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Die Bücherei St. Lamberti bloggt

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Frauenrechte

Zeit für einen Feminismus

„Ein Mann in Unterhose und einer, der den Mixer nicht bedienen kann: Große Empörung, Shitstorm und Boykott-Aufrufe wegen Sexismus und falscher Darstellung des Männerbildes.
Tiefe Ausschnitte, knappe Höschen und Frauen, die sich feiern, dass sie Wohnung und Wäsche sauber gekriegt und ihre Kinder mit Süßkram ruhig gestellt haben: Vögel zwitschern, und irgendwo hört man leise den Frühlingsregen plätschern.“

So habe ich vor wenigen Tagen die Diskussion über den Werbeclip von Edeka zum Muttertag kommentiert. Kurz vorher hatte ich zum Thema Staubsaugen mit der Google-Bildersuche ein paar Fotos gesucht. Zum Schlagwort „Mann mit Staubsauger“ wurden mir u.a. diese Bilder angezeigt, die Euch bekannt vorkommen könnten.

Zum Begriff „Frau mit Staubsauger“ wurde mir dann aber tatsächlich auch so etwas angezeigt:

Es ist also Zeit, dass wir alle mal wieder einen Feminismus kriegen (auch dagegen hilft Wick Medinight nicht, ich hab den manchmal in Anlehnung an Frau Jahnke „ganz doll“), und dazu kann ich die Bücher von Margarete Stokowski sehr empfehlen. Zugegeben, es gab und gibt Kolumnen von ihr auf Spiegel online, die mich nur mäßig begeistern, aber die Zusammenfassung von Beiträgen für taz und SPON aus sieben Jahren unter dem – für manche vielleicht verstörenden;-) –Titel „Die letzten Tage des Patriarchats“ gefallen mir ausnehmend gut.

Sollten sich auf diese Seite Feminismus-Gegner/innen verirrt haben, ich muss euch enttäuschen: Männerhass werdet ihr in dem Buch vergeblich suchen. Finden werdet ihr aber eine ehrliche Bestandsaufnahmen und gut begründete Meinungen zu früher und heute aktuellen Themen und Ereignissen. Da geht es beispielsweise um die Reaktionen auf die schlimme Silvesternacht 2015 auf der Kölner Domplatte, um den „Bullshit-Feminismus“, mit dem sich, gerne auch prominente Frauen schmücken, oder auch um sexistische Äußerungen und sexualisierte Drohungen im Internet. Die Autorin zeigt Defizite auf und macht Verbesserungsvorschläge, glücklicherweise aber ohne den erhobenen Zeigefinger einer Svenja Flaßpöhler oder einer zunehmenden Engstirnigkeit einer Alice Schwarzer. Okay, die Attitüde der Akademikerin im medialen Sonnenschein würde ihr auch nicht stehen, und für Altersstarrsinn ist Stokowski noch viel zu jung. Dafür scheut sie sich aber nicht, persönliche Erfahrungen – nicht immer mit für sie schmeichelhaftem Ausgang – zu beschreiben und zu bewerten und öffentlich ihre Lehren daraus zu ziehen.

Das ganz besonders in ihrem anderen Buch mit dem – für manche vielleicht verstörenden;-) – Titel „Untenrum frei“. Sie beschreibt Erziehung, Pubertät und Erwachsenwerden und-sein in einer Zeit, in der die Frauenbewegung schon eine Menge erreicht hat. In einer Zeit, in der aber auch Ungleichbehandlung und Abwertung von Frauen oft wahlweise mit einem Schulterzucken oder einem süffisanten Lächeln hingenommen, oder weitaus schlimmer, gar nicht mehr wahrgenommen werden. Für Frauen wie mich, für die schon aus Altersgründen bereits vor Jahrzehnten Frauenrechte, Emanzipation und Feminismus zum Thema wurden, findet sich nicht wirklich Neues in dem Buch. Es erinnert aber in einer sehr gelungenen Zusammenfassung an Vieles, das nicht in Vergessenheit geraten und erst recht nicht verdrängt werden sollte.

Beide Bücher sind für Frauen jeden Alters zu empfehlen, egal ob sehr jung oder schon ziemlich alt. Und auch Männern schadet es ganz sicher nicht, sie zu lesen. Stokowskis Stil, sehr direkt, manchmal sogar ein bisschen schnoddrig, gefällt mir persönlich sehr gut (woher das nur kommt). Aber vor allem bin ich sehr angetan von ihrer guten Recherche und ihrem umfassenden Wissen, die ihr einen sehr guten Überblick über viele Fragen und Antworten verschaffen. Der Blick in ihre Quellenangaben ist daher eine wahre Fundgrube.

Und wer nach der Lektüre der Bücher von Margarete Stokowski, oder auch nur nach diesem Beitrag mit einem genervten Augenrollen und dem Aufstöhnen „Die Frauen (wahlweise auch Weiber) sollen endlich mal Ruhe geben, sie sind doch längst gleichberechtigt (wahlweise auch: sie haben inzwischen doch schon mehr Rechte als Männer)“, der/dem empfehle ich von Herzen, sich über die aktuelle Aktion „Maria 2.0“, deren Fragen, Standpunkte und Forderungen zu informieren. Sie ist der Grund, warum ich diese Zeilen zu Hause geschrieben habe.

fl

Ein Kreuz für meine Oma

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September 2017 in Deutschland. Meinungsforscher verfallen in Hyperaktivität im eklatanten Gegensatz zu einigen Parteien und ihren Protagonisten, in einigen Landstrichen verzeichnet der Handel erstaunliche Umsatzsteigerungen beim Verkauf von Trillerpfeifen und Druckluft betriebenen Fanfaren, während die immer gleichen Köpfe und Worte in TV-Dauerschleifen vielen Zuschauern ein entspanntes Nickerchen auf dem heimischen Sofa bescheren.

Die bevorstehende Bundestagswahl bedeutet aber für viele Wahlberechtigte nicht die Frage, wen sie wählen sollen, sondern ob sie überhaupt wählen wollen. Keine Angst, ich werde hier keine Wahlempfehlung abgeben (es fällt mir tatsächlich leichter, die zu benennen, die man meiner Meinung nach nicht wählen sollte), sondern mich bei denjenigen einreihen, die nachdrücklich dazu auffordern, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen.

Dieses Recht nämlich ist ein hohes Gut, das ich vor allem als Frau nicht hoch genug schätzen kann. Denn der freie Zugang zu den Wahlurnen für uns Frauen wurde auch in Deutschland lange und hart erkämpft. Es ist tatsächlich noch recht jung, mit seinen gerade mal 99 Jahren. Anekdote am Rande: eine kleine pazifische Inselgruppe unter britischer Kolonialherrschaft war uns um 80 Jahre voraus.

Bis 1918 trieb das Wahlrecht für deutsche Frauen einige seltsame Blüten. So waren beispielsweise mal nur verheiratete Frauen mit Kindern wahlberechtigt, mal mussten sie eine gewisse Schulbildung nachweisen, und mal mussten sie mindestens 40 Jahre alt sein. Die Argumente der Gegner waren aus heutiger Sicht mehr als abenteuerlich. Mal war es die durch die Gebärfähigkeit verminderte Intelligenz der Frauen, mal widersprach es der ihnen zugeschriebenen Aufgabe „Kinder zu guten, strammen, tüchtigen, brauchbaren Preußen und Deutschen“ zu erziehen und immer wieder, wenn auch unterschiedlich formuliert, die Angst vor den „Widerlichkeiten des Suffragettentums“.

Und heute? Heute ist das Frauenwahlrecht so selbstverständlich, dass viele ganz freiwillig darauf verzichten, statt denen, die sich dafür eingesetzt und aufgerieben haben sogar dafür ihr Leben ließen, wenigstens durch das Kreuzchen auf dem Stimmzettel Anerkennung und Respekt zu zollen. Ich werde wählen. Und dabei denke ich nicht nur an all diejenigen, die mir das ermöglicht haben, sondern auch an die, die für meinen freien und kostenlosen Zugang zu Bildung, für eine freie Berufswahl, für (noch verbesserungswürdige) Gleichberechtigung und sexuelle Selbstbestimmung gesorgt haben. Und ich denke an meine Oma, die zu den ersten Frauen gehörte, die 1919 überhaupt wählen durften (ob sie es getan hat, weiß ich nicht, ich habe sie leider nicht erleben dürfen). Denn durch sie wird mir klar, dass das Frauenwahlrecht eigentlich noch viel zu jung ist, um als selbstverständliche Tradition wahrgenommen zu werden, statt uns seiner Bedeutung und Werte alle paar Jahre immer wieder bewusst zu werden.

Also, liebe Frauen, geht am 24. In die Wahllokale und macht Eure Kreuzchen – egal wo. Und bitte nehmt Eure Partner, Brüder, Väter, Freunde und Kollegen mit.  

fl  

Ach, und zum guten Schluss dann doch noch eine Wahlempfehlung:

Barbara

 

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