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Portion Senf dazu?

Die Bücherei St. Lamberti bloggt

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Portion Senf dazu?

Urlaubskasse Bücherei

Es sind zwischen vier und fünf Medien, die sich rein rechnerisch jede/r Nutzer/in der für mich schönsten Bücherei der Region jeden Monat für ein paar Wochen zu sich nach Hause holen. Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten um zu wissen, dass beim Lesen dieser Zeilen die eine oder der andere treue Besucher/in im heimischen Wohnzimmer gerade müde lächelt mit Blick auf fünf Gesellschaftsspiele, sechs DVDs, acht Bilderbücher, vier Romane, fünf Hörbücher und sieben Bibi-und Tina CDs aus dem Bücherei-Bestand. Ja auch für mich ist es schwer vorstellbar, dass man die Bücherei nur alle paar Monate mal aufsucht und dann mit zwei oder Medien nach Hause geht. Aber eines haben sie gemeinsam, die Viel- und die Selten-Nutzer/innen, sie haben dank der Bücherei ordentlich Geld gespart.

Hätte die Familie im oben angeführten Beispiel die 35 Medien nicht ausgeliehen, sondern gekauft, wären laut diesem Rechner 443,10 Euro fällig gewesen. Wenn sie sich einmal im Monat in ähnlichem Umfang versorgt, spart unsere Muster-Familie also locker einen Jahresurlaub. Auch dann noch, wenn man die Gebühr berücksichtig, mit der die Büchereikarte jedes Jahr zu Buche schlägt. Und selbst unser/e statistische Durchschnitts-User/in mit nur vier bis fünf Medien pro Monat müsste aufs Jahr gerechnet etwa 900 Euro ausgeben, wenn sie/er die Bücher, Filme, Konsolenspiele usw. nicht ausleihen könnte, sondern kaufen müsste.

Ein ordentlicher Batzen Kohle, der auch für die eine oder andere Enttäuschung sorgen kann. Es ist wohl uns allen schon passiert, dass wir uns ein Buch angeschafft haben, das im Freundeskreis wärmstens empfohlen wurde, die Bestseller-Listen gestürmt oder hervorragende Kritiken bekommen hat, und das wir auch auf Seite 123 immer noch wahlweise gähnend langweilig, nichts sagend, verworren finden. Bei mir ist zum Beispiel Schluss, wenn die Zahl der Haupt(!)figuren eines Romans im mittleren zweistelligen Bereich angesiedelt ist. Und wer noch nie enttäuscht war, weil die hohen Erwartungen an ein neues Buch nicht erfüllt wurden, weil es nicht vielmehr beinhaltete als die ebenso stilistisch fragwürdige, wie grundlose Selbstbeweihräucherung der Autorin oder des Autors, hat entweder großes Glück gehabt oder noch nicht allzu viele Bücher gelesen.

Natürlich kann mir das genauso gut mit einem Buch aus der Bücherei passieren, aber dann klappe ich es eben auf Seite 123 zu, nehme die nächste Ausleihe zur Hand und bringe den Fehlgriff bei nächster Gelegenheit wieder zurück. Bei einem gekauften Buch quäle ich mich durch weitere zwei- bis dreihundert Seiten, weil ich denke, dass ich die 28 Ocken doch irgendwie abarbeiten muss.

Ja, es gibt Menschen, die können sich nur schlecht mit dem Gedanken anfreunden, dass ihre Lektüre vielleicht schon mal in fremden Betten gelegen haben könnte. Ich bin das ziemlich schmerzfrei und mache mir beispielsweise auch keine Gedanken beim Klamottenkauf, wer sich die Hose schon mal übers Gesäß gezogen haben könnte, wenn ich damit in der Umkleidekabine stehe. Aber wer bei der Anschaffung von Büchern halt besonders empfindlich, oder vielleicht auch nur besonders faul ist, greift schon mal gerne auf den Online-Handel zurück.

Ob diese Leute sich klar machen, was ihnen so entgeht? Natürlich gibt es nette Post- und Paket-Bot/innen, aber die haben in der Regel nie soviel Zeit für ein gemütliches Schwätzchen, wie die Bekannten, die man zufällig in der Bücherei trifft. So sehr ich es schätze, wenn der Paketbote mir Sendungen unaufgefordert hinterher bringt, bin ich noch nie auf die Idee gekommen, mit ihm spontan einen Kaffee/Tee im Knitterfrei zu trinken. Und welche im  Akkord Pakete packenden Lager-Arbeiter/innen interessieren sich schon dafür, welche Lesefortschritte der Nachwuchs in jüngster Zeit gemacht hat und gibt Tipps für die altersgemäße Lektüre?

Ja, ab und zu kaufe ich mir auch Bücher, selbstverständlich im örtlichen Buchhandel. Aber in der Regel handelt es sich um Exemplare, dich ich zuvor in dem über 12 000 Exemplare umfassenden Buchbestand der Bücherei gefunden habe (die Bücherei hat mehr, aber Kinderbücher oder Fantasy-Lektüre beispielsweise interessieren mich nicht) oder von den Mitarbeiter/innen habe finden lassen. Und wenn ich dann auf welche gestoßen bin, die ich für so toll befunden habe, dass ich sie immer mal wieder lesen möchte – in zeitlichen Abständen natürlich, oder mir einzelne Kapitel und Passagen ins Gedächtnis rufen will, dann will ich die auch dauerhaft in Wohnzimmer-Regal stehen haben mit der Gewissheit, dass der Kauf für mich gut angelegtes Geld ist.

Natürlich ist die Bücherei-Nutzung jetzt nicht nur eine große Chance für den Kontostand gut betuchter Sparfüchse, sondern vor allem Gelegenheit für alle, die sich ihr Einkommen jeden Monat gut einteilen müssen, und noch mehr für diejenigen, für die nahezu jede Neuanschaffung unter die Kategorie Luxus fällt, sich ständig und regelmäßig mit Bildung und Unterhaltung einzudecken, ohne an anderer Stelle sparen zu müssen. Es sind wohl die meisten, die mit dem durch die Bücherei-Nutzung eingesparten Geld eher den Ersatz für die defekte Waschmaschine finanzieren, als eine Kreuzfahrt zu buchen. Aber sie können sich den Zugriff auf tausende Medien bedenkenlos leisten, um ihre Gedanken auf wunderschöne Reisen zu schicken.

fl

Nach dem Spülschwamm kommt der Spül-Fisch

Nein, ich werde weder mit einem Fisch spülen, noch glaube ich, dass der Einsatz von Schneeweißchen und Rosenrot an der fettigen, angebrannten Pfanne tatsächlich eine Erleichterung für meinen kleinen Haushalt bedeuten könnte. Und ein Kardinal voller Seife kommt mir ganz bestimmt nicht in meine gefühlt zwei Quadratmeter Wellness-Oase.

Als ich vor dreieinhalb Jahren hier einen Beitrag über selbstgemachte Spülschwämme geschrieben habe, war ich nicht gerade voll des Lobes. Denn zum Einen stricke ich lieber, statt zu häkeln, aber vor allem habe ich sehr viele, sehr gute Gründe, warum ich das Spülen, wann immer möglich, der Spülmaschine überlasse. Daran wird sich auch nicht ändern, nachdem mir der beste Büchereileiter des Städtchens ein Buch zur Ausleihe empfohlen hat, in dem es darum geht „noch mehr“ Spültücher zu stricken – schöne natürlich. Wie seine Bemerkung „Das Auge spült mit“ zu bewerten ist, überlasse ich allen, die schon mal am frühen Morgen unter der Dusche mit Seifen- oder Shampoo-Reste da zu kämpfen hatte, wo sie richtig weh tun.

Auch wenn ich nicht vorhabe, auch nur eine einzige der Anleitungen nachzuarbeiten bin ich ziemlich beeindruckt von dem Büchlein, vielmehr von dem, was dahinter steckt. Wer in der Lage ist einen einfachen Schal zu stricken und ein paar unkomplizierte Strickmuster beherrscht, ist sicher fähig Vierecke zu stricken, und dabei die Maße von Spül- oder Waschlappen einzuhalten. Für besondere Ansprüche ist unter den 22 Anleitungen aber auch ein Sechseck zu finden.

Das Besondere aber finde ich, ist die Geschäftsidee, die dahinter steckt. Da wird die drölfundhunzigste von tausenden Ideen, die im Internet verfügbar sind, zu Papier gebracht mit Fotos der Arbeiten aufgenommen mit ein bisschen Deko-Kram. Auf Hochglanz-Papier und im Farbdruck natürlich, schließlich geht es ja auch um Nachhaltigkeit (die geneigte Leserschaft darf an dieser Stelle gerne mit dem Kopf schütteln). Verschiedene Farben, bzw. verschiedene Muster im Viereck bedürfen natürlich jeweils einer neuen kompletten Anleitung, irgendwie muss so ein Büchlein ja ein paar Seiten aufweisen, damit es für zehn Ocken verkauft werden kann.

Dazu sollen sicher nicht nur Formen und Farben der Läppchen beitragen, dazu haben sie auch phantasievollen Bezeichnungen bekommen, wie nicht nur die oben bereits angeführten, sondern auch „Schrubbelchen“, „Evergreen“ oder „Salz und Pfeffer. Ganz sicher würde ich meine Waschlappen niemals taufen, aber vor allem würde ich den überflüssigsten Tipp der gesammelten Anleitungen nicht befolgen, nämlich die Strickstücke in Form zu bringen, indem ich sie nach Fertigstellung sorgfältig spanne, bevor ich sie dann zusammen mit der fettigen, angebrannten Bratpfanne in Seifenlauge tauche.

fl

Einfach grandios

Grandios, einfach nur grandios. Unbedingt angucken!

Damit ist eigentlich schon das Wichtigste gesagt über den Film „Woman“, den ich innerhalb von ein paar Wochen jetzt das zweite Mal angesehen habe und ganz sicher noch das eine oder andere Mal folgen lassen werde. Dass mir das mit einem Dokumentarfilm passiert, hätte ich bisher nicht geglaubt. Aber ich behaupte, ungetrübt von besonderer Fachkenntnis oder cineastischer Neigung, dass „Woman“ von einer derartigen Qualität ist, das auch stolze 104 Minuten Untertitel im Abstand von einigen Wochen nicht eine Sekunde lang als herausfordernde Anstrengung empfunden werden.

Wie der Titel schon sagt, geht es um Frauen und für den Film wurden rund 2 000 Frauen in 50 verschiedenen Ländern dieser Welt interviewt. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie schwer die Auswahl der Frauen und ihrer Interview-Ausschnitte gewesen sein muss, die letztendlich zu sehen und zu hören sind. Nicht nur aus den unterschiedlichsten Ländern, sondern auch aus allen gesellschaftlichen Schichten schildern Frauen aller Altersklassen ihre Ansichten und Erfahrungen, von der durchgestylten Karrierefrau bis zur bis zur Feldarbeiterin mit traditionellem Lippenteller.

Sowohl die Protagonistinnen, als auch deren Statements und Erzählungen bilden ein immens großes Spektrum an Vielfältigkeit ab, geeint in ihrem Frausein. Weibliche Sexualität, Menstruation, Nacktheit werden aus Tabuzonen geholt und ebenso offen angesprochen wie Liebe im Alter, Geburten und das eigene Frauenbild.

Das Thema Gewalt gegen Frauen hat einen beträchtlichen Anteil in dem Film, spiegelt damit aber nur die Realität wider. Das Fehlen von Triggerwarnungen vor einigen geschilderten Erlebnissen neben den Untertiteln ist mein einziger Kritikpunkt an diesem Film. Von Männern ausgeübte Gewalt, und/oder die Angst davor, begleiten geradezu jede Frau jeden Tag. Bevor jetzt jemand Schnappatmung vor Empörung kriegt: auch sexistische Beleidigungen und unerwünschtes Grabschen sind Gewalttaten, nicht nur Prügel und/oder Vergewaltigungen.

Eine Bitte an die Männer, die vielleicht jetzt kopfschüttelnd vor dem Bildschirm oder Display sitzen, sich mal vorzustellen, sie würden nachts durch eine menschenleere Straße oder in eine Tiefgarage gehen. Wenn ihr alleine seid, kommt in euch vielleicht ein Gefühl von Angst hoch, vielleicht meidet ihr solche Situationen auch, wann immer möglich. Wenn ihr aber in Begleitung von einem Kumpel seid, könnt ihr meist relativ unbeschwert eures Weges gehen. Das können Frauen in Begleitung einer anderen Frau eher nicht, es sei denn, ihre Kumpeline ist Trägerin irgendeines schwarzen Kampfsport-Gürtels.

Der gesellschaftliche Umgang mit dem Thema Gewalt gegen Frauen verändert sich viel zu langsam, als das sich daran etwas grundlegend ändert. Eine scharfe Trennung zwischen sexueller und sexualisierter Gewalt wäre m. E. ein wichtiger Schritt. Wenn Frauen als Sexualobjekt zur Kriegsbeute werden, wie im Film geschildert, hat das wenig bis gar nicht damit zu tun, dass die Vergewaltiger ihre sexuellen Triebe befriedigen wollen, sondern sie demonstrieren ihre Macht. Eine Demonstration, bei der Frauen als Mittel zum Zweck grausamst missbraucht werden, um ihre Männer, Väter, Brüder und Freunde zu demütigen.

Anmerkung: Erst im Jahr 2002 wurde Vergewaltigung als Kriegsverbrechen in das Statut des Ständigen Internationalen Strafgerichtshofes aufgenommen, es dauerte vierzehn Jahre bis das erste Urteil dazu fiel. Zur Situation in Deutschland ein paar persönliche Hinweise im Nachtrag unter diesem Beitrag , denn hier soll es um den Film gehen, in dem Frauen zeigen, wie sie es geschafft haben, sich ihre Würde zu erkämpfen und zu bewahren, auch nach schlimmsten Misshandlungen.

Entsprechend spielt auch Respekt eine große Rolle (nicht nur) im Leben der Frauen, die in „Woman“ zu Wort gekommen sind. Völlig zu Recht kommt immer wieder ihre Forderung zum Ausdruck, dass nicht nur Männer, sondern die gesamte Gesellschaft Respekt vor der Arbeits- und Lebensleistung der Frauen haben müssen, statt sich darauf auszuruhen, oder schlimmer noch, bestimmen zu wollen, welche Chancen auf eine gleichberechtigte Teilhabe – allem voran im Bereich Bildung und Berufausübung – Frauen verwehrt sind und bleiben. Ja, sie verdienen Respekt, und zwar eine ganze Menge, all die Frauen, die trotz großer Hindernisse, die ihnen bewusst in den Weg gestelllt werden, trotz schlimmer Schicksalsschläge und Gewalterfahrungen, trotz ständiger Bedrohung und Einschränkungen ihren Mut und ihre Stärke dafür einsetzen, ihren Platz als kraftvoller Bestandteil der Gesellschaft einzunehmen und zu behaupten. Meinen haben sie.

Diese Frauen, stellvertretend für Milliarden andere, machen den Film zu dem, was er ist: sehr sehenswert und sehr wichtig. Also unbedingt angucken! Am besten im Kreis von Freundinnen und Freunden, denn ihr werdet garantiert anschließend Gesprächsbedarf haben. Der Orange Day am 25. November, an dem es weltweit die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen geefordert wird, wäre ein passendes Datum.

fl

Hier der versprochene Nachtrag:

In Deutschland hat es Jahrzehnte Kräfte zehrender Debatten bedurft, bis die Vergewaltigung in der Ehe strafrechtlich verfolgt werden konnte, bei der Abstimmung im Bundestag stimmten über 20 Prozent der Abgeordneten dagegen. Unter ihnen bekannte Politiker, die zum Teil immer noch als Entscheidungsträger in der Öffentlichkeit stehen (und sich in einigen Fällen dem Kampf gegen einen geschlechtergerechten Sprachgebrauch verschworen haben).

Bis zum heutigen Tag werden Femizide in der deutschen Kriminalstatistik nicht gesondert aufgeführt, sondern lediglich die Tötungen im Rahmen der Partnerschaftsgewalt. Angesichts der zunehmenden Verbreitung der Incel-Bewegung, der neben Anders Breivik auch die Attentäter von Hanau und Halle zugerechnet werden, ein gefährliches Weggucken der Behörden.

Aber auch die Justiz hat einen deutlichen Nachholbedarf, wenn es bei Gewalt gegen Frauen um die Vermeidung von Täter-Opfer-Umkehr geht, denn die bundesdeutschen Gerichte können sich immer noch auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs von 2008 berufen (AZ 2StR 34908), in dem es u. a. heißt: „Nicht jede Tötung, die geschieht, weil sich der (frühere) Partner vom Täter abwenden will oder abgewandt hat, beruht zwangsläufig auf niedrigen Beweggründen. Vielmehr können in einem solchen Fall auch Gefühle der Verzweiflung und inneren Ausweglosigkeit tatauslösend und tatbestimmend sein. Diese können eine Bewertung als „niedrig“ namentlich dann als fraglich erscheinen lassen, wenn die Trennung von dem Tatopfer ausgeht und sich daher der Angeklagte durch die Tat gerade dessen selbst beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will.“ Mit anderen Worten: Ein Mann, der seine Partnerin ermordet, weil sie ihn verlassen will und/oder eine neue Liebesbeziehung eingegangen ist, kann wegen Totschlags und nicht wegen Mordes verurteilt werden. Das kann nicht nur einige Jahre, sogar Jahrzehnte Knast ersparen, sondern im Gegensatz zu Mord verjährt Totschlag nach zwei Jahrzehnten.

Wer sich für Zahlen und Fakten der jüngsten BKA-Statistik interessiert, findet sie hier.

Freiheit nur für Meinungen

Wie so viele andere Lichtblicke auf dem Weg zu einer hoffentlich baldigen Post-Corona-Zeit gehören die unterschiedlichsten Veranstaltungen, wie Konzerte, Ausstellungen und Messen mit leibhaftigem Publikum. Freunde von mir haben auf der Spielemesse ihre Bankkarte zwar nicht gerade glühen aber schon ordentlich zum Einsatz kommen lassen und freuten sich, dass sie endlich, das schon für das vergangene Jahr veranschlagte Budget für  bunte Pappkartons mit unterschiedlichstem Inhalt und ganz, ganz vielen spannenden und unterhaltsamen Stunden ausgeben konnten.

Die Veranstalter/innen von Großevents haben sich viele Gedanken gemacht und Ideen umgesetzt, wie nach der Zwangspause Pandemie-Regeln in die Abläufe einzubringen sind, aber vor allem natürlich welche Angebote wie  zeitgemäß präsentiert werden können. Nur die Frankfurter Buchmesse hat augenscheinlich vergessen, dass Rassismus und Hass auf Andersdenkende in Zeiten von gewalttätigen Corona-Schwurblern genauso ein Problem sein dürfte, wie vor der Pandemie.

Frankfurter Buchmesse 2017, Quelle: stern.de

Ich habe als weiße Frau in einer Kleinstadt im Westmünsterland glücklicherweise keine Erfahrung mit rassistischen Beschimpfungen und kann sicher nicht wirklich nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn einem „Sei dankbar, dass wir dich von den Bäumen geholt haben, Drecksviech!“ und „Sklavenhändler hinbestellen mitnehmen lassen.” vor den Latz geknallt und die Ausweisung einer zwischen Sauerland und Ruhrgebiet geborenen Staatsbürgerin gefordert wird. Und ich kann auch nur ansatzweise nachvollziehen, wenn eine schwarze Autorin Angst um sich und ihre Kinder hat, wenn nach Morddrohungen von rechten *** (Selbstzensur) ihre Privatadresse im Netz veröffentlicht wird. Ich weiß aber ganz sicher, dass ich mich ganz sicher nicht mit solchen Hetzer/innen in einem Raum aufhalten würde.

Ja, ich finde es bedrückend, wenn Janina Kuhnert bei einer öffentlichen TV-Veranstaltung auf der Buchmesse vorab nicht namentlich genannt, sondern als Überraschungsgast angekündigt wird, um ihre persönliche Sicherheit nicht zu gefährden. Und ich habe großes Verständnis, dass ihr ihre Sicherheit wichtiger ist als Promotion für ihr Buch, wenn einer derjenigen, die ihre Ausweisung forderte, als Verleger mit einem Stand an prominenter Stelle in direkter Nähe zum „Blauen Sofa“ platziert ist. Nach 2017 sollten die Verantwortlichen wissen, wie Gesinnungsfreund/innen rechtsextremer Verlage mit Meinungsfreiheit umgehen, die man mit deren Teilnahme unter Beweis zu stellen glaubt. Nicht nur Kuhnert auch andere schwarze Autor/innen und haben ihre Teilnahme an der Buchmesse – sicherlich schweren Herzens – abgesagt, ebenso wie weiße für ihren Einsatz für Menschenrechte bekannte  eingeladene Gäste.

Und natürlich heulen gewisse Kreise jetzt sofort wieder über Cancel Culture, statt sich mal Gedanken zu machen, dass Bedrohungen von Kulturschaffenden genau dahin führen. Und es entzündet sich die siebentausenddrölfzigste Debatte über Meinungsfreiheit und deren Grenzen. Nicht falsch verstehen, ich finde sie wichtig, wünsche mir aber, dass sie auch zielführend sein sollen.

Der rechte Verlag, dessen Teilnahme an der Buchmesse so viele Fragen und Proteste aufwirft, gehört einem Mann, über den man auf Wikipedia erfährt: „Philip Stein (* 1991 in Fritzlar) ist ein rechtsextremer deutscher Verleger und Aktivist im Kontext der Neuen Rechten und der Alternative für Deutschland. Er gilt als „ultrarechter Burschenschafter“, „völkischer Stratege“ und „rechter Netzwerker“. Er war Pressesprecher der Deutschen Burschenschaft (DB) und ist Leiter des rechtsextremen Gemeinschafts-Projekts Ein Prozent für unser Land.“ Der Initiative „Ein Prozent“ bescheinigte das Oberlandesgericht Dresden übrigens im vergangenen Jahr, dass sie „nicht nur die Hassorganisation „Identitäre Bewegung“ unterstützt habe, sondern selbst eine Hassorgansiation sei“.

Selbstverständlich ist es richtig und wichtig, wenn so eine renommierte Veranstaltung wie die Frankfurter Buchmesse das gesamte gesellschaftliche und politische Meinungsspektrum von rechts bis links abbildet und Debatten zwischen Linken und Rechten eine Bühne bietet. Voraussetzung muss aber m. E.  sein, dass sich ausnahmslos alle Verlage, deren Mitarbeiter/innen und Autor/innen an Gesetze und Bestimmungen halten, allen voran das Grundgesetz. Extremistischen Büchermacher/innen, gut vernetzt mit nachgewiesen verfassungsfeindlichen Organisationen, eine öffentliche, viel beachtete Bühne zu bieten hat aber nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, denn Rassismus, Antisemitismus und Faschismus sind keine Meinungen, sondern Verbrechen. Ich feiere jeden Verlag auf der Frankfurter Buchmesse, der das zum Ausdruck bringt.

fl

Ein paar Maschen Hund auf der Nadel

Start up, Nachhaltigkeit, Umwelt und Ressourcen schonen, fair produziert, regional, all das sind Stichworte, die ganz sicher nicht nur mir immer wieder in Online-Foren über den Weg laufen und mein Interesse wecken. Wenn dann aber noch Stichworte wie stricken und Wolle dazu kommen, schnappe ich zu, wie der Hund nach der Scheibe Wurst.

Womit wir auch gleich beim Thema wären, denn per Zufall las ich von einem Start-Up-Unternehmen, das Hundehaare zu Strickwolle verarbeitet. Treue Leser/innen erinnern sich vielleicht, dass ich sehr wählerisch bin, wenn es um die Qualität von Wolle geht und auch schon gewisse Merkwürdigkeiten ausprobiert habe, was diesem Blog seit über vier Jahren immer wieder ungeahnte Aufmerksam sogar im Ausland beschert. Und so hatte ich auch im Hinterkopf sofort die Idee eines Blogbeitrags mit praxisnaher Schilderung der Qualität von Hunde-Wolle, als ich den Link in einem Forum anklickte.

Bei der Überschrift „Ist auch deine Fellnase Teil der System-Revolution?“ war ich kurz davor, die Seite wieder zu verlassen, da die einzigen Haustiere in meinem Haushalt Wollmäuse im Großfamilien-Verbund sind, und Herr Oter bislang keine revolutionären und/oder systemverändernde Ambitionen gezeigt hat. Gering war dementsprechend mein Interesse daran Tierschutz zu unterstützen durch die Einsendung von Hundehaaren, zumal ich auf der Homepage keine Hinweise finden konnte, an welche Institutionen bisher wieviel Geld gespendet wurde.

Aber mir gings ja auch ums Stricken, um berichten zu können, wie sich die Wolle anfühlt, wie gut oder schlecht sie zu verarbeiten ist, und ob das Versprechen eingehalten wird, dass sie nach dem Waschen und vor dem Trocknen nicht doch nach dem sprichwörtlichen nassen Hund stinkt. Also klickte ich auf den Shop und ließ meine Gesichtszüge entgleisen und die Kinnlade runterfallen, bevor ich beschloss, mich in Rekordzeit von dem Gedanken an einen neuen Pullover zu verabschieden und selbst auf ein kleines Probestück zu verzichten. 100 Gramm Wolle mit einer Lauflänge von 360 Metern in bester Hundegarn-Qualität, die nach Herstellerangaben immerhin für ein Paar Socken reichen soll, kosten nämlich stolze neunundsiebzigfünfundneunzig Euro. Bevor ihr dreimal nachlest:

79,95 €!

Für einen ganz normalen Pullover kann man also gut und gerne (gerne?) über 600 Euro veranschlagen, bei aufwändigen Zopfmustern kommt bestimmt nochmal ein Hunderter obendrauf. Und für den Fall, dass der gut ausgebürsteten „Fellnase“ (welche Tiere haben eigentlich Fell auf oder in der Nase?) mangels zu verspinnendem, wärmendem Unterfell ein Schnupfen oder Husten droht, kann man im Internet-Shop auch einen fertig gestrickten Hundepullover für den Schnäppchenpreis von 170 Ocken in Pinschergröße aus den Haren von Pfiffis Artgenossen käuflich erwerben.

Wohlgemerkt, der Rohstoff wird der Firma kostenlos von unweltbewussten Tierliebhaber/innen zur Verfügung gestellt, gegen das Versprechen von Spenden für einen Baum, ein Tierheim oder einen Gnadenhof. Bei einer derartigen „System-Revolution“ müssten sich der gute alte Karl und sein Kumpel Friedrich eigentlich mal so langsam beharrlich aus dem Grab schrauben.

fl

Bitte kein zweites 2015

Es ist nicht einmal ein Jahr her, dass ich von einer „Mischung aus Fremdscham, Fassungslosigkeit, Ärger/Wut, Hilflosigkeit und Mitleid“ schrieb im Zusammenhang mit dem Umgang von Geflüchteten in Deutschland und Europa. Ich war nicht so naiv, dass ich dachte, da würde sich kurzfristig etwas zum Besseren entwickeln, aber genau diese Gefühle, sogar noch stärker, überrollen mich jetzt, wenn ich Nachrichten sehe/höre, Zeitung lese und Diskussionen verfolge.

Wenn ich afghanische Bekannte treffe, dann weiß ich nicht, wie ich mit diesen Gefühlen umgehen kann. Da begegne ich Menschen, die sich viel Mühe gegeben haben, die deutsche Sprache zu lernen, sich in den deutschen Alltag mit all seinen Traditionen und kulturellen Normen einzufinden, die sich hier eine Existenz aufbauen oder neue berufliche Perspektiven entdeckt haben, die unsere Nachbar/innen und Mitbürger/innen geworden sind. Was kann ich ihnen sagen, wenn sie mich fragen, warum dem Land, das sie aufgenommen und ihnen all das ermöglicht hat, das Überleben ihrer Familien, Verwandte und Freunde in Afghanistan so schrecklich egal ist?

Ist es eine grandiose Unfähigkeit der verantwortlichen Regierungsmitglieder und ihrer Ministerialbeamt/innen, die Warnungen von Bundesswehrangehörigen, Botschaftspersonal und NGO-Mitarbeiter/innen nicht zu hören, geschweige denn zu verstehen? Oder ist es eine noch grandiosere Selbstüberschätzung aus über 6 000 Kilometer Entfernung, sicher und gemütlich hinter dem Schreibtisch oder in einer gepanzerten Dienstlimousine sitzend, die Lage in Afghanistan besser einschätzen zu wollen, als die Menschen vor Ort?

Wie kann man denn morgens noch in den Spiegel gucken, wenn man weiß, dass man dafür verantwortlich ist, dass hunderte Bundeswehr-Helfer/innen und ihrer Familien in Lebensgefahr schweben? Diejenigen, die abends in die Fernsehkameras gucken scheinen damit kein Problem zu haben.

Im Gegenteil, statt zu versuchen, den Schaden nicht noch zu vergrößern, wurde schon vor dem Start der ersten Bundeswehrmaschine nach Kabul zur Evakuierung von deutschen Staatsangehörigen und afghanischen Ortskräften Wahlkampf gemacht mit dem Slogan „Kein zweites 2015“. Ausgerechnet diejenigen, die in Sachen Flüchtlings-Schutz und –Politik versagt haben, glauben sie könnten eine Zeitmaschine konstruieren. Was für eine unerträgliche Hybris.

Grundsätzlich stimme ich diesem Slogan sogar zu, allerdings mit einem ganz anderen Inhalt. Nein, ich will auch nicht, dass sich das wiederholt, was wir seit 2015 immer wieder erlebt haben. Ich will nicht, dass Nazis, Rassisten, Rechtsextreme, Ausländerfeinde und Islamhasser als „besorgte Bürger“ verharmlost werden. Ich will nicht, dass Ängste vor Phantasiegebilden wie Zwangs-Missionierung und Bevölkerungsaustausch , geschürt werden von Leuten, die selber nur Angst haben, ein paar Krümel von einem Kuchen abgeben zu müssen, den sie nicht mal selber gebacken haben. Ich will nicht, dass Minderheiten für sich in Anspruch nehmen „Wir sind das Volk“ und ich will erst recht niemanden mehr „Ausländer raus“ grölen hören.

Und auch die ewige Leier“ dass können wir uns nicht leisten“ will ich nicht mehr hören. Ein Land, das es sich leistet jedes Jahr auf rund 125 Milliarden Euro (ca. ein Drittel der Gesamtsumme des Bundeshaushaltes durch Steuerhinterziehung zu verzichten, soll durch die Aufnahme von Geflüchteten pleite gehen? Wie viele Unterkünfte, Deutsch- und Integrationskurse und Therapiestunden für traumatisierte Kinder hätte man denn finanzieren können mit dem Geld, das Minister durch ihre Maut-Träume oder Schrottmasken-Deals versenkt haben?

Ja, es ist eine Mammutaufgabe mit unzähligen Problemen, Menschen zu integrieren, die ein anderes Weltbild haben, deren Lebensumstände für uns manchmal aus der Zeit gefallen zu sein scheinen, deren Lebensplanung- und Ziele für uns teilweise nicht nachzuvollziehen sind, die uns genauso fremd sind, wie wir ihnen. Da hat es in der Vergangenheit viele Fortschritte gegeben, es hat aber auch Kriminalität und Gewalt bis zum Mord gegeben. Aber wird sind nicht mehr im Jahr 2015, als nur sehr schwer abzuschätzen war, welche Probleme im Einzelnen bewältigt werden müssen. Es wurden Strukturen geschaffen und Erfahrungen gesammelt, die heute zur Verfügung stehen und wir könnten aus vergangenen Fehlern lernen. Theoretisch.

Dafür, dass Politik und große Teile der Gesellschaft seit Jahren aus all dem so gut wie nichts gelernt haben, oder schlimmer noch nichts lernen wollen, schäme ich mich fast genauso, wie für menschenverachtende Empathielosigkeit, die gerade wieder genauso sichtbar wird, wie 2015.

fl

Das I-Wort

Na, könnt ihr das Wort noch hören, das mit „Imp“ anfängt und mit „fen“ endet und das sich mit jeder Nachrichtensendung, aber auch in fast jedem privaten Gespräch in eure Gehörgänge schraubt? Ja, es nervt, ständig vorgehalten zu kriegen, nur wenn genügend Menschen geimpft sind, wird die vierte Infektionswelle hoffentlich in Schach gehalten werden können. Aber dieser Nervfaktor kann ganz schnell ausgeschaltet werden, wenn eben möglichst viele Menschen der Aufforderung ganz schnell nachkommen.

Und das am liebsten freiwillig, aber auch ohne irgendwelche „Geschenke“, sondern aus Solidarität mit den unzähligen Gastronomen, Händler/innen, Kulturschaffende und anderen Solo-Selbständigen die ein erneuter, sogenannter Lockdown endgültig in die Pleite treiben wird. Und auch aus Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen, die nicht schon wieder alleine Zuhause in einem uneffektiven Distanzunterricht hocken sollten, und aus Verständnis für die Eltern, die auf dem Zahnfleisch gehen, weil sie mit den Aufgaben als Hilfslehrer/innen, Tröster/innen und Alleinunterhalter/innen mit jeder neuen Woche geschlossener Schulen und Kitas erneut überfordert wären. Aber vor allem auch aus Rücksicht auf die, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können und für die jede Virus-Infektion eine Gefahr bedeutet.

Nein, ich bin keine Befürworterin einer allgemeinen Impfpflicht, sondern möchte auf Selbstverantwortung setzen, auch wenn die damals schon nicht geholfen hat bei Shoppingtouren und Urlaubsreisen in Länder ohne Maskenpflicht, bei Nichteinhaltung von Quarantäne („Weiß doch keiner.“) oder jüngst bei der Veranstaltung von Fußballturnieren. (Ich bin und bleibe eben Optimistin, auch wenn manchmal schwer fällt.)

Aber wie sieht es bei Mitarbeiter/innen von Krankenhäuser und Pflegepersonal aus, bei Lehrer/innen und Erzieher/innen? Shopping-Touren, Urlaubsreisen, Partys und Sport-Events kann mensch meiden um einer Corona-Infektion möglichst aus dem Weg zu gehen. Aber niemand kann sich aussuchen, ob sie/er von geimpften oder ungeimpften Ärzt/innen im Krankenhaus behandelt werden möchte, ob nur geimpftes Personal das Krankenzimmer betreten darf. Und auch Schüler/innen und deren Eltern können nicht entscheiden, geimpfte oder ungeimpfte Lehrer/innen in der Klasse stehen. Wessen Recht auf freie Entscheidung wiegt schwerer? Das der Menschen, die ihren Anspruch auf körperliche Unversehrtheit gewahrt wissen möchten, oder das von den Menschen, die auf Selbstbestimmung verweisen und sich nicht impfen lassen wollen?

Und welche Gründe für eine Impfverweigerung können/sollen/dürfen/müssen akzeptiert werden? Die des Aluhut-Trägers, der sicher ist, dass ihm kein Impfstoff, sondern ein Chip injiziert wird, der irgendwas Schlimmes im Körper anrichtet, das nur dazu dient, dass irgendeine „Elite“ die Welt beherrschen kann? Die der jungen Frau, die ihren Kinderwunsch in ein paar Jahren verwirklichen möchte und deren Zweifel an der Unbedenklichkeit der Covid-Impfung nicht durch langjährige Erfahrungswerte besänftigt werden können? Die der Mutter, die ihrem impfwilligen 14Jährigen die Unterschrift verweigert, weil ihre selbsternannte „Heilerin“ (im früheren Beruf Bauzeichnerin), ihr rät abzuwarten, bis bestimmt ganz bald jemand nachgewiesen hat, dass Bleichmittel eine adäquate Alternative zum Impfstoff ist? Oder die des Nachbarn, dessen Körper jedes Mal begeistert „Hier!“ schreit, wenn irgendein potentielles Allergen in weiter Ferne auftaucht?

Solche und viele andere Aspekte werden in den unterschiedlichsten Zusammenhängen be- und angesprochen und viele Menschen versuchen die Antworten auf ihre Fragen bei Professor Google , auf der Facebook-Akademie oder in einem Telegram-Symposium zu finden. Das zusammen mit den ständigen Impfaufrufen Und Debatten in den Medien führt dazu, dass das I-Wort „Impfung“ irgendwann das Zeug zum Unwort des Jahres haben dürfte.

Dabei ist es so einfach das zu verhindern, wenn jede/r sich an der richtigen Stelle informiert. Und die ist und bleibt für mich die Praxis der Hausärztin oder des Hausarztes des Vertrauens mit seriöser, medizinischer Fachkompetenz und dem notwenigen Wissen über Körper und Gesundheit der oft langjährigen Patient/innen. Die meisten Menschen vertrauen „ihren“ Ärzt/innen, wenn sie ihnen Medikamente verschreiben, besorgen sich die in der Apotheke und nehmen sie nach Anweisung ein. Oft über Jahre hinweg. Warum dann nicht auch einer personalisierten, professionellen Impfempfehlung trauen?

Der Wunsch, dass dieser vermaledeite Corona-Spuk so bald wie möglich seinen Schrecken verliert, erfüllt sich nicht von allein. Da muss schon eine solidarischen Gesellschaft was für tun.

fl

Impfen tut echt nicht so weh…

Wieder ein Turnier ohne Fußballhelden

Die Begeisterung mancher Menschen für Fußball kann ich nicht teilen. Aber das macht nichts, ich erwarte ja auch nicht, dass alle Menschen sich für Stricken oder Nähen begeistern. Ich hab nichts gegen Fußball-Fans, solange sie nicht gewalttätig sind, oder sich mit Rechtsextremisten verbünden.

Ich gönne es ihnen vor allem, wenn sie jetzt während der Europameisterschaft  nicht mehr alleine oder im Kreis der bestenfalls ebenso begeisterten Familie vor dem heimischen Fernseher für Stimmung sorgen müssen, sondern zusammen mit Freund/innen, Bekannten, Nachbar/innen und anderen Gleichgesinnten auf der Terrasse wieder ein Stück Fußball-Fan-Alltag erleben können. Warum schon nach einem gewonnnen Vorrundenspiel lautes Hupen ziellos herumfahrender Autos zu hören ist, erschließt sich mir nicht und lässt mich (etwas ängstlich) fragen, welche Steigerungsmöglichkeiten umgesetzt werden, falls die deutsche Mannschaft das Endspiel erreichen sollte.

Im Allgemeinen ist mir Fußball herzlich egal. Politik eher nicht, und deshalb gefällt mir die regenbogenfarbene Armbinde von Manuel Neuer ausnehmend gut, optisch wie inhaltlich-symbolisch. Was ich darüber denke, dass im Vorfeld der Bundestagswahlen Mitglieder einer in Teilen rechtsextremistischen Partei die Maske der grundgesetztreuen Demokraten fallen lassen und die Fratze der (nicht nur) homophoben Hetzer gegen Minderheiten zeigen, muss ich wohl nicht erläutern.

Dagegen ist es geradezu wohltuend, dass die Hauptstadt eines nicht unbedingt für besonders progressive Gesellschaftspolitik bekannten Bundeslandes ihr Stadion in Regenbogenfarben beleuchten wollte, wenn die Mannschaft eines Landes dort spielt, dessen Regierung geradezu berüchtigt ist für ihre Diskriminierung von LBGTQ-Personen. Dass dieses wichtige Zeichen für Toleranz und Gleichstellung nicht zu sehen sein wird, macht mich richtig sauer und das gleich aus mehreren Gründen. Es geht, wie so oft im Fußball in den höheren Rängen um Geld und Profilierung und nicht um Solidarität und Mitmenschlichkeit, ja nicht mal um die Gesundheit sehr vieler Menschen beim Austragungsort für das EM-Endspiel.

Wegen der Ausbreitung der Delta-Variante des Corona-Virus und der damit verbundenen einschränkenden Maßnahmen befürchtet die UEFA, dass die Eitelkeit ihrer Sponsoren nicht ausreichend bedient werden kann, wenn nicht genügend Plätze in den VIP-Logen zur Verfügung stehen. Das sagt meiner Meinung nach nicht nur eine Menge darüber aus, wie der Verband die Motivation derjenigen einschätzt, die den medienwirksamen Fußball-Zirkus finanziell unterstützen, sondern auch darüber, wie sehr er fürchtet, sein Vermögen von rund 3,8 Milliarden nicht ungestört vergrößern zu können.

Die Bilder in der vergangenen Woche aus Budapest mit abertausenden Fans ohne Masken und Abstand im Stadion haben dann wohl bei der UEFA Begehrlichkeiten geweckt, ein Endspiel mit über 60 000 Zuschauer/innen dort möglich werden zu lassen. Da passen natürlich Regenbogenfarben und ungarische Nationalmannschaft drei Wochen vorher nicht gut zusammen, weshalb die UEFA sich laut aktuellen Medienberichten auf irgendwelche Formalien beruft, um als Veranstalter die bunte Beleuchtung des Münchner Olympistadions morgen zu untersagen. Wir werden nie erfahren, wie oft bei der Entscheidungsfindung die Worte „Corona“, „Mutante“, „Covid 19“, „Delta—Variante“ oder wenigstens „Infektionsschutz“ und „Gesundheit“ gefallen sind. Sie haben jedenfalls wohl keine bedeutende Rolle gespielt. Das Stadion, in dem die ungarische Nationalmannschaft spielt, wird sein wird wie immer, nämlich hell. Und der mächtige und einflussreiche Verband hat sich schwer blamiert, weil er gezeigt hat, was von seinen Lippenbekenntnissen für Toleranz und gegen Diskriminierung zu halten ist.

Eines ist jedenfalls ist für mich mich deutlich: Dem Fußball fehlen echte Helden. Nämlich die schwulen Spieler (und Funktionäre), die sich trauen (können), sich im Jahr 21. Jahrhundert zu ihrer sexuellen Identität zu bekennen. Jeden einzelnen, der dazu mutig genug ist, und alle, die sie unterstützen und vor ebenso dummen wie überflüssigen Angriffen schützen, werde ich feiern. Mit großer Begeisterung und mehr als alle Torschützen irgendwelcher Meisterschaften zusammen.

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Haus, Auto, Boot, Impfstoff

Zwei ehemalige Schulkameraden sehen sich nach Jahren unverhofft in einem Nobelrestaurant wieder. Großes Trara  und auf die Frage „Wie geht’s dir?“ kein Moment des Zögerns, ob erst die Kinder oder erst die Gattin belobhudelt werden sollen. Stattdessen, werden mit passender akustischer Untermalung nacheinander Fotos auf den Tisch geknallt „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“, um mit Erfolg und Reichtum zu protzen. Diese legendäre TV-Werbung aus den 90er Jahren ist heute, anders als der geniale Spot „Wenn ich mal groß bin, will ich auch Spießer werden“, ein wenig aus der Zeit gefallen. Im Jahre 2021, wird nämlich nach meiner Befürchtung demnächst beim Stammtisch neben den Aufnahmen vom schlimmstenfalls(?) Reihenhäuschen, Mini-SUV und Schlauchboot, bestenfalls(?) Villa mit Pool, Ferrari und Motorjacht noch mit nicht weniger Stolz der Impfpass als Statussymbol daneben gelegt. Vorausgesetzt, der passende Impfstoff ist darin vermerkt. Am besten der aus guter deutscher Laborarbeit und nicht der, dem Dank emsiger medialer und politischer Verunsicherung der Hauch des Ladenhüters anhaftet.

Liebe Reporter/innen, Journalist/innen und Redakteur/innen, ja in Zeiten, in denen das öffentliche und kulturelle Leben eingeschränkt ist, ist es schwierig Zeitungen so zu füllen, dass nicht irgendwo der weiße Kasten mit dem Hinweis „Platz für Notizen“ auftaucht. Aber der in Saure-Gurken-Zeiten gerne umgesetzte Anspruch „aus einem Furz einen Donnerschlag“ machen zu können, sollte gerade dann, wenn wissenschaftliche Expertise gefragter ist als Sensationslust, nur mit größter Sorgfalt angewendet werden.

Tauschen sich Diabetiker/innen regelmäßig darüber aus, welche Insulin-Marke sie spritzen? Oder begrüßen sich junge Frauen mit, „Du, ich nehm jetzt die Pille von xyz“? Was kommt als Nächstes? Ein Wettbewerb in Sachen Saugfähigkeit von Inkontinenz- und/oder Menstruations-Produkten beim Brunch im Familienkreis?

Ich kann es sehr gut verstehen, dass jemand ihre/seine Mitmenschen gerne an der Freude teilhaben lässt, endlich den ersehnten Impftermin bekommen zu haben (ich habe auch direkt meine Kinder benachrichtigt). Aber spielt es eine Rolle, welches Präparat dabei zum Einsatz kommt?

Millionen Menschen lassen sich jedes Jahr gegen Grippe impfen. Diejenigen darunter, die ich kenne, haben mir noch nie erzählt, mit welchem Präparat, und welche Untersuchungsergebnisse und Informationen sie vor dem Impftermin ergoogelt haben.

Und wer nach Afrika oder Asien reist, lässt vorher freiwillig zwischen einem halben und einem Dutzend Impfungen über sich ergehen, übrigens ganz ohne von Impflicht zu faseln oder unerträgliche historische Vergleiche mit selbst gebastelten „Abzeichen“ zu ziehen. Ich wage es, finanziell schmerzhafte Wetten anzubieten, dass nur ein Bruchteil der Reisenden den Hauch einer Ahnung hat, auf welcher Wirkungsweise die Impfstoffe basieren, oder von wem und wo sie hergestellt wurden. Nichts, dasss es darüber keine Infoormationen gäbe, es interessiert nur so gut wie niemanden.

Glauben diejenigen, die nicht selten mit einem gewissen Anflug von so etwas wie Stolz mitteilen, dass ihnen der Corona-Impfstoff einer bestimmten Hersteller-Firma gespritzt wurde, tatsächlich Qualitätsunterschiede beurteilen zu können? Auf welcher Basis denn bitte? Persönliche Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Präparaten und deren Langzweitwirkungen sind da eher ausgeschlossen. Und dass sich Laien durch mehrere wissenschaftliche Untersuchungen diverser Impfstoffe wühlen und dabei in regelmäßigen, je nach Vorbildung kürzeren oder längeren Zeitabständen mit Fachbegriffen konfrontiert werden, die sie erst mal nachschlagen müssen, übersteigt mein Vorstellungsvermögen.

Stiftung Warentest eignet sich in diesem Fall auch nicht wirklich als Informationsquelle. Der nicht selten überheblich anmutende Stolz auf Forschungsergebnisse „Made in Germany“ einiger Presseorgane aber erst recht nicht.

Ja, ich persönlich finde es gut und richtig, wenn sich möglichst viele Menschen gegen Corona impfen lassen. Und ich finde es erst recht gut und richtig, sich vorher zu informieren und bei eventuellen Unsicherheiten Antworten auf die jeweiligen Fragen zu suchen, um sich für oder gegen ein bestimmtes Präparat zu entscheiden. Aber bitte bei denen, die diese Fragen am besten beantworten können, nämlich den Hausärzt/innen des Vertrauens. Die können dann auch erklären, was es mit dem Begriff „Impfstatus“ auf sich hat, und warum der mal so gar nichts mit „mein Haus, mein Auto, mein Boot, mein Impfstoff“ zu tun hat.

fl

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