiner Bedeutung und Werte alle paar Jahre immer wieder bewusst zu werden.

Also, liebe Frauen, geht am 24. In die Wahllokale und macht Eure Kreuzchen – egal wo. Und bitte nehmt Eure Partner, Brüder, Väter, Freunde und Kollegen mit.  

fl  

Ach, und zum guten Schluss dann doch noch eine Wahlempfehlung:

Barbara

 

Kopftuch – Stoff für Debatten?

Collage

Das Kopftuch muslimischer Frauen ist bekanntlich Gegenstadt zahlreicher, oft unsäglicher Diskussionen. Mancher dieser Debatten selbst würde ich ein Kopftuch wünschen, weil viele Argumente so offensichtlich an den Haaren herbeigezogen werden.

Vorab: Mir geht es um den Hidschab, jenes Stück Stoff, das Haare, Hals und Dekolletee bedeckt, also den Blick der Trägerinnen nicht einschränkt, ihre Mimik erkennen lässt und damit eine Kommunikation keineswegs stört. Burka und Nikab, die eine visuelle Kommunikation unmöglich machen, sind keine Kleidungsstücke, über die es sich zu diskutieren lohnt, nicht nur, weil sie hierzulande so gut wie nie getragen werden. Ebenfalls will ich betonen, dass ich ein Kopftuch ablehne, wenn eine Frau es nicht aus eigener Entscheidung trägt, sondern weil sie dazu gezwungen wird. Aber die Frauen, mit denen ich mich bisher über ihr Kopftuch unterhalten habe, haben mir sehr, sehr glaubhaft versichert, dass sie es aus freien Stücken und eigenem Willen tun. Natürlich spielt auch die Tradition eine Rolle, aber solche Traditionen hat die westliche Welt bekanntlich auch, wenn es um Fragen der Bekleidung geht. Es kommt wohl kein Manager auf die Idee, auf der Vorstandssitzung eines Großkonzerns in Shorts und T-Shirt aufzutauchen.

Und ja, auch die Religion spielt eine große Rolle, wohl für den größten Teil der Kopftuchträgerinnen. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass es ihnen um die Demonstration einer religiösen Überlegenheit gehe, halte ich – gelinde gesagt – für sehr abenteuerlich. Vor allem in Zeiten, in denen es in manchen Kreisen auf wenig Verständnis stößt, wenn (vor allem jüngere) Menschen dafür belächelt, oder sogar kritisiert werden, dass sie regelmäßig in eine christliche Kirche gehen – freiwillig und gerne.

Ich gebe gerne zu, ich persönlich bin nicht religiös genug, zu verstehen, wie jemand aus Verbundenheit zum Glauben darauf verzichtet, sich mal den Frühlingswind durch die Haare wehen zu lassen. Sich niemals Sorgen um einen Bad-Hair-Day zu machen, wiegt das für mich nicht auf. Aber ich maße mir auch nicht an, ein Urteil über die Beweggründe derjenigen fällen zu dürfen, die sich für das Kopftuch entschieden haben.

Ob ich es schön finde, steht nicht zur Debatte. Und ehrlich: bauchfrei mit Nabelpiercing ist für mich auch nicht gerade ein ästhetischer Genuss, ebenso wenig wie Gesundheits-Latschen mit weißen Baumwollsocken. Aber darüber aufregen? Vertane Lebenszeit.

Ja, ich gehöre zu denjenigen, die sich seit den 70er Jahren für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen einsetzt und sich dafür immer wieder den Mund fusselig geredet hat und noch redet. Zähneknirschend gestehe ich dieses Recht auch den Frauen zu, die die Einschaltquoten für solche TV-Formate wie den „Bachelor“ in die Höhe treiben – als sich vor der Kamera nahezu prostituierende Teilnehmerinnen, wie als begeisterte Zuschauerinnen.

Wenn wir uns an solche TV-Sendungen gewöhnt haben, ebenso wie zum Beispiel an barbusige Zeitschriftentitel, warum sollen wir uns nicht an den Anblick des Hidschab gewöhnen können? Warum Bestimmungen, statt selbstverständlicher Akzeptanz? Wenn die Kopftuchträgerin an der Kasse des Supermarktes sitzt oder hinter dem Bankschalter steht, ohne dass sich jemand darüber echauffiert, dann ist das für mich auch ein Stück Gleichberechtigung. Denn, wer muslimischen Frauen das Recht nehmen will, freiwillig (!) ein Kopftuch zu tragen, steht für mich auf derselben Stufe wie die Männer, die ihre Frauen, Töchter und Schwestern dazu zwingen, es zu tragen.

fl

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