Entsprechend verfolge ich da auch die Trends, schließlich sitze ich ja an der Quelle, was Zeitschriften und Bücher angeht. Und ja, ich finde es oft erschreckend, wieviel Lebenszeit und auch schöne und teure Wolle darauf verwendet werden soll, ausgesprochene Scheußlichkeiten zu fabrizieren.

Hochwertige Wolle hat ihren Preis, je sorgfältiger die Herstellung (Stichworte Tierhaltung, Scheren und Färben), desto höher der Preis. Manchmal aber leider auch: je bekannter das Label, desto höher der Preis. Da unterscheidet sich die Handarbeitswelt nicht vom Gesamtplaneten. Aber sobald der Trend „vegan“ ins Spiel kommt, wird das Ganze oft unverschämt. Als „vegane Wolle“ bezeichnen Hersteller und Händler seit einiger Zeit nämlich den Plastikmist, der bekanntlich alles andere als umweltfreundlich ist, und bei dem schon beim Maschenanschlag die Haare zu Berge stehen. Diese Knäuel aus z.B. 100 Prozent Polyacryl werden in Schnäppchenmärkten oder von Discountern (gerne auch mal in Neonfarben) zum Preis von etwa einem Euro angeboten. In dem Moment, in dem auf der Banderole aber „vegan“ aufgedruckt ist, liegt der Preis ganz schamlos schon mal um ein Drei- bis Vierfaches höher. Die Umweltbelastung ist natürlich gleich hoch und in meinen Augen sehr bedenklich.

Ein Trend, den ich inzwischen auch nur noch nervig finde, sind die Mützen, die Beanie heißen. Im weltweiten Netz spuckt eine Suchmaschine über eine halbe Million Treffer zum Thema „Beanies selber machen“ aus. Wenn ich mich so umgucke, scheinen nicht wenige Leute das Bedürfnis zu haben, einen nicht geringen Prozentsatz davon nachzuarbeiten.

Und wenn Häkelmützen von Männern „erfunden“ wurden, bekommen sie einen Markennamen und die Empfehlung, dass sie nur mit einer bestimmten Wollsorte „echt im Trend“ sind. Dass der Preis dieser Wolle sich weniger an der Qualität, als vielmehr am Trend bemisst, versteht sich ja schon fast von selbst. Nur am Rande: dass manche Leute immer noch meinen, Männer mit Häkel- oder Stricknadeln in der Hand verdienten im 21. Jahrhundert eine besondere Erwähnung, Erstaunen oder sogar Lob, nervt mich ebenfalls.

Ja, und dann ist da die vertane Lebenszeit. Zugegeben, das kriegt man auch hin, wenn man die Anleitung nicht beachtet, eine falsche Nadelstärke verwendet oder erst bei der ersten Anprobe des nach Wochen fertiggestellten Strickstückes feststellen muss, dass es nicht sitzt, oder irgendwie ganz blöd aussieht. Mit viel Glück ist es noch halbwegs zum Verschenken geeignet, ansonsten heißt es: noch mehr Zeit damit zu vertun, das Ding wieder aufzuribbeln. Bitter und meistens mit einem Schwall nicht druckreifer Ausdrücke kommentiert. Ich spreche aus eigener Erfahrung, welche Stimmungsabgründe sich da auftun können.

Umso weniger Verständnis habe ich dafür, wenn jemand Wolle, vor allem aber viel Zeit darauf verwendet, Dinge zu handarbeiten, die nicht nur völlig unnütz sind, sondern auch die Grenzen des guten Geschmacks sehr deutlich aufzeigen. Gut, die umhäkelten Klopapierrolle auf der Hutablage des Autos sind jetzt nicht mehr wirklich im Trend. Was bitte aber macht man mit gehäkelten Minitieren, whatsapp-Gesichtern oder Küchenutensilien, die keinen anderen Zweck haben, als auf irgendeinem Regal Staub zu sammeln?

make-socks

Da ist mir statt irgendwelcher Handarbeits-Trend die Devise „Make socks, not war“ dann doch bedeutend lieber.

fl

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