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Das Kopftuch muslimischer Frauen ist bekanntlich Gegenstadt zahlreicher, oft unsäglicher Diskussionen. Mancher dieser Debatten selbst würde ich ein Kopftuch wünschen, weil viele Argumente so offensichtlich an den Haaren herbeigezogen werden.

Vorab: Mir geht es um den Hidschab, jenes Stück Stoff, das Haare, Hals und Dekolletee bedeckt, also den Blick der Trägerinnen nicht einschränkt, ihre Mimik erkennen lässt und damit eine Kommunikation keineswegs stört. Burka und Nikab, die eine visuelle Kommunikation unmöglich machen, sind keine Kleidungsstücke, über die es sich zu diskutieren lohnt, nicht nur, weil sie hierzulande so gut wie nie getragen werden. Ebenfalls will ich betonen, dass ich ein Kopftuch ablehne, wenn eine Frau es nicht aus eigener Entscheidung trägt, sondern weil sie dazu gezwungen wird. Aber die Frauen, mit denen ich mich bisher über ihr Kopftuch unterhalten habe, haben mir sehr, sehr glaubhaft versichert, dass sie es aus freien Stücken und eigenem Willen tun. Natürlich spielt auch die Tradition eine Rolle, aber solche Traditionen hat die westliche Welt bekanntlich auch, wenn es um Fragen der Bekleidung geht. Es kommt wohl kein Manager auf die Idee, auf der Vorstandssitzung eines Großkonzerns in Shorts und T-Shirt aufzutauchen.

Und ja, auch die Religion spielt eine große Rolle, wohl für den größten Teil der Kopftuchträgerinnen. Aber daraus den Schluss zu ziehen, dass es ihnen um die Demonstration einer religiösen Überlegenheit gehe, halte ich – gelinde gesagt – für sehr abenteuerlich. Vor allem in Zeiten, in denen es in manchen Kreisen auf wenig Verständnis stößt, wenn (vor allem jüngere) Menschen dafür belächelt, oder sogar kritisiert werden, dass sie regelmäßig in eine christliche Kirche gehen – freiwillig und gerne.

Ich gebe gerne zu, ich persönlich bin nicht religiös genug, zu verstehen, wie jemand aus Verbundenheit zum Glauben darauf verzichtet, sich mal den Frühlingswind durch die Haare wehen zu lassen. Sich niemals Sorgen um einen Bad-Hair-Day zu machen, wiegt das für mich nicht auf. Aber ich maße mir auch nicht an, ein Urteil über die Beweggründe derjenigen fällen zu dürfen, die sich für das Kopftuch entschieden haben.

Ob ich es schön finde, steht nicht zur Debatte. Und ehrlich: bauchfrei mit Nabelpiercing ist für mich auch nicht gerade ein ästhetischer Genuss, ebenso wenig wie Gesundheits-Latschen mit weißen Baumwollsocken. Aber darüber aufregen? Vertane Lebenszeit.

Ja, ich gehöre zu denjenigen, die sich seit den 70er Jahren für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen einsetzt und sich dafür immer wieder den Mund fusselig geredet hat und noch redet. Zähneknirschend gestehe ich dieses Recht auch den Frauen zu, die die Einschaltquoten für solche TV-Formate wie den „Bachelor“ in die Höhe treiben – als sich vor der Kamera nahezu prostituierende Teilnehmerinnen, wie als begeisterte Zuschauerinnen.

Wenn wir uns an solche TV-Sendungen gewöhnt haben, ebenso wie zum Beispiel an barbusige Zeitschriftentitel, warum sollen wir uns nicht an den Anblick des Hidschab gewöhnen können? Warum Bestimmungen, statt selbstverständlicher Akzeptanz? Wenn die Kopftuchträgerin an der Kasse des Supermarktes sitzt oder hinter dem Bankschalter steht, ohne dass sich jemand darüber echauffiert, dann ist das für mich auch ein Stück Gleichberechtigung. Denn, wer muslimischen Frauen das Recht nehmen will, freiwillig (!) ein Kopftuch zu tragen, steht für mich auf derselben Stufe wie die Männer, die ihre Frauen, Töchter und Schwestern dazu zwingen, es zu tragen.

fl