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Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

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Containern

Frisch aus dem Container

Es ist kein Geheimnis, dass ich gerne und gut esse, denn das sieht man mir an. Der Hang zu gutem Essen mit der gleichzeitigen Wut über Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln könnte fast Anlass dazu geben, dass ich kriminell werde, wenn nicht Übergewicht in Verbindung mit beschämender Unsportlichkeit mich davon abhalten würde. Denn leider sind die Container der Supermärkte in der Regel von hohen Zäunen umgeben, um die Lebensmittel kurz bevor sie vernichtet werden vor dem Verzehr zu bewahren. Großartige Geste :-(.

Ja, ich finde Containern, also noch gut verwendbare Lebensmittel aus Abfallbehältern vor der Vernichtung zu retten, gut. Natürlich wäre es mir lieber, das Konsumverhalten würde solche Container überflüssig machen. Aber leider gibt es viel zu viele Kund/innen, die darauf beharren, kurz vor Ladenschluss unter mindestens zehn statt drei Brotsorten auswählen zu können. Die Folge: Supermärkte vermieten Ladenflächen nur an Bäckereifilialen, die sich verpflichten, auch am späten Nachmittag mehr Waren im Angebot zu haben, als sie bis Feierabend verkaufen können. Und vielen Vebraucher/innen ist es nicht begreiflich zu machen, dass der Verzehr eines Erdbeerjoghurts einen Tag nach dem MINDESThaltbarkeitsdatum nicht den sicheren Tod oder wenigstens tagelange Beschwerden bedeuten, die eine größere Entfernung von der Badkeramik nicht ratsam erscheinen lassen. Ich bin der lebende Beweis dafür, dass ein Fruchtjoghurt auch noch Wochen nach dem vom Hersteller empfohlenen Verzehr-Termin keinerlei gesundheitliche Schäden hervorruft und kann versichern, dass er sogar noch schmeckt.

Dass übrigens ist es, was mich in der ganzen Debatte um Haltbarkeitsdatum, Verzehrempfehlung und Warnung vor Verdorbenem aus dem Container immer wieder erstaunt: Warum vertraut niemand mehr auf den gesunden Menschenverstand, der einem sagt, dass Lebensmittel, die mit einem weißgrünen Flaum überzogen sind, ebenso in die Tonne gehören und dort bleiben müssen wie die, die einem zu widerlichen olfaktorischen Erlebnissen verhelfen. Und wenn eine  Messerspitze Testportion auf der Zunge britzelt oder muffig schmeckt, wird wohl kein vernünftiger Mensch zum Löffel greifen.

Ich bin immer mal wieder für mehrere Tage zu Gast in einer kleinen Landkommune, deren Bewohner/innen sich neben Erzeugnissen aus dem eigenen, nicht gerade kleinen Garten, vorwiegend mit Lebensmitteln verpflegen, die sie beim Containern ergattern können. Anders, als bei vielen Menschen, bei denen die Bedürftigkeit Anlass fürs Containern ist, ist es bei ihnen der Umweltgedanke und die Ablehnung der immer mehr um sich greifenden Wegwerf-Mentalität.

Die Folge: Ein sehr abwechslungsreicher Speiseplan, zum Teil mit Zutaten, die durchaus der Luxusklasse zuzuordnen sind. Das Kochen dort macht mir richtig Spaß, nicht nur weil an Singlemahlzeiten gewöhnt, die Mengen und Portionsgrößen eine Herausforderung sind, sondern weil mein Improvisationstalent gefordert wird. Zu kochen mit dem, was da ist und nicht erst einzukaufen um ein bestimmtes Gericht zu kochen, ist eine Herangehensweise die man auch ohne Containern viel häufiger praktizieren sollte. Spart nicht nur Geld, sondern bewahrt davor, dass der Kühlschrank irgendwann mit Resten überfüllt ist, die solange eingetuppert bleiben, bis sie wirklich hinüber sind.

Es macht mich immer wieder leicht fassungslos, welche Lebensmittel meine Gastgeber/innen aus den Containern fischen. Kistenweise Artischocken, teure Bio-Brotaufstriche (gerne auch mit MHD erst in zwei Wochen) und sogar ganze Käseräder wurden da schon „erbeutet“. Letztere hatten nur einen einzigen Makel: Es fehlte das Etikett mit der Zutatenliste und dem Mindeshaltbarkeitsdatum. Ach ja, die Bezeichnung fehlte damit natürlich auch, aber der Käse sah nicht nur aus wie Gouda sondern schmeckte auch so.

Aber, egal wie gut erhalten die Lebensmittel noch sind, wer sie braucht, und wie gut sie schmecken: es ist und bleibt strafbar, sie aus den Containern der Supermärkte zu nehmen. Das haben die CDU-Justizminister jüngst bekräftigt, als sie gegen den Vorstoß ihres grünen Kollegen aus Hamburg stimmten, das Containern zu legalisieren. Das allein finde ich schon ärgerlich, weil vermutlich in erster Linie Parteiräson und nicht Intelligenz und Einsicht ausschlaggebend dafür ist. Wirklich haarsträubend aber finde ich die Begründung der Unionsminister, die den Umweltgedanken in Zeiten von Friday für Future oder populären Videobotschaften wohl für unwichtig halten : „Wir wollen nicht, dass sich Menschen in eine solche menschenunwürdige und hygienisch problematische Situation begeben.“

Ja Herrschaften, wie wärs denn mal dafür zu sorgen, dass Menschen in unserem reichen Land nicht unter solchen menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen, dass sie oft keine andere Wahl haben, als sich in solche Situationen zu begeben? Zum Donnerschlag nochmal!

fl

P.S.: Ratet mal, wer diese Petition schon unterschrieben hat: Containern ist kein Verbrechen

Das Ding mit der Umwelt

Verdreckte Strände, Fische mit Plastik im Bauch, stinkende und giftige Rauchwolken über gigantischen Müllkippen und gleichzeitig ein gedankenloser Umgang mit Rohstoffen, wachsender Verbrauch von Kunststoff und die Jagd nach dem neuesten Smartphone, dem größten Auto und dem exotischsten Urlaubsziel. Ja, obwohl die Umweltprobleme bekannt sind und immer wieder thematisiert werden, lebt der größte Teil der Menschheit auf diesem Planeten, als ob es kein Morgen gäbe, als ob wir diese Erde von unseren Kindern und Enkeln nicht geborgt hätten.

Ihr merkt, ich bin nicht nur oft ungeduldige Alt-Emanze, sondern auch bekennende Öko-Tussi, zugegeben, nicht immer so praktizierend, wie möglich und nötig. Umso mehr begeistern mich Projekte, die es einfach machen, Ressourcen zu schonen, indem Dinge weitergegeben statt weggeworfen werden.

Bestes Beispiel sind die Tafeln, allerdings nur, wenn es um die Umwelt, nicht wenn es um gesellschaftliche Teilhabe geht. Der ursprüngliche Gedanke, Lebensmittel, die (von in der Regel zu anspruchsvollen Kund/innen) nicht mehr gekauft werden, aber noch völlig in Ordnung sind, werden weitergegeben, statt weggeschmissen. Dass diese Einrichtungen Bestandteil der Sozialpolitik geworden sind, war sicher nicht im Sinne der Erfinder und muss dringen geändert werden. Aber dass Lebensmittel gegessen statt – bestenfalls – kompostiert werden, sollte viel häufiger vorkommen. Aber Containern ist in Deutschland bekanntlich ein Straftatbestand. Dabei ist es ein Grund für Fassungslosigkeit, wenn man mal sieht, welche hochwertigen Lebensmittel in welchen Mengen Leute aus Containern der Lebensmittelläden holen. Es gibt Leute, die nahezu ihren ganzen Bedarf aus Containern decken und sich damit gesund und ausgewogen ernähren. Natürlich muss da mal ein Salatblatt mehr abgemacht und ein Stück Gemüse mehr abgeschnitten werden. Aber der schweineteure Bio-Frischkäse, dessen MHD erst in einer Woche abläuft, macht das wieder wett. Ich habe jüngst miterlebt, wie 30 bis 50 erwachsene Menschen ein ganzes Wochenende mit Brot aus Containern bestens versorgt waren. Und die Geschichte von dem kompletten Käserad, das völlig unversehrt aus der Abfall-Tonne „gerettet“ werden konnte, kann ich nicht oft genug erzählen – mit einem Unterton gemischt aus Erstaunen und Entsetzen. Der einzige Makel dieses Käses war nämlich das fehlende Etikett, so dass das Nichtvorhandsein von Zutatenliste und Minderhaltbarkeitsdatum den Verkauf unmöglich machten. Ich setz mich jetzt mal kurz auf die Finger, bevor ich mit sehr harschen Worten beschreibe, was ich davon halte.

Aber nicht nur bei Lebensmitteln ist ein umweltschonender Umgang mit Ressourcen ohne großen Aufwand möglich. Beipiel ein kleines Dorf mit gerade mal 1 500 Einwohnern in einem benachbarten Bundesland. An der Hauptverkehrsstraße fällt ein handgemaltes Schild „Umsonstladen“ an einem hölzernen Gartenhäuschen auf. Darin Kleidungsstücke von der Daunenjacke bis zum Babystrampler, Gläser, Geschirr, jede Menge Bücher und Dekokram unterschiedlichster Geschmackssicherheit. Lange bleibt dieses Inventar dort nicht, wer etwas braucht, nimmt es mit. Und wer etwas zu Hause hat, was nicht mehr gebraucht wird, stellt es dort zur Mitnahme bereit. Das Ganze funktioniert so gut, dass inzwischen auch aus den Nachbargemeinden der Umsonstladen gut frequentiert wird. Und alle haben etwas davon: Die Einen haben Geld gespart, die anderen wieder Platz im Schrank und die Umwelt wird weder durch Entsorgung noch durch Neu-Produktion belastet.

Und mal Hand aufs Herz: Wenn Ihr eine Bestandsaufnahme machen würdet, wieviel überflüssiger, selten oder nie genutzter Kram aus Schränken, Keller oder vom Dachboden käme zusammen? Ich trau mich, die Wette anzubieten, dass ich die meisten von Euch übertreffe, nicht nur beim Bestand von Woll- und Stoffresten. Gute Gelegenheit für eine Entrümpelung waren bislang immer Umzüge, bei denen die Altkleidersäcke, Kisten fürs Sozialkaufhaus und Mülltüten schneller randvoll waren als die Umzugskartons. Und dabei jedes Mal wieder großes Erstaunen darüber, wieviel Kram ich mir seit dem letzten Umzug angeschafft habe. Obwohl ich weder sonderlich Mode begeistert bin, noch eine Vorliebe für ständig wechselnden Dekokram habe und erst recht kein ausgeprägtes Interesse am neuesten Technik-Schnickschnack habe. Vom Budget für solche Dinge mal ganz zu schweigen.

Dennoch kommt im Laufe der Zeit so Einiges zusammen, darunter auch ein nicht unbeträchtlicher Anteil an Fehlanschaffung, der mich ziemlich ärgert. Nicht zuletzt, weil dadurch deutlich wird, dass ich in Sachen Umweltbewusstsein theoretisch oft besser bin als praktisch. Der eine Teil wurde im wahrsten Sinne für die Tonne gekauft (und steht oder hängt trotzdem noch im Schrank rum), der andere ist so selten in Gebrauch, dass Weihnachten eben doch öfter ist, und ein kleinerer und umso ärgerlicher Teil hat den Praxistest gar nicht erst überstanden.

Vor dem ein oder anderen Fehlkauf bewahrt mich hoffentlich in Zukunft das neueste Projekt der schönsten Bücherei meines Wohnortes, in der es jetzt Dinge auszuleihen gibt, die im „normalen“ Büchereibestand einen Exoten-Status verdienen, wie beispielsweise Backformen, Musikinstrumente, oder PC-Zubehör. Sie sind für zwei Wochen ausleihbar und helfen entweder bei der Entscheidung über die Notwendigkeit eines Kaufes oder sind nur für einen begrenzten Einsatz nötig. Okay, die Gefahr, dass ich überlege, mir eine Slackline anzuschaffen, ist relativ gering, denn ich habe mich daran schon mal versucht – muss ich erwähnen, dass ich gescheitert bin? Aber wer mit dem Gedanken daran spielt, kann jetzt erst einmal ausprobieren, ob das nicht vielleicht doch eine zu wackelige Angelegenheit ist. Warum soll man sich eine Nähmaschine anschaffen, wenn man nicht regelmäßig nähen, sondern nur ab und zu mal etwas flicken will? Und die Backform für die Kindergeburtstags-Einhorn-Torte ist auch eher selten über Jahre hinweg regelmäßig im Einsatz.

Ich finde das Projekt klasse, vielversprechend und ausbaufähig, denn es weckt Interesse an Neuem, spart dabei Geld und schont die Umwelt. Jetzt fehlt mir nur noch ein Umsonst-Laden hier, vielleicht neben dem offenen Bücherregal.

Kassette und Bleistift
Ach ja, der Zusammenhang zwischen diesen beiden Gegenständen und wie deren gemeinsamer Einsatz dauerhaft vermieden werden kann, erklärt sich bei einem Besuch in der  neuen „Bibliothek der Dinge“ entweder direkt in der Bücherei oder im Netz bei der OPAC-Mediensuche.

fl

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