Nein, ich kann keine Kaninchen aus irgendwelchen Zylindern zum Vorschein bringen, Blumensträuße aus dem Nichts auftauchen oder Geldscheine im Nirwana verschwinden lassen. Aber der Trick, aus einem langen Garnstrang in Sekundenschnelle eine gleichmäßig gedrehte Kordel zu produzieren und dabei nur einen einzigen Finger zu bewegen, sorgt immer wieder für Verblüffung. Ich wende ihn seit fast 30 Jahren an, seitdem ich ihn im Kindergarten meines Ältesten erstmals bewundern konnte, inzwischen soll er auch in Internet-Videos als brandneu angepriesen worden sein, habe ich mir sagen lassen.
Die insgesamt 15 Kindern, die sich an drei Nachmittagen in Fünfer-Gruppen am Ferienangebot zum Umgang mit der Nähmaschine beteiligten, staunten jedenfalls nicht schlecht, als ich den elektrischen Handmixer einstöpselte. Irgendwie müssen ihre neuen, selbstgemachten Rucksäcke ja auch auf dem Rücken getragen werden, am besten mit Kordeln. Also ein gaaaanz langes Stück Garn oder Wolle, je nach Dicke doppelt, vier oder sogar sechsfach gelegt und am Ende verknotet, wird an der einen Seite über eine Türklinke geschoben und an der anderen Seite über den Knethaken des Handmixers. Da der Handmixer beziehungsweise die Person, die ihn festhält, deutlich mobiler ist als eine Türklinke, ist jetzt der richtige Standort zu suchen, der nah genug an der Steckdose und weit genug entfernt von der Türklinke ist, dass die Strippe zwischen Klinke und Haken locker gespannt ist und auf gar keinen Fall durchhängt. Und dann kommt die erwähnte Fingerbewegung mit der der Quirl auf Höchststufe gestellt wird. Sobald man einen Zug auf der Kordel spürt, ist sie fertig.

Je nach Länge ist der Einsatz einer zweiten Person hilfreich, die die Kordel in der Mitte festhält, wenn man die Garnenden von der Türklinke und vom Mixer zusammenführt und verknotet. Sehr lange Kordeln müssen jetzt noch ein bisschen glattgestrichen werden, damit sie überall gleichmäßig verdreht sind. Kein Hexenwerk, aber ein Trick, der viele neue Fans und Nachahmerinnen gefunden hat und sicher demnächst von unserer Freundin Mina (Foto) auch in Teheran angewandt wird.
Über das oben genannte Ferienangebot hinaus werden an derselben Stelle bestimmt noch ganz oft Kordeln mit dem Handmixer „gezaubert“, denn die Kinder, die als Anfänger/innen innerhalb von knapp drei Stunden wunderschöne Rucksäcke angefertigt hatten, haben damit die Generalprobe für das inzwischen bestens ausgestattete interkulturelle Nähcafé „ZickZack“ absolviert. Über zwei Monate später als geplant – Corona lässt grüßen – kann jetzt endlich in der kommenden Woche das wohl erste Integrationsprojekt im Städtchen, das von Geflüchteten, Zugezogenen und Einheimischen gemeinsam geplant, vorbereitet und organisiert ist, seinen Betrieb aufnehmen.

Jeden Donnerstag von 15 bis 18 Uhr sind alle Interessierte, egal welcher Herkunft und welchen Geschlechts, ins Zickzack eingeladen. Dort können sie nähen (lernen) und sich dabei, wenn nötig helfen lassen, dort können sie sich aber auch einfach bei einer Tasse Kaffee und Tee mit anderen Besucher/innen unterhalten. Die offizielle „ZickZack“-Sprache ist dann Deutsch, denn Nicht-Muttersprachler/innen sollen hier die Gelegenheit haben, ihre Sprachkenntnisse zu erweitern und zu festigen.
Ich bin jetzt nicht nur gespannt, ob und wie dieses Angebot im Städtchen ankommen wird, sondern auch, wie lange es dauern wird, bis ich gelernt habe, nicht nur gerne, sondern endlich mal richtig gut nähen zu können.
fl
