Eine praktische Frisur ohne chemische Farbgebung, eine erfreulich stabile Gesundheit (heftig auf Holz klopfe) und vor allem Desinteresse an Könichs und allem, was mit „von und zu“ bezeichnet wird, umschreibt ganz gut meine Kenntnisse über das, was in europäischen Schlössern und Burgen  so vor sich geht. Umso mehr verblüfft mich, was da gerade auf allen Kanälen über das britische Königshaus und ein junges Ehepaar aus den hinteren Reihen der königlichen Rangfolge verbreitet wird.

Boulevard und Klatschpresse verdienen bekanntlich (oft unverdient) jede Menge Kohle damit, immer neue Gerüchte und (Fehl-)Einschätzungen breitzutreten, und nicht selten das Ganze, vor allem jenseits des Kanals zur Gewinn-Optimierung mit einer gehörigen Portion Bosheit zu garnieren. Und da ist es ganz gewiss kein Zufall, dass das in erster Linie auf Kosten einer Frau geht, die sich auch noch erdreistet, feministische Organisationen und deren Forderungen zu unterstützen. Allein die Bezeichnung Megxit spricht das Bände, denn Gatte Harry war sicherlich nicht unbeteiligt. Und Haxit hört sich sowieso viel lustiger an.

Ja, jetzt kommt mir ruhig damit, dass ich trotz Desinteresses ja wohl doch nicht ganz ahnungslos bin. Stimmt, Ursache ist aber weniger Informationsbedarf, als vielmehr eine Faszination des Grauens bei der (nicht lückenlosen) Lektüre eines Strangs im schon mal erwähnten Forum einer großen deutschen Frauenzeitschrift.

Es ist erschreckend, wieviel Missgunst und Häme da ausgeschüttet wird– wobei ich nicht ausschließe, dass dahinter auch hin und wieder eine Portion Rassismus versteckt werden soll. Und es ist höchst erstaunlich, welche Kenntnisse über das, was im Buckingham-Palast und anderen hochherrschaftlichen Wohnsitzen hinter verschlossenen Türen stattfindet, da kundgetan werden. Also entweder, sind diese Räumlichkeiten total verwanzt und die deutschen Internet-Nutzer/innen haben uneingeschränkten Zugriff auf lückenlose Gesprächsprotokolle, oder aber es gibt geheime Kaffeefahrten, bei denen statt Heizdecken ein Blick durch monarchische Schlüssellöcher verkauft wird.

Ärztliche Schweigepflicht scheinen fleißige Forums-Schreiber/innen ebenfalls außer Kraft gesetzt zu haben, wenn man staunend nachlesen kann, welche Psychogramme sie da zusammenbasteln. Dass Meghan nicht in Domina-Outfit mit Netzstrumpfhosen und Corsage das Ehegesponst nach Kanada peitschen musste, wundert nach der Lektüre da schon. Aber die Wahl der Strumpfhosen, sowie der Verzicht darauf, der eher mäßig begabten Seriendarstellerin kurz vor dem Karriere-Aus (nicht meine Einschätzung) wird da schon von allen Seiten betrachtet. Ebenso wie die Tatsache, dass es systemimmanent sein muss, wenn der Hochadel mal selbst die Autotür zuschlägt und damit die Dienerschaft brüskiert. Ach nee, Fehler meinerseits, wenn Meghan Sussex mal aus Versehen eine Autotür selber schließt, ist das ganz Iih, Pfui, Bah, wenn der Königsgemahl sich selbst ans Steuer setzte, war das bestenfalls Anlass für Spekulationen über die Kombination von Greisenalter und Fahrtüchtigkeit.

Eigentlich warte ich auch darauf, dass die Kaffeeröstereien so langsam mal über Verkaufsrekorde jubeln, bei soviel Kaffeesatz-Leserei, die über die Zukunft des nicht mehr royalen Paares betrieben wird. Eine Scheidung ist unvermeidbar, wenn der zum Handtaschenträger degradierte Gatte den Forist/innen endlich mal zustimmt, dass seine Ehefrau ihn aus purer Berechnung geheiratet hat. Und das Sorgerecht für Sohn Archie hat das höchst interessierte Publikum ebenfalls schon festgelegt.

Es ist eine Mischung aus Amüsement, Erstaunen und Widerwillen, die solche Lektüre bei mir verursacht. Es ist aber auch gehörige Fassungslosigkeit darüber, dass erwachsene Menschen so viel Zeit und Hirntätigkeit (nicht unbedingt von erwähnenswerter Qualität) darauf verwenden über eine einzelne Frau, die ihnen nie im Leben begegnet ist, solche Urteile zu fällen. Sie scheinen in der Tat nichts Besseres zu tun zu haben. Vielleicht sollte ich mal nachfragen, ob jemand von ihnen bereit ist, mal meine Fenster zu putzen.

fl