Dieses Wort, das mit „Cor“ anfängt und mir „ona“ aufhört, geht mit inzwischen massiv auf die Eierstöcke, so dass ich mir hier mal wieder Luft mache, auch auf die Gefahr hin, dass ich euch mit dem nächsten Corona-Beitrag auf den Wecker gehe. Ich bin so genervt, dass ich dieses Virus mit den unterschiedlichsten Schimpfwörtern „schmücke“, je nachdem ob in Gedanken oder im Gespräch in verschiedenen Abstufungen. Mein derzeitiger Favorit ist „bBC“ = blöde Bitch Corona .

Als ich vor 15 Jahren die Ereignisse, die das Städtchen in die internationalen Schlagzeilen katapultierte, erleben durfte, hatte ich eigentlich für mich beschlossen, dass ich mit ein paar Tagen Stromausfall genug „Katastrophe“ für den Rest meines Lebens kennengelernt hatte. Als ich dann immer mehr Geflüchtete und ihre Geschichten kennenlernte, beschloss ich, dass das damalige Geschehen alles andere als eine Katastrophe war, aber ich bitte auch nichts Schlimmeres erleben möchte. Und seit ein paar Monaten bestimmt eine Pandemie mein kleines Leben, bedroht meine Wohlbefinden und meine Gesundheit, was dazu führt, dass zumindest meine Stimmungslage zunehmend katastrophal wird. Vor allem, wenn es um Auswirkungen wie Quergida und unfähige (Schul-)Politik geht.

Aber so richtig angepisst (sorry, nicht schön, aber treffend) bin ich über diese scheinheilige Debatte über Corona-Maßnahmen zu Weihnachten. Ja, Selbstverantwortung als Grundstein für nur ziemlich mäßig einschränkende Maßnahmen (das Wort Lockdown finde ich in diesem Zusammenhang, egal ob mit dem Adjektiv weich oder hart versehen, maßlos übertrieben, wenn es nicht um Gastronomie und Kulturbetrieb geht) war ja wohl ein Satz mit X. Die Aufnahmen von Fußgängerzonen und Einkaufszentren in den TV-Nachrichten zeigen zwar nicht so ein übles Gedränge, wie sonst zu dieser Zeit um Glühweinbuden üblich, aber immerhin noch so viele Leute, dass zwei Meter Abstand bestenfalls der erkennt, für den 20 Zentimeter auch… lassen wir das.

Eine ganz eindeutige Mehrheit der Bevölkerung ist laut Umfragen dafür, Corona-Maßnahmen über die kommenden Feiertage zu verschärfen, statt zu lockern, aber augenscheinlich hat die Mehrheit der Politiker/innen nicht genug Mumm, diesen Wunsch auch umzusetzen. Und wenn ich in dem Zusammenhang das hohe Lied auf Weihnachten „als Fest der Familie“ höre, dann verharre ich in einem Moment des ungläubigen Kopfschüttelns gepaart mit einem hämischen Lachen. Meine Schulzeit ist ja nun schon mehrere Jahrzehnte vorbei, aber seitdem weiß ich, wie Weihnachten und Familie geschrieben wird, auf jeden Fall nicht wie K-o-m-m-e-r-z und S-t-r-e-s-s.

Es kann doch nicht sein, dass sich ganz plötzlich so viele nicht mehr daran erinnern, wie sie jedes Jahr stöhnen, weil sie einen regelrechten Eiertanz hinkriegen müssen, wer, wann, wen besuchen muss, und dabei oft längere Zeit im Auto verbringen als unter irgendeinem Weihnachtsbaum. Liebe junge Eltern, dieses Jahr habt ihr endlich die Chance euren Wunsch umzusetzen, die Bescherung an Heiligabend nur im Kreis der Kleinfamilie, also ohne Omas, Opas, Patentanten- und -onkel zu erleben. Ich bin ganz sicher, dass niemand vermissen wird, wenn Schwiegermutter beim Anblick des Weihnachtsmenus unweigerlich feststellt „Also, ich mach meine Knödel ja immer aus rohen Kartoffeln.“

Stellt euch doch mal vor, ihr sinkt am späten Abend mal nicht im zerknitterten Sonntagsfummel mit schmerzenden Füßen aufs Sofa, gönnt euch einen doppelten Grappa wegen der erhöhten Abschalt-Wirkung und stöhnt der/dem Partner/in nicht vor, dass sich Onkel Rudi ja noch schlimmer benommen hat als letztes Jahr, und Vati ja sowieso immer so ungemütlich wird, wenn er Schnaps getrunken hat. Stattdessen könnt ihr euch in Wollsocken und Jogginghose (in Corona-Zeiten ist so manches Tabu gebrochen) auf dem Sofa und lümmeln, den teuren Wein genießen den Tante Hildegard sonst immer runterkippt wie Wasser (Stichwort: Familie schöntrinken) und euch freuen, wie glücklich und zufrieden die Kinder doch waren, weil sie ganz ohne Druck, sich mehrfach zu bedanken und dabei niemand der Anwesenden zu vernachlässigen, in Ruhe ihr neues Spielzeug ausprobieren konnten. Und ist es denn nicht klasse, endlich die Gewissheit zu haben, dass Kindern und Eltern Spaghetti Bolognese einfach besser schmecken als Weihnachtsgans mit Rotkohl und (pssst! Packungs-)Knödeln?

Wenn ihr dann noch in der Verwandtschaft durchsetzen könnt, dass ihr aus Rücksicht auf die ohnehin schon schwerst ackernden Post- und Paket-Bot/innen die sonst übliche Geschenkeflut etwas trockenzulegen, ist das mit dem Abstand in den Fußgängerzonen und Geschäften auch viel einfacher. Und wenn ihr doch etwas verschenken wollt, verfolgt doch mal eine ganz neue Einkaufsstrategie:  Nicht mehr vor Ort von fachkundigen Verkäufer/innen beraten lassen und dann im Netz bei denen bestellen, die eure Heimatstadt ganz sicher nicht mit Steuergeldern lebendig erhalten. Nein, nutzt die Homepages des Versandhandels von Amazon bis Zalando um euch über bestimmte Produkte zu informieren, und setzt euch dann mit dem örtlichen Einzelhandel in Verbindung, damit die euch das Wunschteil beschaffen, das ihr dann nur noch abholen müsst. Oder ihr verschenkt, wie sonst auch oft, Gutscheine. Jetzt aber bitte mal ausnahmslos(!) von Geschäften in der direkten Nachbarschaft der Empfänger/innen.

Mit anderen Worten: Egal, wie in welchem Bundesland die Entscheidungen über Corona-Maßnahmen zu den Feiertagen aussehen werden, bleibt doch einfach zu Hause, macht es euch gemütlich und probiert mal ein Weihnachten ohne aufwändige, stressige und eher unbeliebte Familientraditionen aus. Ihr werdet euch wundern, wie schön das sein kann, wenn ihr es zulasst, indem ihr nicht jammert, sondern euch bemüht die positiven Seiten zu sehen. Der Wunsch nach „besinnlichen“ Weihnachten hat in diesem Jahr mal echte Chancen, nicht nur als Floskel zu dienen, sondern umgesetzt zu werden. Der für ein gesundes Neues Jahr damit automatisch auch.

P.S.: Auch ein Single-Weihnachten, für das ihr nur so viel einkauft, wie ihr braucht, an dem ihr ausschließlich das auf den Tisch bringt, was euch am besten schmeckt, nur dann, wenn ihr Hunger darauf habt, an dem ihr ganz ohne schlechtes Gewissen an drei Tagen zwei Bücher durchlesen könnt, oder morgens vor dem Frühstück einen Waldspaziergang macht, ist eine tolle Sache, wenn ihr euch darauf einlasst. Erfahrungswert!

fl