…oder: Wie ich doch noch zur Sockenstrickerin wurde

Keine Ahnung, wie viele Pullis, Jacken, Tücher, Schals und Mützen ich schon gestrickt hatte, als ich mich immer noch standhaft weigerte, Socken zu stricken. Ich habe lieber ein Bodenkissen mit über einem halben Meter Durchmesser in Filzwolle gestrickt, als mich an Käppchen und Zwickel für eine Sockenferse zu wagen. Wer die Technik des Strickfilzens kennt, weiß, von welcher Größenordnung ich spreche. Mein Jüngster fragte mich zwischendurch verwundert, warum ich einen Kinderschlafsack auf der Nadel habe.

Filzkissen

Für die Nichtinsider: Beim Strickfilzen werden die Strickstücke ein Drittel größer gestrickt als später erforderlich, um dann in der Waschmaschine das zu tun, was beim hochwertigen Wollpulli eine höchst ärgerliche Angelegenheit ist: Schrumpfen und Verfilzen.

Es gab auch keinen Grund, mich im Sockenstricken zu üben, da meine Mutter begeistert die gesamte Familie mit Socken in allen Farben und notwendigen Größen versorgte. So begeistert, dass wir Vorräte anlegen konnten, die auch noch einige Jahre gute Dienste taten, nachdem sie verstorben war. In der Zwischenzeit war mein Faible fürs Strickfilzen groß genug, dass ich mich auch an Filzpuschen herangewagt hatte. Angst vor dem Nadelspiel hatte ich also keine, aber keine Lust auf eben Käppchen und Zwickel und die damit verbundene Zählerei.

Irgendwann, als der größte Teil meines Sockenvorrats bedenklichen Verschleiß aufwies, liefen mir dann aus dem weltweiten Netz Socken über den heimischen Bildschirm, die versprachen, dass ich Socken ohne die lästige Ferse stricken könnte. Sie versprachen darüber hinaus sogar, dass diese auch gut am Fuß sitzen. Die Rede ist von sogenannten Spiral- oder Regenwurmsocken. Deren Fertigstellung ist in der Tat so kinderleicht, dass sich mir nicht erschließt, warum es Anleitungsbücher dafür gibt. Und ja, sie sitzen wirklich gut und sind vor allem bei Eltern von Neugeborenen beliebt, weil sie mitwachsen (und ich muss mir nicht den Kopf über Geschenke zerbrechen). Außerdem sind sie so schnell fertig, dass der Griff zu Stricknadel beim Einsetzen der Wehen – außer bei Sturzgeburt und Kaiserschnitt  – ein guter Zeitplan ist.

Spiralsocken

Ja, es macht Spaß, Spiralsocken zu stricken (auch Socken-Neulingen, die mir dann Beweisbilder schicken) aber verwöhnt von Liebmütterleins Strickkünsten waren es irgendwie keine „richtigen Socken“. Also begann ich nach weiteren Alternativen zu Käppchen und Zwickel zu suchen und wurde auf der Nadelspiel-Seite von EliZZZa, meiner Lieblingsanleiterin auf Youtube, fündig. Nicht nur ihr charmanter österreichischer Akzent macht ihre Videos hörenswert, sondern die geduldig in allen Einzelheiten erklärten und demonstrierten Arbeitsschritte machen sie sehenswert.

Das Zauberwort heißt „Bumerang“ und das Geheimnis sind verkürzte Reihen, und die hatte ich u. a. beim oben erwähnten Bodenkisssen hinreichend geübt. Ich muss nicht zählen, ich muss keine Maschen wieder einfangen und sie funktioniert, egal ob ich die Socken oben oder unten anfange.

Ja, ich hab mir im Laufe der Zeit einige Besonderheiten beim Sockenstricken angewöhnt: Ich nehme dafür nicht nur eckige Nadeln, die ein viel gleichmäßigeres Strickbild ergeben, als ihre runden Geschwister, sondern ich fange Socken an der Spitze an, die mir so besser gefällt.  Ich stricke inzwischen gerne Socken – für mich oder für Menschen mit ähnlicher Schuhgröße. Bei allem, was über Größe 40 hinausgeht, wird der Spaß schon mal von Langeweile verdrängt. Umso besser, dass einer meiner Söhne sich inzwischen seine Socken selber strickt – mit Käppchen und Zwickel für die Ferse.

fl

Socken stricken