Auf jeden Fall war das Interesse geweckt, mehr über die Muttersprache der vielen neuen Mitbewohner/innen zu erfahren, die als Flüchtlinge ins Münsterland gekommen sind. Und von dieser Neugier ließen sich Kollegen, Bekannte, Kollegen von Bekannten und Bekannte von Kollegen anstecken. Da trifft es sich doch gut, zwei syrische Bücherei-Kolleginnen zu haben, die sich bereit erklärten, einem kleinen Kreis von Interessierten mal einen Einblick zu geben. Und Abeer und Rita  entpuppten sich als wunderbare „Lehrerinnen“ mit viel Begeisterung und Geduld und einer großen Portion Humor.

„Warum ich in diesem Leben nie…“

Schon am ersten von vier geplanten Abenden gab ich der Veranstaltungsreihe den Namen „Warum-ich-in-diesem-Leben-nie-Arabisch-lernen-kann-Kurs“. Dabei hörte es sich anfangs ganz einfach an: Das arabische Alphabet hat zwei Buchstaben mehr als das Lateinische, das dürfte ja zu schaffen sein. Es fängt auch ganz vertraut an mit Alif und Ba. Wer aber jetzt erwartet, das bei Nummer drei das „C“ eine Rolle spielt, muss sich mit „T“ anfreunden, und das gleich zweifach bei Ta und Tha. Für große Augen und fragende Gesichtsausdrücke sorgte dann aber die Information, dass jeder der Buchstaben im Schnitt vier Schreibweisen hat, abhängig davon, an welcher Stelle im Wort er steht. Die Tatsache, dass es also um gut 100 verschiedene Schriftzeichen geht, nötigte mir jedenfalls schon mal einen gewissen Respekt vor arabischen I-Dötzen ab.

Tapfer arbeiteten wir uns bis zum letzten Buchstaben durch und stellten dabei immer wieder fest, dass die arabische Aussprache für deutsche Zungen und Kehlköpfe ausgesprochen gewöhnungsbedürftig ist. Die Feinheiten der Variationen, wie man „ch“ aussprechen kann und vor allem sollte, verursachten nahezu Luftnot. Und manch andere kollektiven Versuche der fehlerfreien Aussprache ließen überraschend eindeutige Assoziationen in Richtung Froschkonzert zu. Wir alle hatten eine Menge Spaß und gönnten es Abeer und Rita, dass sie sich besonders amüsierten. Schließlich können wir uns ja auch hin und wieder mit einem „ü“ oder „ö“ revanchieren…

Ist es Liebe?

Die Feinheiten der Punkte und Striche über und unter den Buchstaben zu behalten, dürfte eine ausgeprägte Gedächtnisleistung erfordern. Es ist hoffentlich nachvollziehbar, dass ich das Ganze sehr schnell gedanklich ablegte unter dem Titel „Warum-ich-in-diesem-Leben…“ und so weiter und so weiter. Dass in meinem Vornamen in arabischen Schriftzeichen zwei Striche auf die Verdopplung des mittleren Konsonanten hinweisen, war mir irgendwie einleuchtend und gefällt mir auch besser als Schifffahrt. Würde Bettina nur mit einem „t“ geschrieben, wäre das für meine Augen zwar ungewöhnlich, wurde aber von deutschen Standesbeamten schon gebilligt.

Arabischkurs2Dass aber ein kleiner Strich von der Größe des französischen Accent oder ein einziger Punkt unter einem Buchstaben die gesamte Bedeutung eines Wortes über den Haufen wirft, nötigte mir erneut großen Respekt vor Erst- und Zweitklässlern im arabischen Sprachraum ab. Gemeinsam überlegten wir in (inzwischen) trauter Runde, was wohl schlimmer wäre: in einem Liebesbrief zu versichern „Ich schenke dir all meine Saatgut“, oder wenn der Lieferant dem bäuerlichen Kunden ein paar hundert Kilo Liebe in Rechnung stellte.

Integration kann dick machen

Na gut, letztendlich für mich – und wahrscheinlich für meine Mitstreiter/innen – nicht so sehr wichtig, denn wir werden wohl keine Briefe in arabischer Schreibschrift schreiben, ebenso wenig, wie wir Bücher in arabischer Druckschrift lesen werden. Aber für ein paar Wörter im täglichen Sprachgebrauch (wohlgemerkt, gesprochen, nicht geschrieben) hat es dann doch gereicht. Verkehrt für den Arbeitsalltag ist es bestimmt nicht zu wissen, dass kitab Buch heißt und maktaba Bücherei. Und ein bisschen stolz gemacht hat mich das Lob, dass ich bei marhaba (Hallo) das „h“ richtig ausgesprochen habe.

Mein persönliches Fazit nach vier Abenden: In diesem Leben werde ich nie arabisch lernen, aber das erwähnte ich ja schon. Allerdings haben wir Wissbegierigen einen wertvollen Einblick in die Sprache und damit auch ein Stück in die arabische Kultur bekommen ebenso wie Informationen über das syrische Bildungswesen. Abeer und Rita vermittelten uns darüber hinaus – spürbar mit Heimweh – Bilder vom Leben Alltag in Syrien, bevor Krieg und Terror sie und abertausende von Landsleuten vertrieben.

Und weil es trotzdem so schön war, haben wir dann außerplanmäßig noch einen fünften Abend vorgesehen. An dem wird es um die syrische und die deutsche Küche gehen, um eventuelle Ähnlichkeiten (Gemeinsamkeiten sind eher selten) und Unterschiede. Und zwar nicht in der Theorie, sondern in der Praxis. Ich freu mich drauf, obwohl bestimmt wieder meine These bestätigt wird, dass Integration dick machen kann.

Ach ja, wann und wo ich tatsächlich mal „mukannasat kahrabayiya“ gehört und verstanden habe, erzähle ich vielleicht ein anderes Mal.

fl

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