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September 2017 in Deutschland. Meinungsforscher verfallen in Hyperaktivität im eklatanten Gegensatz zu einigen Parteien und ihren Protagonisten, in einigen Landstrichen verzeichnet der Handel erstaunliche Umsatzsteigerungen beim Verkauf von Trillerpfeifen und Druckluft betriebenen Fanfaren, während die immer gleichen Köpfe und Worte in TV-Dauerschleifen vielen Zuschauern ein entspanntes Nickerchen auf dem heimischen Sofa bescheren.

Die bevorstehende Bundestagswahl bedeutet aber für viele Wahlberechtigte nicht die Frage, wen sie wählen sollen, sondern ob sie überhaupt wählen wollen. Keine Angst, ich werde hier keine Wahlempfehlung abgeben (es fällt mir tatsächlich leichter, die zu benennen, die man meiner Meinung nach nicht wählen sollte), sondern mich bei denjenigen einreihen, die nachdrücklich dazu auffordern, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen.

Dieses Recht nämlich ist ein hohes Gut, das ich vor allem als Frau nicht hoch genug schätzen kann. Denn der freie Zugang zu den Wahlurnen für uns Frauen wurde auch in Deutschland lange und hart erkämpft. Es ist tatsächlich noch recht jung, mit seinen gerade mal 99 Jahren. Anekdote am Rande: eine kleine pazifische Inselgruppe unter britischer Kolonialherrschaft war uns um 80 Jahre voraus.

Bis 1918 trieb das Wahlrecht für deutsche Frauen einige seltsame Blüten. So waren beispielsweise mal nur verheiratete Frauen mit Kindern wahlberechtigt, mal mussten sie eine gewisse Schulbildung nachweisen, und mal mussten sie mindestens 40 Jahre alt sein. Die Argumente der Gegner waren aus heutiger Sicht mehr als abenteuerlich. Mal war es die durch die Gebärfähigkeit verminderte Intelligenz der Frauen, mal widersprach es der ihnen zugeschriebenen Aufgabe „Kinder zu guten, strammen, tüchtigen, brauchbaren Preußen und Deutschen“ zu erziehen und immer wieder, wenn auch unterschiedlich formuliert, die Angst vor den „Widerlichkeiten des Suffragettentums“.

Und heute? Heute ist das Frauenwahlrecht so selbstverständlich, dass viele ganz freiwillig darauf verzichten, statt denen, die sich dafür eingesetzt und aufgerieben haben sogar dafür ihr Leben ließen, wenigstens durch das Kreuzchen auf dem Stimmzettel Anerkennung und Respekt zu zollen. Ich werde wählen. Und dabei denke ich nicht nur an all diejenigen, die mir das ermöglicht haben, sondern auch an die, die für meinen freien und kostenlosen Zugang zu Bildung, für eine freie Berufswahl, für (noch verbesserungswürdige) Gleichberechtigung und sexuelle Selbstbestimmung gesorgt haben. Und ich denke an meine Oma, die zu den ersten Frauen gehörte, die 1919 überhaupt wählen durften (ob sie es getan hat, weiß ich nicht, ich habe sie leider nicht erleben dürfen). Denn durch sie wird mir klar, dass das Frauenwahlrecht eigentlich noch viel zu jung ist, um als selbstverständliche Tradition wahrgenommen zu werden, statt uns seiner Bedeutung und Werte alle paar Jahre immer wieder bewusst zu werden.

Also, liebe Frauen, geht am 24. In die Wahllokale und macht Eure Kreuzchen – egal wo. Und bitte nehmt Eure Partner, Brüder, Väter, Freunde und Kollegen mit.  

fl  

Ach, und zum guten Schluss dann doch noch eine Wahlempfehlung:

Barbara